Sessel "Loop" von Willy Guhl

Sessel "Loop" von Willy Guhl

Schranksystem "Wogg" 20" von Benny Mosimann

Schranksystem "Wogg" 20" von Benny Mosimann

Regal 397 von Thut Möbel

Regal 397 von Thut Möbel

Der berühmte "Landi" von Hans Coray

Der berühmte "Landi" von Hans Coray

Scherentisch von Thut Möbel

Scherentisch von Thut Möbel
In der Schweiz, wo das Wasser in rauen Mengen die Berge hinabfließt, sodass die Turbinen inzwischen über 170.000 Terajoule Strom in die Netze einspeisen, dort, wo sich die wohlhabende Bevölkerung wie nirgends in Europa in einer verfeinerten Wohnkultur eingerichtet hat, pflegt das Design mit einem besonders leichten Material zu werkeln, das Energie nur so verschlingt: Aluminium.

Das war schon 1939 so. Die Stadt Zürich hielt nach einem Gartenstuhl Ausschau. Suchte ein Möbel, das den Besuchern der Landesausstellung, die liebevoll "Landi" genannt wird, Ruhe und Entspannung bringen sollte. Und weil es den Eidgenossen ein Anliegen war, der Welt zu zeigen, wie potent die Produktion eidgenössischer Aluminiumwerke aufgestellt, wie fabelhaft die Versorgung mit Elektrizität im Lande organisiert war, ließ man 1939 ein Möbel entwerfen, das aus dem "schweizerischen Metall" hergestellt wurde.

Hans Coray, ein Kunstfreund, der sich autodidaktisch dem Design zugewandt hatte, entwarf das Möbel. Dessen Sitz und Rückenlehne sind aus einer Schale gefertigt, und sieben Löcher pro Reihe lassen das Regenwasser von der Sitzfläche abtropfen. Nur 1500 dieser Stühle produzierte die Blattmann Metallwarenfabrik für die 39er-Landi, die dem Möbel auch ihren Namen lieh: Der "Landi"-Stuhl war geboren. 1964, zur Expo in Lausanne, wurde dann eine Version aufgelegt, die nur sechs Löcher in einer Reihe versammelte. Aber selbst später, als der Stuhl schon lange Kultstatus erreicht hatte, wurden nur bis zu 1500 Stücke im Jahr aus den Werkshallen getragen. Denn für die breite Masse war der Stuhl nie bestimmt, der mit 68 Arbeitsgängen schon immer recht teuer war.

Er blieb, wie so viele Möbel der Moderne, die sich einer breiten Masse andienen wollten, ein Objekt für Wohlverdienende. Eben ein typisches Produkt der Schweiz. Immerhin wurde er - mit einigen Unterbrechungen - bis 2001 produziert, bis die MEWA Metalight AG, die als letztes Unternehmen die Kulturproduktion übernahm, schließlich in Konkurs ging. Nur noch selten tauchen jene raren Modelle auf, die in den 40er-Jahren hergestellt wurden. Weshalb ein solches Modell kürzlich im Auktionshaus Dorotheum einen beachtlichen Preis von 1200 Euro erzielen konnte. Aber auch jenseits des Kunsthandels lebt die Ikone des Schweizer Designs weiter.

"Es gibt kein Schweizer Design. Höchstens Vorurteile ..."

Seit 1999 kennt die Designgeschichte einen Hocker, der fest im Boden montiert werden kann. Dieses wunderbare Gartenmöbel, das von Frédéric Dedelley, einem der wohl sensibelsten Vertreter der Designzunft, entworfen wurde, entstand für die Möblierung des Schweizer Gartens, der das Land auf der Internationalen Gartenausstellung in China präsentierte. Eine drehbare Sitzgelegenheiten hat der heute 38-jährige Designer entworfen, dessen Löcher die Geschichte der Schweiz respektiert, sie aber nicht im Propagandastil beklatscht. Denn jenes Metallmöbel erinnert auch verdächtig an einen Melkschemel - was durchaus als ironische Fußnote zur Nostalgie der Alpenregion gelesen werden darf. Dass das Objekt keinerlei Zierrat aufweist, versteht sich fast von selbst - wird den Schweizer Designern doch immer nachgesagt, sie seien kühl, klar und sehr dem asketischen Funktionalismus zugeneigt. Eine These, die Köbi Gantenbein, der als Chefredakteur den Ton des führenden Designmagazins der Schweiz (Hochparterre) angibt, nicht teilen mag. Er sagt: "Es gibt kein Schweizer Design. Höchstens Vorurteile wie Schweizer Sparsamkeit, Schweizer Präzision, Schweizer Käse." Und gibt jenen, die immer wieder "typische" Schweizer Qualitäten loben, zu bedenken, dass, wer so redet, auch sagt: Italiener seien nicht präzise, Russen nicht sparsam und französischer Käse nicht köstlich. Und was die größte Designleistung der Schweizer angeht, glaubt er ohnehin, dass es die wirtschaftliche Nutzung der Alpen ist. Denn um die Berge zu Geld und Gold produzierenden Reisezielen zu machen, musste man erst einmal das Paradies erfinden, dann bauen, es einrichten und zu guter Letzt schön reden und abbilden: was im Grunde Design sei.

Die Tugend der Schweizer: gemeinsame Sache

Und in diesem Punkt gibt sich österreichisches Design auffallend verwandt mit dem der Schweiz. Typisch hingegen ist die Tugend der Schweizer, gemeinsame Sache zu machen. Denn in dem kleinen Land laufen sich die Designer, Hersteller und Händler ständig über den Weg, plaudern, feiern und streiten gemeinsam. Und weil die Unternehmen so klein sind wie das Land, weil Atelier Alinea, Belux, Lehni, Röthlisberger, Sele 2, Thut oder Wogg mit ein paar Millionen Euro Umsatz nur bescheidene Möglichkeiten haben, groß aufzutrumpfen, präsentieren sie sich vereint im "Forum 8", nennen sich kreative Fabrikanten für Möbel und Licht. Und betreiben die Umsetzung ihrer Gesinnung, der hohen Qualität zu huldigen, als Konkurrenten - freilich stets darauf bedacht, dass die Betten, Schränke oder Leuchten jedes Herstellers ein eigenes Profil haben, sich also nicht in die Quere kommen.

Wogg ist etwa Spezialist für das Extrudieren von Aluminium, was uns lange Tische, Betten und Regale beschert. Oder die Möbel von Thut können mit Scherenmechanismen aufwarten, die geradezu ein Loblied auf die präzise Metallverarbeitung sind. Erst kürzlich stattete das Unternehmen die Stadt Zürich mit einer Bank aus, die sich zusammenrollen lässt und so in der kalten Jahreszeit aus den Parks verschwindet.

Qualitätszirkel der acht Edlen

Wer aber nicht zum organisierten Qualitätszirkel der acht Edlen gehört, darf höchstens einmal als Gast auftreten, wie die Trunz.collection. Ein junges Möbel-Label, in dessen Namen Metall auf vornehm zurückhaltende Weise verbogen wird. Erst seit 2001 mit der Produktion von Metallmöbeln befasst, genießt es inzwischen einen guten Ruf. Wozu auch die schillernden Namen beitragen, die die Regale, Stühle und Rollcontainer entworfen haben: Hanspeter Weidmann, dessen Schuhkrippe von 1984 zum meistkopierten Schweizer Design der Gegenwart zählt, und Alfredo Häberli, der für viele namhafte Möbel-Labels dieser Welt Entwürfe ersinnt.

Bislang noch nicht über die Landesgrenzen hinaus schallt der Ruf einer jungen Truppe, die sich - nach dem Vorbild von "Forum 8" - zusammengerauft hat. "Etage" nennen sich die jungen Produzenten, die meist in Eigenregie entwerfen, die Produktion in die Hand nehmen und die Vermarktung organisieren. Lukas Fischer etwa vertreibt ein Aluminiumregal, dessen Name in seiner vielfältigen Zusammenstellbarkeit Programm ist: "Chamäleon". Oder in der "neuen Werkstatt" entstehen in Kleinserien Lampen, Beistelltische und andere Objekte in Sachen Wohnbedarf.

Klischee der zeitlosen Einfachheit

Allesamt stellen die "Neuen Schweizer Möbel- und Lichtproduzenten" Möbel her, die dem Klischee der zeitlosen Einfachheit frönen, die immer wieder einmal als "neue Sachlichkeit" tituliert wird. Eine Benamsung, die vollkommen überflüssig ist - gibt es sie erstens andernorts auch und zweitens in der Schweiz schon lange: Sie ist ein alter Hut. Oder ein Küchengerät: Denn in keinem anderen Objekt spiegeln sich die Vorurteile über eidgenössisches Design prächtiger wider als im Sparschäler "Rex". Nur aus zwei Bauteilen ist er zusammengesetzt, was ihn mit 2,50 Euro zu einem preiswerten Designprodukt macht. Auch dient er als internationaler Botschafter asketischer Sparsamkeit, wird zu 60 Prozent im Ausland verkauft. Der Hersteller, die Zena AG in Affoltern, produzierte bislang 60 Millionen Stück dieser präzise schälenden Haushaltshilfen. Allerdings weist der Botschafter schweizerischer Lebensform einen Mangel auf: Der 1947 patentierte "Rex" wurde von Alfred Neweczerzal erfunden und entworfen - einem Polen, der, wie so viele Schweizer, in das Alpenland immigrierte. (DER STANDARD, rondo/16/05/2003)