Bei der Verurteilung von Uwe Scheuch ging es um Korruption, um das Versprechen einer Amtshandlung als Gegenleistung für finanzielle Zuwendungen, aber nicht explizit um das Angebot der Staatsbürgerschaft. Die Verleihung der Staatsbürgerschaft als Gegenleistung für finanzielle Investitionen ist nämlich keineswegs grundsätzlich illegal, solange dabei der österreichische Staat selber profitiert und nicht ein Staatsdiener wie der Kärntner Vizelandeshauptmann.

Die internationale Beratungsfirma Henley & Partners berichtet auf ihrer Internetseite "Staatsbürgerschaft durch Investition" von weltweit drei Staaten, in denen Investoren mit der Einbürgerung rechnen können. Das sind die Karibikstaaten Dominica und St. Kitts and Nevis sowie Österreich. Zu Österreich heißt es: "Es ist auch möglich, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erhalten, wenn Sie substanziell in das Land investieren."

Möglich macht diese attraktive Option der Paragraph 10 Absatz 6 des österreichischen Staatsbürgerschaftsgesetzes, der übrigens im Verfassungsrang steht und daher nur mit Zweidrittelmehrheit geändert werden kann: "Wenn die Bundesregierung bestätigt, daß die Verleihung der Staatsbürgerschaft wegen der vom Fremden bereits erbrachten und von ihm noch zu erwartenden außerordentlichen Leistungen im besonderen Interesse der Republik liegt" , dann muss der Betreffende im Gegensatz zu gewöhnlichen Zuwanderern keine Aufenthaltsdauer im Inland, keinen gesicherter Lebensunterhalt, keine Rücklegung der bisherigen Staatsbürgerschaft, keine Deutschkenntnisse und auch nicht solche der demokratischen Ordnung, der Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes nachweisen. Dafür bekommt er einen österreichischer Reisepass, der nicht nur volle Bewegungsfreiheit und wirtschaftliche Rechte in der gesamten Europäischen Union garantiert, sondern auch visafreie Einreise in viele Drittstaaten. Außerdem erhält der Investor das Recht, in Österreich an Wahlen teilzunehmen, auch dann, wenn er sich entschließt, doch lieber seinen dauerhaften Wohnsitz in Russland oder anderswo zu behalten. Schließlich kann er die Staatsbürgerschaft samt Wahlrecht auch noch an seine im Ausland geborenen Kinder und Enkel unbegrenzt weitervererben.

Hinter der voraussetzungslosen Einbürgerung von Künstlern, Sportlern und Investoren steckt zunächst einmal eine mangelnde Unterscheidung zwischen Staat und Zivilgesellschaft. Diese Vermischung ist hierzulande nicht nur in den Köpfen, sondern in den Begriffen selbst verwurzelt. Wer für die Staatsoper singt, die Nationalmannschaft kickt oder in die Volkswirtschaft investiert, der erbringt nicht nur außerordentliche Leistungen für die Musik, den Fußball oder die eigene Brieftasche, sondern für Staat, Nation und Volk.

Zweitens steckt dahinter ein zutiefst undemokratisches Verständnis der Staatsbürgerschaft. Die Gleichberechtigung der Bürger ist nicht vereinbar mit Willkür und Diskriminierung beim Zugang zur Staatsbürgerschaft. Und wenn das Stimmrecht nicht käuflich ist, dann darf es auch die Staatsbürgerschaft nicht sein, mit der man jenes erwirbt.

Das Recht des Geldes

In Österreich gibt es für Kinder von Ausländern, die hier geboren werden, lediglich eine erleichterte Einbürgerung, kein Geburtsrecht auf die Staatsbürgerschaft. Der zehnjährige ununterbrochene Aufenthalt als Bedingung für reguläre Einbürgerungen schöpft die vom Europäischen Abkommen vorgesehene Obergrenze aus. Im Gegensatz zur Mehrheit der EU-Staaten wird Doppelstaatsbürgerschaft bei den meisten Einbürgerungen nicht akzeptiert. Und die österreichischen Bestimmungen für den Nachweis eines sicheren Lebensunterhalts zählen zu den schärfsten und die Gebühren für reguläre Einbürgerungen zu den höchsten in Europa.

Als ich Innenminister Ernst Strasser im Jahr 2000 bei einer Podiumsdiskussion auf diesen Missstand ansprach, antwortete er mit einer Lebensweisheit, die er von seiner Großmutter gelernt habe: Wann's nix kost, is nix wert. Diese Maxime dürfte Strasser in seiner späteren Lobbyingtätigkeit als Europaabgeordneter ausgiebig beherzigt haben. Sie scheint aber durchaus auch der Grundphilosophie des österreichischen Staatsbürgerschaftsgesetzes zu entsprechen. Dieses ist nicht nur von einem dominanten Abstammungsprinzip (jus sanguinis) und einem sehr schwachen Territorialprinzip (jus soli) geprägt, sondern auch von einem dritten Kriterium, welches der Wiener Jurist Joachim Stern "jus pecuniae" nennt, das Recht des Geldes. Pecunia non olet - Geld stinkt nicht -, soll der römische Kaiser Vespasian gesagt haben, als er eine Latrinensteuer einführte. Wenn aber eine Republik ihre Staatsbürgerschaft verkauft, dann stinkt es doch ganz gewaltig. (Rainer Bauböck, DER STANDARD; Printausgabe, 10.8.2011)