Der Oberösterreicher Gerald Venzl lebt derzeit als Informatiker in New York. Er hatte Glück: Die internationale Firma, für die er in Österreich tätig war, bot ihm diese Möglichkeit.

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In Akademikerkreisen sind internationale Jobausschreibungen gang und gäbe, berufliche Stationen im Ausland keine Seltenheit. Aber wie gestaltet sich die Situation für Lehrabsolventen? derStandard.at hat nachgeforscht, wie es mit der Anerkennung der österreichischen Lehre im Ausland steht und wie realistisch die Chancen sind, in anderen Ländern beruflich Fuß zu fassen.

Rechtlich gleichgestellt ist man auf jeden Fall in Ungarn, Deutschland und Südtirol. Aufgrund von Berufsbildungsabkommen mit den beiden Ländern beziehungsweise der autonomen Provinz werden dortige vergleichbare Ausbildungen mit der österreichischen Lehrabschlussprüfung gleichgesetzt und umgekehrt. Auch mit dem Nachbarstaat Tschechien wird derzeit an einem solchen Abkommen gearbeitet.

Rechtliche Absicherung

Wer also ein heimisches Prüfungszeugnis in Händen hält ist so gestellt, also ob er oder sie die Prüfung nach den geltenden Bestimmungen des jeweiligen Landes absolviert hätte. Wichtig ist das vor allem im Bezug auf Kollektivverträge oder sozialversicherungsrechtliche Fragen. In der Regel reicht es aus, im Bewerbungsschreiben auf das jeweilige Abkommen zu verweisen. Eine Liste der jeweils anerkannten Berufe liegt beim Wirtschaftsministerium auf.

Jobportal EURES

Anders ist die Situation für alle anderen EU-Mitgliedsstaaten, laut EU-Vertrag ist die Anerkennung im Ausland absolvierter Ausbildungen Ländersache. Das heißt: Es hängt vom jeweiligen Land und vom dortigen nationalen Verfahren ab, ob und inwiefern österreichische Abschlüsse anerkannt werden.
Europaweit haben Jobsuchende jedenfalls durch das Jobportal EURES (EURopean Employment Services), das von der Europäischen Kommission koordiniert wird, Zugriff auf die von den jeweiligen Arbeitsmarktservicestellen ausgeschriebenen Stellen.

Europass soll Transparenz schaffen

Eine praktische Hilfestellung beim Bewerben soll der Europass bieten, eine europaweit einheitliche Vorlage für Arbeitssuchende, die Qualifikationen, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung etc. transparent und vergleichbar macht. Das heißt: Ein potenzieller Arbeitgeber in Spanien kann zwar vielleicht nicht viel mit dem österreichischen Lehrabschlusszeugnis anfangen. Fügt der Bewerber aber eine Europass-Zeugniserläuterung hinzu, wird daraus ersichtlich, welche Fähigkeiten mitgebracht werden.

Absolventen einer Lehre erhalten das Dokument entweder in der Schule zusammen mit dem Abschlusszeugnis oder können es sich auf der Europass-Webseite herunterladen. An der Initiative beteiligen sich 31 Länder – neben den 27 EU-Mitgliedstaaten auch die EFTA/EWE-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen, sowie die Türkei.

"Europäischer Qualifikationsrahmen"

Ein weiterer Schritt in diese Richtung ist der "Europäische Qualifikationsrahmen", der derzeit ausgearbeitet wird und als Übersetzungsinstrument dient, das nationale Qualifikationen verständlich macht. Im Vorfeld arbeiten die einzelnen EU-Staaten derzeit an einem nationalen Qualifikationsrahmen, der alle Berufs- und Schulausbildungen in einem Referenzrahmen von 1 bis 8 einstuft.

Derzeit wird verhandelt, den Lehrabschluss, den es in dieser Form nur in Österreich, Deutschland und der Schweiz gibt, auf 4 einzustufen. "Es ist wichtig, dass die Lehre nicht unter die Räder kommt, denn eine Stufe unterhalb wäre sie nur mehr mit einer einfachen Anlehre, wie es sie zum Beispiel in Großbritannien gibt, vergleichbar", erklärt Robert Hörmann, Lehrlingsexperte bei der Arbeiterkammer Niederösterreich.

Der Europäische Qualifikationsrahmen soll ab 2012 angewandt werden, eine tatsächliche rechtliche Anerkennung des Lehrberufes und damit verbundene kollektivvertragliche Verpflichtungen gibt es aber nicht. "Über kurz oder lang, wenn sich das System erst einmal etabliert hat, wird es aber dazu kommen", ist Hörmann überzeugt.

Als Informatiker in die USA

Außerhalb Europas gibt es keine Regelungen oder Bestrebungen in diese Richtung. Es ist aber nicht utopisch, mit einer Lehre in der Tasche auszuwandern. Ein Beispiel: Der Oberösterreicher Gerald Venzl lebt und arbeitet seit mehr als zwei Jahren in New York. Der Mitt-Zwanziger hat zu Hause eine Informatik-Lehre absolviert. Als das Österreich-Büro des internationalen Unternehmens geschlossen wurde, wechselte er gemeinsam mit seinem Chef nach New York.

Wer das Auswandern auf Eigeninitiative versucht, wird es in den USA allerdings schwerer haben, weiß Venzl: "Das Ausbildungssystem der USA wertet die österreichische Lehre gleich wie ein "apprenticeship", das aber leider geringer bewertet wird. Was hier zählt ist ein College Degree." (red, derStandard.at, 3.10.2011)