Michi Gaigg leitet die am 29.7. startenden Festwochen.

Foto: privat

Stefan Ender traf sie zum Gespräch über Schubert und Harnoncourt.

STANDARD: Frau Gaigg, was ist für Sie das Faszinierende an Barockmusik? Wann hat es Sie gepackt?

Gaigg: Gepackt hat es mich etwa mit 16. Da hab ich mir von meinem Taschengeld die Orchestersuiten von Bach auf Schallplatte gekauft. Und das war zufällig eine Aufnahme vom Concentus Musicus und Nikolaus Harnoncourt. Schon nach ein paar Takten hab ich mir gedacht: Oh Gott, was ist denn das? Es hat mich umgeworfen: der Klang, wie alles tanzt, wie lebendig es ist, das Verschmelzen von Bläsern und Streichern ...

STANDARD: Sie haben dann aber normal Geige studiert?

Gaigg: Ja, in Salzburg.

STANDARD: Hat Nikolaus Harnoncourt damals, Ende der 70er-Jahre, dort schon Aufführungspraxis Alter Musik unterrichtet?

Gaigg: Ja, aber ich wusste das anfangs nicht! Er wurde damals eher verteufelt. Einige Professoren haben davon abgeraten, zu ihm zu gehen; manche haben gar gemeint, wenn du da hingehst, bist du aus meiner Klasse draußen.

STANDARD: Sie spielen bei den diesen Freitag beginnenden Donaufestwochen die 5. Symphonie und Konzertouvertüren von Schubert, basierend auf der "Neuen Schubert Ausgabe" (Tübingen). Was genau ist das Neue an dieser Ausgabe?

Gaigg: In der alten Ausgabe waren noch viele Bearbeitungen von Johannes Brahms enthalten. Er hat zum Beispiel Crescendos von Schubert, die in einem Pianissimo enden, zu einem Decrescendo umgedreht oder bei den Bläsern eine andere Dynamik als bei den Streichern dazugeschrieben. Alles eher romantisierende Dinge, aber Schubert kommt ja, über seinen Lehrmeister Antonio Salieri, aus der Schule von Gluck mit ihren extremen Affekten.

STANDARD: Ist Schubert der Weichste der großen Komponisten? Ist Moll die Realität, Dur das Glück?

Gaigg: 'Ein allzu leichter Sinn verbirgt ein allzu schweres Herz', hat er ins Tagebuch geschrieben. Und ich glaube, das trifft's ziemlich.

STANDARD: Kommen wir zum L'Orfeo Barockorchester. Sie haben es vor 15 Jahren in Linz gegründet. Waren die Anfänge schwierig?

Gaigg: Ich hatte tolle Mithelferinnen, etwa Carin van Heerden. Sie hat für die Bläser gesorgt, ich für die Streicher. Wir haben klein angefangen, mit 15 bis 17 Mitgliedern; jetzt haben wir einen Stamm von 25 Musikern. Da ich zuvor in Deutschland gute zehn Jahre ein von mir gegründetes Barockorchester geleitet hatte, konnten wir schnell viele Konzerte und Aufnahmen machen. In Österreich ist es, was Konzerte betrifft, immer noch ziemlich schwer.

STANDARD: Sie sind seit 2003 Intendantin der Donaufestwochen Strudengau. Was ist das Grundkonzept?

Gaigg: Das Miteinander von Alter und zeitgenössischer Musik. Die Programme sind gemischt, zwischen Barockstücken gibt's Zeitgenössisches. Das Herzstück ist, wie jedes Jahr, eine selten gespielte Barockoper: La Guerra de los Gigantes von Sebastián Durón. (Stefan Ender, DER STANDARD - Printausgabe, 26. Juli 2011)