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Berlin - Erstmals in ihrer Geschichte haben die deutschen Grünen die strikte Trennung von Amt und Mandat für die Bundesebene der Partei gelockert: In einer Urabstimmung votierten zwei Drittel der Grünen-Mitglieder für eine Kompromissregelung, wonach künftig zwei der sechs Vorstandsmitglieder ein Abgeordnetenmandat innehaben dürfen, wie Grünen-Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke am Freitag in Berlin bekanntgab. 32,15 Prozent stimmten gegen die heftig umstrittene Änderung, rund ein Prozent enthielt sich. An der Basisabstimmung beteiligten sich 56,64 Prozent der etwa 43.500 Grünen-Mitglieder. "Die Satzung unserer Partei ist mit dem heutigen Tage geändert", betonte Lemke.

Prinzip hatte für heftige Konflikte gesorgt

66,89 Prozent der Grünen-Mitglieder votierten für die Lockerung des Prinzips, das über Jahre parteiintern für heftige Konflikte gesorgt hatte. Angesichts der deutlichen Mehrheit gilt das Ergebnis damit als juristisch nicht anfechtbar. "Der Bundesvorstand sieht sich in seinem Engagement für den Kompromiss bestätigt", sagte Lemke. Sie zeigte sich überzeugt, dass mit dem jetzt durchgesetzten Kompromiss die jahrelange Debatte über die Trennung von Amt und Mandat beendet sei. Eine weitere Lockerung solle es nicht geben. "Der Kompromiss hält, die Debatte ist mit dieser Urabstimmung beendet", betonte Lemke. Mit einer vorzeitigen Neuwahl des Bundesvorstandes sei nicht zu rechnen.

Basis hatte Rückzug von Kuhn und Roth erzwungen

Wegen der Trennung von Amt und Mandat hatte die Basis noch im Dezember den Rückzug der Parteivorsitzenden Fritz Kuhn und Claudia Roth von ihren Ämtern erzwungen. Beide wollten ihr Bundestagsmandat und ihr Amt behalten. Der Parteitag in Hannover lehnte jedoch eine Satzungsänderung ab und beschloss, alle Mitglieder in der Urabstimmung zu befragen. Nach der nun beschlossenen Satzungsänderungen bleibt es aber weiterhin untersagt, dass Vorstandsmitglieder in einem Parlament den Fraktionsvorsitz innehaben oder ein Regierungsamt bekleiden dürfen.

Roth zum Kompromiss: Damit sei garantiert, "dass die Grünen auch weiterhin anders bleiben als die anderen"

Roth zeigte sich erfreut über das Abstimmungsergebnis. Die Neuregelung sei ein Kompromiss, der auch den Bedenken der Befürworter der bisherigen Satzung Rechnung trage. Damit sei garantiert, "dass die Grünen auch weiterhin anders bleiben als die anderen". Ziel der Trennung von Amt und Mandat ist es, eine Ämterhäufung zu verhindern und eine Kontrolle von Ministern durch die Parlamentarier zu gewährleisten. Nach dem Rückzug von Kuhn und Roth waren im Dezember Reinhard Bütikofer und Angelika Beer zu den neuen Parteichefs der Grünen gewählt worden.

Die strikte Trennung von Amt und Mandat galt seit der Gründung der Grünen 1980 und hatte seit Jahren immer wieder für heftige Konflikte gesorgt. Lockerungen des Trennungsprinzips gab es bei den Grünen bisher nur auf Länderebene. Im Vorfeld der Urabstimmung war in der Partei auch umstritten, ob für die Satzungsänderung die einfache Mehrheit der Stimmen ausreicht oder eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich ist. (APA)