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Mit Bankern im Schlepptau kam die deutsche Kanzlerin Angela Merkel nach Brüssel. Da waren die Grundzüge für das neue Paket für Griechenland bereits fixiert. In stundenlangen Verhandlungen hatte sich Merkel mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy geeinig.

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Rund um den Eurogipfel in Brüssel spielten sich am Donnerstag kriegsähnliche Szenen ab. Es war 14.21 Uhr, als direkt vor dem "Justus Lipsius" - dem Ratsgebäude der Union - Panzer auffuhren. Im Palais rangen die siebzehn Staats- und Regierungschefs der Eurozone mit Zentralbankchef Jean-Claude Trichet und der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, gerade darum, die letzten Details zu weiteren Hilfen für den Euro und für Griechenland auszuhandeln.

Erstaunte Diplomaten konnten durch die Fenster beobachten, wie Kampfjets über die Hauptstadt donnerten. Aber für die versammelten EU-Spitzen interessierten sich die Militärs bei ihrem Großeinsatz nicht im Geringsten. Ziel der wochenlang vorbereiteten Aktion war pure Unterhaltung zigtausender Belgier, die sich am Nationalfeiertag zur Parade an den Prachtstraßen Richtung Königspalast versammelten. Der Zug ging quer durchs Europaviertel.

Die Stimmung bei den Leuten war bestens. Davon schien auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel etwas abbekommen zu haben. Sichtlich locker und aufgeräumt zeigte sie sich schon beim Eintreffen zu Mittag sicher, dass es gelingen werde, ein zweites Hilfspaket für das überschuldete Griechenland zu vereinbaren. Es gelte, einerseits die Schuldentragfähigkeit zu erhöhen, sagte die Kanzlerin, andererseits die Wettbewerbsfähigkeit des Landes.

Genau dazu sollte es am Ende auch kommen. Die Euro-Regierungschefs einigten sich auf eine deutliche Ausweitung der Interventionsmöglichkeiten des Eurorettungsfonds (EFSF) zugunsten von Krisenländern, also nicht nur Griechenland; und auf ein Modell, das auch privaten Gläubigern die Beteiligung schmackhaft macht, indem sie ihre wertgeminderten Schuldentitel verkaufen können - finanziert und abgesichert durch die Eurostaaten über ihren EFSF. Die Privaten würden so insgesamt 17 Milliarden Euro zur Griechenlandhilfe beitragen, hieß es in einem Gipfeldokument.

Den "Verhandlungskrieg" um neue Milliardenkredite und Schuldennachlässe für Athen hatten Merkel und der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy bereits in der Nacht zuvor noch in Berlin nach sieben Stunden Gespräch beigelegt und weitgehend den Weg zu einer Gesamtlösung geebnet. Sarkozy zog seinen Vorschlag zur Einführung einer EU-weiten Finanzsektorabgabe zurück, die in Eurohilfen fließen sollten - was Merkel aber ablehnte. Merkel akzeptierte, dass der EFSF über die bisherigen Kompetenzen und Verpflichtungen weit hinausgeht, was das Risiko der Staaten noch erhöhen wird.

Viel billigere Kredite

Das Kernstück der Übereinkunft, die in einem Gipfelkommuniqué münden sollte: Der EFSF, der durch Garantien der Eurostaaten auf den Märkten 440 Milliarden Euro aufnehmen und (bisher nur) als Hilfskredite weitergeben konnte, soll in Zukunft auch griechische Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt kaufen können. Zusätzlich soll der EFSF die Laufzeiten von Krediten von 7,5 auf 15 Jahre ausweiten können, und die Zinsen für Hilfskredite notfalls bis zum Refinanzierungszinssatz (rund 3,5 Prozent) senken können.

Ob der EFSF Griechenland sogar den Rückkauf von Anleihen zum Marktwert finanzieren kann (was in der Folge zur Reduzierung der Gesamtschuld des Landes führt), ist noch offen. Möglich wurde der Deal, weil auch EZB-Chef Jean-Claude Trichet in Berlin sein OK gab, Privatgläubiger zu beteiligen. Das hatten die Währungshüter bisher strikt abgelehnt. Nunmehr soll die Zentralbank bereit sein, einen "kurzfristigen Default", den Zahlungsausfall, bei griechischen Anleihen zu akzeptieren, mit dem die Ratingagenturen im Fall der staatlich garantierten Rückkäufe oder Laufzeitverlängerungen drohen.

In jedem Fall sollte ein solcher "Mix" an Maßnahmen durch den Rettungsfonds dazu führen, den Druck auf Griechenland zu mindern, das für seine Verbindlichkeiten kaum noch zahlen kann. Das Land hat bis 2014 einen Finanzierungsbedarf von 173 Milliarden Euro, bevor es an die Märkte zurückkehren soll. Das erste Hilfspaket von Eurozone und IMF von Mai 2010 ist aber mit 110 Mrd. begrenzt. Davon sind 57 Milliarden noch auszuzahlen, 28 Mrd. sollen aus Privatisierungserlösen kommen. Bleiben 88 Milliarden Euro, die nun in einem zweiten Hilfspaket der Eurogruppe mit dem IWF aufgebracht werden. (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.7.2011)