Spiel mit der Perspektive auch beim österreichischen Künstler Lois Renner. "Antwerpen", 2010, zeigt die Galerie Mauroner am Ignaz-Rieder-Kai 9.

 

Foto: Galerie Mauroner

Erosion der Berge, Erosion der Bilder: Anselm Kiefer: "Alkahest", 2011 aus seinem neuesten Werkkomplex.

 

Foto: Galerie Ropac

Julia Maurer "Heavily Necklaced Female...", 2011.

 

Foto: Galerie UBR

Salzburg - Die große Vielfalt fassen, dabei kann ein eleganter Titel helfen: Defiant Gardens, also Gärten des Rückzugs, nennt etwa die Galerie Mauroner ihr Angebot am Residenzplatz und in der Villa am Ignaz-Rieder-Kai, wo im echten Gärtlein Arbeiten von Tony Cragg, Paolo Grassino oder Jaume Plensa platziert sind. Die assoziative Bandbreite des Titels reicht vom Ort der Stille und der Trauer bis zu jenem Fleckchen Erde, das für das Nachdenken, die Beobachtung und das Experiment reserviert ist.

Unter diesem weiten Bogen finden also die kleinen Bronzen des spanischen Künstlers Baltazar Torres, die existenzialistische Fragen verkörpern, ebenso Platz wie abstrakte Gemälde von Jakob Gasteiger, die intensiven Farblandschaften Herbert Brandls oder die zarten Tuschezeichnungen der türkischen Künstlerin Inci Eviner.

Faktischer der Zusammenhalt in der Galerie Altnöder, die Österreicher der Generation 1951± präsentiert, also Künstler rund um die 60, wobei der Schwerpunkt auf jenen Künstlern (von Siegfried Anzinger bis Hubert Schmalix) ruht, die in den 1980ern als die "Neuen Wilden" reüssierten. Eine trotz ernster Anliegen Laune machende, anregende Präsentation, in der ein ganz frisches Bild Johanna Kandls herausleuchtet: Wie zu einer Art Markt hat sie ein paar Dutzend Tische arrangiert.

Allerdings sind die auf einfachen Böcken ruhenden Tischplatten, bis auf die Namensschilder von Philosophen und Wirtschaftsleuten, die die Künstlerin hier gemeinsam an den Tisch setzt, leer: Von Theodor W. Adorno bis Slavoj Zizek, von Microsoft-Chef Bill Gates bis zu Facebook-Gründer Mark Zuckerberg reicht die Tischordnung von Kandl, deren Bilder sie in den letzten Jahren als kritische Beobachterin der wirtschaftlichen und sozialen Lage unserer Zeit ausweisen. Nachdenklich auch Alois Mosbachers Arbeiten, die das Bild einer Welt nach dem Aussterben der Menschen zeichnen: eine Müllhalde, bevölkert von mutierten Tieren.

Arbeit und Geld

Auf zwei Worte reduziert, collagiert Jochen Höller ein stimmiges Bild unserer Zeit: Eigentlich mehr zufällig, denn die Bildingredienzen stammen aus dem Jahr 1867, als Das Kapital von Karl Marx erschien. Höller hat die Wörter "Arbeit" und "Geld" aus einer Ausgabe ausgeschnitten und "angehäuft". So viel sei verraten: Arbeit gibt es genug. Höllers Blatt ist Teil der Ausstellung living on the edge of a silver future in der Galerie 5020, die keine kommerzielle Galerie ist. Kuratorin Hildegard Fraueneder thematisiert eine Art Raum an der Kippe, einen Möglichkeitsraum, der etwa Fragen zu immateriellen Formen des Kapitals aufwirft, Alternativen anbietet oder sich auch nur die Freiheit herausnimmt, überraschende Szenarien aus altbekannten Mustern zu entwickeln.

Auch die Ausstellungsarchitektur unterstützt mit schiefen Wänden und verwinkelten Raumnischen auch das Einnehmen anderer Blickwinkel. Die Gruppe The Video Sisters sezieren zu diesem Zweck etwa ein eigenes Video: Sie isolierten Nahaufnahmen aus dem ursprünglichen, komplexen Zusammenhang und bieten auf diese Weise ungewohnte Perspektiven an. Die Freiheit, sich unabhängig und an keinen Ort gebunden zu bewegen, reklamieren etwa die singenden Meteoriten aus dem Video Orgon Rock (2010) von Katrin Plavcak, Johanna Kirsch und Rudi Fischerlehner.

Im Vergleich dazu scheinen die Arbeiten des deutschen Künstlers Gerold Miller sehr präzise Raum abzustecken. Die Galerie Ruzicska hat eine Mini-Retrospektive mit Werken von 1996 bis 2011 zusammengestellt. Millers bisweilen in grellfarbigen Lacken im Hard-Edge-Stil lackierten Aluminiumobjekte könnte man auch als Rahmen lesen. Oder aber als Bilder, deren Mitte frei bleibt, die eine magische Leere umschreiben. Also eine präzis gerahmte Möglichkeitsform. Anlage titeln seine frühen Wandobjekte passend.

Entgegen ihres klar definierten visuellen Eindrucks lassen sich die Arbeiten aber gar nicht so leicht festlegen, sondern oszillieren zwischen Design, Minimal Art und Malerei. Auch mögliche Kritik an ihrer Glätte, ihrer Oberflächlichkeit nimmt Miller vorweg, indem er sich von Zeit zu Zeit selbst befragt und seine Objekte hinters Auto gehängt über den Asphalt schleift.

Die Spuren der Welt fressen sich auch in die Bilder von Anselm Kiefer, dessen jüngsten Werkblock die Galerie Ropac präsentiert. Monumental sind die Leinwände bei Kiefer immer, aber diesmal ist auch sein Motiv, der Berg und das Gebirge, von monumentaler Größe. Der Künstler vermisst die Berge, umrundet sie und macht in der Vorbereitung tausende Fotos von ihren zerfurchten Massiven, etwa den Grimming in der Steiermark, auf den ihn der befreundete Schriftsteller Christoph Ransmayr aufmerksam machte. Die Berge sind für Kiefer Ursprung und Material der Alchimisten, Orte der Verwandlung, wo die Erosion Krater in die Oberfläche riss. Die Symbolkraft der Bilder spitzt er auch politisch zu.

Ein Solo gibt es auch in der kleinen Galerie UBR von Ulrike Reinert. Sie präsentiert mit Julia Maurer eine junge, aber vielversprechende Künstlerin, die in diversen Schauen in Wien auf sich aufmerksam machte. Im kleinen Format (auf Leinwand und Papier) hält sie das, was schwindet, den Moment, fest: Zerbrechliche Augenblicke der Einsamkeit, aber auch zarte Minuten des Zueinanders, des Zwischenmenschlichen. (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Printausgabe, 28.7.2011)