Bild nicht mehr verfügbar.

Die israelische Flagge ist einem blau-weißen, jüdischen Gebetsschal nachempfunden. In der Mitte sieht man den Davidsstern, der schon im Spätmittelalter als jüdisches Symbol auf Amuletten verwendet wurde.

Foto: APA/EPA/Safadi

Am 17. März 1992 hat das israelische Parlament ein Gesetz verabschiedet, dass „menschliche Würde und Freiheit" beschützen soll und die Werte Israels als einen „jüdischen und demokratischen Staat" festlegt. Jetzt sollen die Grundpfeiler dieser Definition geändert werden. Diese Woche haben 40 Abgeordnete der Knesset, des israelischen Parlaments, einen neuen Vorschlag für ein Grundrecht eingebracht, dass dort dem jüdischen Charakter Vorrang geben soll, wo ihm die Demokratie widerspricht. Der Entwurf wurde von drei Abgeordneten der Parteien Kadima, Likud und Yisrael Beitenu angeregt.

Eine der vorgesehenen Änderungen ist die Einführung von Hebräisch als einzige offizielle Sprache. Damit wäre Arabisch, die Muttersprache von 1,5 Millionen israelischen Staatsbürgern, keine Landessprache mehr. Daneben soll auch das jüdische Recht als Quelle für Entscheidungen herangezogen werden können, „wenn die Anwendung der nationalen Gesetze zu keiner Lösung führt."

Die Synthese zwischen jüdischem Erbe und demokratischem Anspruch ist ein schwieriger Balanceakt. Denn Gleichberechtigung ist im multikulturellen Staat Israel nicht leicht mit dem Anspruch zu verbinden, dass die Bevölkerungsmehrheit auf Dauer jüdisch bleibt. Die sogenannte Ein-Staaten-Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts ist für Israel unter anderem deswegen inakzeptabel, weil in einem einzigen Staat höhere Geburtenraten Palästinenser bald zur Mehrheit machen würden. Auch in Fragen der Einwanderungspolitik entlädt sich das jüdisch-demokratische Spannungsfeld immer wieder.
Durch das „natürliche" Rückkehrrecht können alle Juden jederzeit nach Israel einwandern und Staatsbürger werden.

Aber Israel ist auch ein attraktives Einwanderungsland für nicht-jüdische Arbeiter und das Ziel vieler afrikanischer Migranten. Diese wurden in der jüngsten Vergangenheit von israelischen Politikern oft als eine Bedrohung für die jüdische Mehrheit interpretiert. Der Bürgermeister der Stadt Eilat, an der Südspitze Israels, nannte die vermeintliche Untätigkeit gegen Einwanderung „nationalen Selbstmord". Premierminister Netanyahu erklärte 2010 nach einem Kabinettsbeschluss über den Status tausender „illegaler" Migranten, dass diese „eine Bedrohung des jüdisch-demokratischen Charakters Israels darstellen."

Bestimmten Flüchtlingen und Einwanderern wurde in der Vergangenheit auch Amnestie verliehen. Wie im Juni 1977, als 66 vietnamesischen Bootsflüchtlingen die Staatsbürgerschaft angeboten wurde.

Für den ehemaligen Präsidenten des Obersten Gerichtshof Aharon Barak ist Demokratie durchaus mit dem Anspruch auf einen nationalen jüdischen Charakter vereinbar, „weil unterschiedliche Behandlung von Individuen nicht immer bedeutet, dass sie deswegen auch diskriminiert werden." Israel solle ein jüdischer Staat sein, aber auch ein gerechter. „Nur eine nationale Heimat auf der Basis von Gleichheit und Respekt für den Einzelnen kann auf Dauer fortbestehen", schreibt er.

Die Wahrung des jüdischen Charakters hat für israelische Jugendliche jedenfalls oberste Priorität. Demokratie wird als weniger wichtig eingestuft, wie eine Studie des Macro Center for Political Economics im März herausfand. Nur für 14 Prozent ist Demokratie ein erstrebenswertes "nationales Ziel", die jüdische Identität hingegen für 26 Prozent.