"Wir haben in Kanada aber Kulturen, die teilweise mittelalterliche Vorstellungen haben, zum Beispiel im Umgang mit Homosexualität."

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Seit den 1970er-Jahren gilt Kanada als Musterland für eine gelungene Multikulturalismus-Politik. Das Land hat weltweit die höchste Zuwanderungsrate pro Einwohner, in Toronto gehört fast jeder zweite Einwohner einer (sichtbaren) Minderheit an. Tarek Fatah kritisiert in Büchern, Zeitungen und Radiosendungen seit Jahren Teile dieser liberalen Politik.

daStandard.at: Sie meinten im Februar 2011, dass Kanadas Multikulturalismus-Politik scheitern wird. Spaziert man durch Toronto, entsteht kaum der Eindruck, dass die Stadt ein Problem mit friedlichem Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen hätte.

Fatah: Wenn es um ein multiethnisches Zusammenleben gehen würde, hätten wir kein Problem. Alle ethnischen Gruppen sind gleich. Wir haben in Kanada aber Kulturen, die teilweise mittelalterliche Vorstellungen haben, zum Beispiel im Umgang mit Homosexualität. Diese Kulturen kann man nicht als gleichwertig betrachten. Rechte für homosexuelle Menschen zu verankern, ist eine der höchsten Formen von Akzeptanz. Wenn westeuropäisch geprägte Gesellschaften wie Kanada oder Großbritannien heute sagen, dass alle Kulturen gleich sind, dann bestrafen sie Anstrengungen von Menschen der letzten 400 Jahre.

daStandard.at: In Europa wird Kanada dennoch als Vorbild für eine funktionierende multikulturelle Gesellschaft angesehen. Worin stimmen unsere Vorstellungen also ihrer Meinung nach nicht?

Fatah: Diese Vorstellungen sind sehr oberflächlich. Kanada ist heute an dem Punkt, wo Großbritannien vor 30 Jahren stand. Damals sagte die erste Generation von Muslimen in Großbritannien, dass sie Mitglieder des Parlaments sein wollen. Die Loyalität derer Enkelkinder gehört heute aber nicht dem König und dem Land, sondern der weltweiten muslimischen Bewegung. Wir haben heute in Großbritannien oder Kanada Menschen der zweiten oder dritten Generation, die überzeugt sind, dass die westliche Kultur böse ist. Frauen der zweiten Generation akzeptieren es, degradiert zu werden. Warum fordern die Frauen nicht die Männer auf, ihr Gesicht zu verhüllen?

daStandard.at: Michael Adams, Präsident des Environics Institute, fand in einer Umfrage heraus, dass kanadische Muslime zufriedener mit dem Leben in Kanada sind als andere Bevölkerungsteile.

Fatah: Lassen Sie mich etwas einwenden! Michael Adams ist ein Verteidiger der islamistischen Bewegung, er ist das, was Lenin einen „nützlichen Idioten" nannte. Als er in einer Umfrage herausfand, dass 12 Prozent der kanadischen Muslime die geplanten Terrorattacken von Toronto als gerechtfertigt ansahen, heuerte er muslimische Interviewer an, damit die Ergebnisse anders ausfallen. Ich sehe ihn als Teil der islamistischen Bedrohung für das Land. Ich teile mit ihm eine linke politische Gesinnung, er ist aber ein „Scharia-Bolschewik".

daStandard.at: Eigentlich wollte ich über die Probleme des Multikulturalismus in Kanada sprechen. Wir sprechen jetzt aber über Muslime. Ist es nicht gefährlich, ein Scheitern des Multikulturalismus und eine Radikalisierung von kleinen Teilen muslimischer Einwanderer zu vermischen?

Fatah: Nein, weil es bei muslimischen Einwandern und der Multikulturalismus-Politik den einzigen Widerspruch gibt. Eine ganz andere Frage ist Rassismus. Wenn wir aber über Multikulturalismus sprechen, dann sind diejenigen, die die Scharia-Gesetzte verteidigen oder den Dschihad nicht entschieden von sich weisen, die größte Gefahr für die westliche Zivilisation, weil sie aus dem Inneren der Gesellschaft agieren können. Wie kann es sein, dass wir in Toronto pro-Dschihad-Demonstrationen haben? Wenn man der zweiten Generation von Zuwanderern angehört, ist man gewöhnlich bereits voll integriert. In England sind die Hindi oder die Sikh der zweiten Generation bestens integriert. Sie werden nie einen Inder finden, der Großbritannien attackiert, weil Indien von Großbritannien kolonialisiert wurde. Großbritannien hat Saudi Arabien nie kolonialisiert, aber sie sind es, die die westliche Zivilisation angreifen. Wir dürfen uns nicht hinter dem Wort „Multikulturalismus" verstecken!

daStandard.at: Was sollte Kanada also ändern? Die Multikulturalismus-Politik existiert hier seit über 40 Jahren.

Fatah: Ganz einfach: Es sollte multiethnisch statt multikulturell sein. Eine Kultur kann man verändern, seine Ethnie nicht. Ich kann meine Hautfarbe nicht ändern. Das ist der Grund, weshalb Ethnien gleich sind, nicht Kulturen. Eine Kultur, in der jedes Jahr eine Million Bücher gedruckt werden, ist einer Kultur, in der nur hundert Bücher gedruckt werden, überlegen. Kanada muss sich gegen den Islamismus gleich auflehnen, wie es sich gegen den Kommunismus als Ideologie aufgelehnt hat. Nirgendwo in Kanada sollte es eine öffentliche Schule geben, deren Cafeteria in eine Moschee umgewandelt wird. Das ist nur aufgrund einer naiven Beschwichtigungspolitik möglich.

daStandard.at: Das klingt wie aus dem Kanon von europäischen rechten Parteien, zum Beispiel Geert Wilders oder...

Fatah: ... diese Leute haben keine Antwort auf die Probleme. Sie identifizieren Probleme, haben aber keine Lösungen parat. Die einzige mögliche Antwort ist eine strengere Trennung von Kirche und Staat! Was will Wilders denn tun - den Koran verbieten?! Achtzig Prozent der Muslime können den Koran gar nicht lesen. Der Koran ist also nicht das Problem. (Willi Kozanek, 2. August 2011, daStandard.at)