Foto: Dt. Historisches Museum

Mit der Ausstellung "Idee Europa" eröffnet das Deutsche Historische Museum seine Pforten: Stararchitekt I. M. Pei bann die Idee einer allmählich zusammen- wachsenden Welt in einem Berliner Prachtbau von internationalem Glanz.


Europa ist ein Haus, das schwer in Ordnung zu halten ist. Auf einer steirischen Völkertafel aus dem Jahr 1725 stand zum Beispiel schon zu lesen, dass "der Teutsche" eine wesentliche Untugend hat: Er ist "verschwenderisch". Hans Eichel würde dies vermutlich zähneknirschend unterschreiben. Der "Bolack" hingegen bleibt mit allen Ambitionen an die Scholle gebunden. "Sein Leben endet: Im Stall", und nicht im Irak, schreibt der Geopolitiker aus der Steiermark, dessen Einschätzungen vielleicht wirkmächtiger sind, als den Politikern lieb ist.

Foto: Dt. Historisches Museum
Neues Wahrzeichen hinter dem Zeughaus Unter den Linden: die Wendeltreppe des Deutschen Historischen Museums.

Eine Föderation aus Nationen mit kultureller Vielfalt will Europa eines Tages sein, und auch eine Metapher gibt es: das gemeinsame Haus. Wenn an diesem Samstag das Deutsche Historische Museum in Berlin mit einer Ausstellung über Idee Europa - Entwürfe zum "Ewigen Frieden" wiedereröffnet, so tritt dieses Bild aber schon wieder in den Hintergrund, weil es ein außergewöhnliches neues Gebäude zu bestaunen gibt.

Der sinoamerikanische Architekt I. M. Pei hat hinter das Zeughaus Unter den Linden eine Ausstellungshalle gebaut, in deren universalistischer Eleganz die Schau über das sich zusammenraufende Europa fast ein wenig provinziell wirken muss.

Dem Gebäude gilt der Stolz der Berliner Republik, getrübt ist dies allein durch die Tatsache, dass es eine Erfindung von Helmut Kohl ist. Auf einem Videoausschnitt ist der Kanzler der Wiedervereinigung zu sehen, wie er in monumentaler Leutseligkeit den Bauherren macht. In Paris hat I. M. Pei mit seiner Pyramide für den Louvre die Repräsentationsachse der Seine-Stadt entscheidend zentriert.

In Berlin hingegen steht sein Werk ein wenig abseits des Boulevards Unter den Linden, schräg hinter der Neuen Wache von Schinkel und in Nähe der Museumsinsel. Die Besucher werden das Historische Museum künftig von dieser Seite her betreten, an der eine verglaste Wendeltreppe die Zugänge eröffnet.

Zugang Zeughaus

Klarer entfaltet sich die Architektur allerdings über den Zugang durch das Zeughaus, das ab 2004 die ständige Ausstellung des Deutschen Historischen Museums beherbergen soll. Der barocke Schlüterhof wird durch ein neues Glas-Stahl-Dach zu einem grandiosen Forum. Von diesem Innenhof führt der Weg eine Ebene tiefer in den Pei-Bau, der sich in dieser Perspektive mit betörender Leichtigkeit von ganz unten in den Berliner Himmel schraubt.

In einer kleinen Ausstellung werden I. M. Peis bisherige Museumsbauten dokumentiert, wodurch Berlin in eine nicht unwillkommene Genealogie mit Washington und Paris gerät. Die Ausstellung Idee Europa hingegen hat Amerika weniger im Blick als Asien und einen Rest der Welt, der den Kartografen lange als eine Terra incognita galt. Alle Entwürfe zum "Ewigen Frieden" haben schließlich mit Landesgrenzen und Völkerrecht zu tun, bei aller Langlebigkeit des mythologischen Überbaus.

In dieser Perspektive sitzt Europa bekanntlich auf dem Rücken eines Stiers, der wahlweise von Herkules oder von Picasso in die Schranken gewiesen wird. Die Fruchtbarkeitssymbolik auf das deutsche Bruttosozialprodukt oder die polnische Landwirtschaft direkt anzuwenden, würde vermutlich eine diffizile Ausstellung ergeben.

Idee Europa aber steht ganz im Zeichen der legitimierenden Debatten, die seit 1945 das Zusammenwachsen begleiten. Das Bild vom "Strom der Zeiten", der an einer Quelle entspringt und sich dann in ein Delta mit Feinverästelungen ausdifferenziert, setzt schließlich auch einen See und irgendwann ein Meer voraus, in das sich die Zukunft friedlich ergießen wird.

Die Metapher vom Meer Europa hat sich, trotz Braudel, nicht durchgesetzt, deswegen hängen im Deutschen Historischen Museum viele Bilder und Landkarten an Wänden. Sie bilden ein Haus, für das I. M. Pei ein Weltgebäude geschaffen hat. (DER STANDARD, Printausgabe, 24./25.5.2003)