Der angebliche Traumberuf mit Burnoutgarantie erfreut sich in Zeiten unsicherer Zukunftsaussichten steigender Beliebtheit. Es wird jedoch viel zu selten die Tatsache verleugnet, dass sich eine Lehrkraft in einem ständigen Spannungsfeld bestehend aus Eltern, Kollegen, Öffentlichkeit, Schülern und Behörden befindet.

TV und PC als Ersatzerzieher

Die Hauptaufgabe einer Lehrkraft wäre ja eigentlich die Wissensvermittlung, jedoch kann diese oftmals nicht mehr zielführend bewältigt werden, da manche SchülerInnen in ihren Familien nicht mehr ausreichend unterstützt bzw. sozialisiert werden. Viele Elternteile werden im Berufsleben stark beansprucht und haben daher leider wenig Zeit, um sich nachhaltig um die Erziehung und Bildung ihrer Kinder zu kümmern. In vielen Familien sind daher leider der Fernseher und der Computer zum Ersatzerzieher geworden. Die Voraussetzungen für nachhaltige Lernerfolge sind unter diesen Voraussetzungen denkbar schlecht. Das Sozialsystem Schule wird jedoch vermehrt dazu gezwungen, alle erzieherischen Versäumnisse auszubügeln.

Verschiedene Wege zum Ziel

Dies kann trotz des hohen Engagements vieler Lehrkräfte jedoch nicht vollständig geleistet werden. Lehrkräfte sind trotz ihrer pädagogischen und fachlichen Ausbildung auch nur ganz normale Menschen, die im Rahmen ihrer alltäglichen Erziehungsaufgaben ebenfalls oft an ihre Grenzen stoßen. – Jeder der selbst Kinder hat, weiß das auch. Man kann keine Verhaltenskontrolle über Schulkinder ausüben, da Kinder eigenständig denkende und handelnde Wesen sind. Das Ö-Normschulkind gibt es nicht. Vor diesem Hintergrund gibt es auch keinen idealtypischen Unterricht oder die perfekte Lehrkraft! Es gibt vielmehr sehr unterschiedliche Lehrerpersönlichkeiten und verschiedene Wege zum Ziel, wobei klaren Inhalten der Vorzug vor Methodenwahnsinn zu geben ist. In der breiten Öffentlichkeit herrschen in Bezug auf das Berufsbild meist zwei Meinungen vor, die die Widersprüchlichkeit der Thematik aufzeigen.

Einerseits behaupten viele, der Lehrerberuf sei so schön aufgrund der angeblichen Vorteile (viel Freizeit, kein Leistungsdruck etc.) und andererseits geben jedoch die meisten offenkundig zu, dass sie sich diesen Job heutzutage niemals antun würden. In Wirklichkeit ist das Lehrersein ein ständiger Balanceakt zwischen dem öffentlichen Erwartungsdruck und den tatsächlichen Arbeitsbedingungen. Trotz widriger Umstände geben 99 Prozent der Lehrkräfte ihr Bestes und fördern ihre Schulkinder mit großer Hingabe. Als Dank für diese anstrengende Sozialarbeit werden sie dann regelmäßig in der Öffentlichkeit durch den Kakao gezogen.

Neue Mittelschule als Etikettenschwindel

Zudem jagt eine unausgereifte Schulreform die nächste. Regelmäßig wird uns so alter Wein in neuen Schläuchen verkauft. Zum Beispiel ist die hochgepriesene Neue Mittelschule zum Großteil ein reiner Etikettenschwindel, welcher von der allgemeinen Unfähigkeit, eine nachhaltige Bildungsreform durchzuführen, ablenken soll. In Wirklichkeit fehlt es am Geld und am politischen Willen tatsächlich sinnvolle Reformen umzusetzen: ordentliche Arbeitsplätze für Lehrkräfte, ausreichend Sozialarbeiter für jede Schule, flächendeckende Nachmittagsbetreuung, Laptops, Whiteboards und Beamer für alle Klassen etc.

Somit bleibt die Schule eine bildungspolitische Baustelle, auf welcher die wirklich wichtigen Probleme ungelöst bleiben. (Leser-Kommentar, Wolfgang Jagsch, derStandard.at, 29.8.2011)