Veronika Schöpf: Mathematikerin und Hirnforscherin.

Foto: A. Bartl

Das Perfide am Geruchssinn ist, dass er so schwer zu fassen ist. Obwohl wir 20 Prozent unserer Umwelt über die Nase wahrnehmen, sind wir uns dessen meist nur dann bewusst, wenn wir besonders intensiven Gerüchen begegnen. Die olfaktorische Wahrnehmung ist zudem äußerst flüchtig: "Das sensorische System adaptiert sich total schnell", sagt Veronika Schöpf. "Wenn man auf eine grausige Toilette geht, nimmt man bereits nach 16 Sekunden den Gestank nicht mehr wahr, weil keine neuen Geruchsmoleküle an den Rezeptoren andocken können."

Dieser im Alltag dankbare Mechanismus macht der Gehirnforscherin zu schaffen: Sie arbeitet an Verfahren, um der Geruchswahrnehmung im Gehirn auf die Spur zu kommen, bevor sie sozusagen wieder verduftet ist. Dazu bedient sich Veronika Schöpf der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT). Das ist ein bildgebendes Verfahren, das die Darstellung von Gehirnaktivitäten erlaubt. Mit mathematischen Methoden versucht sie, aus den Bildern die richtigen Informationen herauszufiltern.

"Ich suche in Daten nach der Wahrheit - ohne im Vorhinein eine Hypothese zu haben, wie es funktioniert", beschreibt Schöpf ihren Ansatz. Die 29-jährige Wissenschafterin an der Abteilung für Neuroradiologie der Medizinischen Universität Wien wurde im Juli von der Femtech-Initiative des Verkehrsministeriums zur Expertin des Monats gekürt.

In einem aktuellen, vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Projekt beschäftigt sich Schöpf mit Anosmie, einer neuronalen Krankheit, die den Verlust des Geruchssinnes bezeichnet. "Es hat sich gezeigt, dass Patienten mit speziellem Riechtraining Teile der Geruchswahrnehmung wiedererlangen können", erklärt Schöpf. "Wir untersuchen, was dabei im Gehirn passiert, um die Therapie zu verbessern."

In einem zweiten Schwerpunkt erforscht sie die Entwicklung des fetalen Gehirns im Mutterleib. Mehr wissen möchte sie insbesondere über den Ruhezustand des Gehirns, eine Art Standby-Modus. In vergangenen Projekten hat sie bereits ein Verfahren zur Datenauswertung entwickelt, mit dem der Ruhezustand des Gehirns, etwa von einer Gruppe von Alzheimer-Patienten mit dem von gesunden Menschen verglichen werden kann. "Auf diese Weise können Daten auf Gruppenbasis statistisch ausgewertet werden", sagt Schöpf.

Interdisziplinär zu arbeiten war schon immer Anliegen der gebürtigen Tirolerin. Als Tochter einer Mathematiklehrerin lag das Studium der Technischen Mathematik in Innsbruck nicht fern. Für die Diplomarbeit begab sie sich dann auf medizinisch-biologisches Terrain: Auf der Gerichtsmedizin analysierte sie DNA-Datenbanken auf Fehler.

Das Doktorat absolvierte sie dann in München - im Fach Humanbiologie. 2008 wechselte sie dann an die Med-Uni in Wien, wo sie vorerst am "MR Centre of Excellence" an Auswertungsmethoden für funktionelle Bildgebung arbeitete. Seit einem Jahr forscht sie auf der Neuroradiologie.

"Das Spannende an der Gehirnforschung ist herauszufinden, was dahinter liegt - und das wird noch lange dauern", schildert Veronika Schöpf ihre Motivation. Bloß einen Nachteil hatte der ständige Umgang mit Gerüchen im Labor: "Ich kann den Duft von Rosen nicht mehr ausstehen. Ich finde ihn einfach eklig." (Karin Krichmayr/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.7.2011)