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Der menschliche Spürsinn kommt weder an elektronische, noch an Hundenasen heran.

Foto: APA/Ingo Wagner

Von Hunden kennt man das: Mit ihrer feinen Nase spüren sie verschüttete Lawinen- und Erdbebenopfer auf, erschnüffeln Drogen oder die Spur eines Täters und erkennen am Geruch, wenn dem eigenen Herrchen ein epileptischer Anfall bevorsteht. Ihr Einsatz in der Onkologie bringt seit einigen Jahren auch Krebsspezialisten zum Staunen. Speziell trainierte Hunde sind nämlich in der Lage Tumorerkrankungen, wie Lungen-, Brust- oder Blasenkrebs über die Atemluft oder den Urin zu identifizieren. 

„Die Hunde erkennen Lungenkrebs bereits in einem Stadium, in dem die Erkrankung radiologisch noch nicht nachweisbar sind", beschreibt Marcus Franz, Leiter der Internen Abteilung am Wiener Hartmannspital, wie sich die olfaktorischen Fähigkeiten der Tiere auch im Rahmen der medizinischen Früherkennung nützen lassen. Die Heilungschancen für Patienten erhöhen sich und die Akzeptanz der Hunde bei Patienten ist groß. Einen Doktortitel werden die Superschnüffler aber trotzdem nicht erlangen.

Elektronische Spürnasen

„Im Klinikalltag sind Hunde schwer einsetzbar, weil man mit den Tieren nicht gut reden kann", hegt Anton Amann, von der Innsbrucker Universitätsklinik für Anästhesie und Allgemeine Intensivmedizin, seine Zweifel über die Anwendbarkeit dieser Methode. Der Innsbrucker Experte setzt in der Diagnostik deshalb auf elektronische Nasen. In dem zwischen 2006 und 2009 laufenden EU-Projekt konzentrierte sich Amann mit seinem Team auf den Nachweis von Lungen- und Speiseröhrenkrebs mit Hilfe der Atemgasanalyse. Mit Erfolg, wie sich zeigte: Nachdem die Patienten Kunststoffbeutel aufgeblasen hatten, wurden in der Atemluft winzige Spuren verschiedener organischer Substanzen nachgewiesen. 

Die Vorteile der Atemgasanalyse sind dabei nicht zu übersehen. Die Methode ist nicht invasiv, ermöglicht kontinuierliche Messungen und bringt binnen weniger Minuten bereits Resultate. Dazu kommt, die Grenzen der Anwendung sind noch lange nicht ausgelotet. „Von vielen Substanzen wissen wir noch nicht einmal woher sie biochemisch kommen", betont Aman und zeigt sich optimistisch, dass außer der Früherkennung von Krebs zukünftig auch eine Reihe anderer Erkrankungen mit ausgeatmeten Substanzen in Zusammenhang gebracht werden können.

Aceton oder Ammoniak

Der menschliche Spürsinn kommt weder an elektronische, noch an Hundenasen heran. Gänzlich verkümmert ist das Riechorgan des Menschen jedoch nicht. Zwar umfasst die Oberfläche seines Riechepithels nur knapp ein Dreißigstel dessen, was sich in der Hundenase wiederfindet. Mit 20-30 Millionen Riechzellen ist der Homo sapiens aber immerhin in der Lage zwischen 10000 verschiedenen Gerüchen zu unterscheiden. Die Nase eines Mediziners eignet sich also durchaus als diagnostisches Hilfsmittel. Vorausgesetzt, die Duftmoleküle, die bestimmten Krankheiten zuzuordnen sind, finden sich auch in ausreichender Konzentration. 

Typisches Begleitsymptom eines entgleisten Diabetikers ist der intensive Fötor ex ore. Wer einmal an einem Nagellackentferner oder an fauligen Äpfeln geschnuppert hat, weiß wie die Atemluft schwer Zuckerkranker riechen kann. Eine Ketoazidose ist der Grund für den stechenden Acetongeruch, der von Medizinern als Frühwarnung eines bevorstehenden diabetischen Komas interpretiert wird. 

Auch lang anhaltender Hunger kann zu Acetongeruch führen, während der Geruch nach faulen Eiern (Ammoniak) Hinweise auf ein Leberkoma oder Blutungen in der Speiseröhre geben kann. Erdig riechende Atemluft findet sich bei schweren Lebererkrankungen mit Parenchymuntergang und bei einer seltenen Stoffwechselerkrankung, der Trimethylaminurie, riechen die Betroffenen aus allen Poren nach altem Fisch.

Sauer und ranzig

Noch mehr als in der Schulmedizin besitzen Gerüche in der traditionell chinesischen Medizin Relevanz. Verschiedene Körpergerüche erlauben Rückschlüsse auf betroffene Organsysteme. Die Gerüche ranzig und sauer werden beispielsweise dem Funktionskreis Leber-Galle zugeordnet, Verbranntes wird mit dem System Herz-Dünndarm assoziiert. 

Dass Düfte nicht nur Auskunft über den Gesundheitszustand eines Menschen geben können, sondern umgekehrt auch zum Heilungsprozess einer Erkrankung beitragen, weiß man in der Aromatherapie zu nützen. „Über die Wahrnehmung verschiedener Gerüche werden Veränderungen bestimmter Stoffwechselprozesse im Gehirn erzeugt", weiß Franz. Auf diese Weise erhöht sich das Wohlbefinden der Patienten und neben der Entspannung, sind je nach Inhaltsstoff eines Duftöls auch antirheumatische, entzündungshemmende, durchblutungsfördernde oder schmerzstillende Wirkungen zu erwarten.(derStandard.at, 17.08.2011)