Paläontologe Martin Sander vor dem Modell eines Argentinosaurus, der als einer der größten Dinos aller Zeiten gilt. Sander fand heraus, dass die Giganten auch deshalb so groß werden konnten, weil sie sich das Kauen sparten.

Foto: Frank Luerweg, Universität Bonn

Elefanten nehmen sich im Vergleich zu diesen Titanen wie Zwerge aus. Die sogenannten Sauropoden, die sich vor rund 220 Millionen Jahren entwickelten, konnten im bisher bekannten Maximalfall (dem Argentinosaurus) vom Kopf bis zur Schwanzspitze bis zu 50 Meter Länge und mehr als 80 Tonnen Gewicht erreichen. Ein Elefant bringt im Vergleich dazu gerade einmal fünf Tonnen auf die Waage - das ist in etwa das Gewicht eines einzigen Sauropodenbeins.

Dieser Gigantismus der Natur stellt die Wissenschaft vor einige Rätsel, wie Martin Sander von der Uni Bonn gesteht. Da wäre etwa die Frage der Energieversorgung. Elefanten sind nämlich 18 Stunden pro Tag damit beschäftigt, sich mit Futter zu versorgen. Die Riesen-Dinos hätten bei einer ähnlichen Ernährungsweise 30 Stunden pro Tag fressen müssen.

Paläontologie-Professor Sander hat mit Kollegen das Rätsel gelöst: Wie sie 2010 herausfanden (in Biological Reviews), verzichteten die Riesen einfach aufs Kauen und schlangen das Grünzeug - vor allem energiereiche Schachtelhalme - einfach hinunter. Weil die aber viel Silikat enthielten, dürften sie ihre rechenartigen Zähne monatlich erneuert haben.

Kleiner Kopf, langer Hals

Ein weiterer Vorteil des Runterschlingens: Die Giganten, denen im American Museum of Natural History (AMNH) in New York gerade eine eigene Sonderausstellung ("The Worlds Largest Dinosaurs") gewidmet ist, ersparten sich die Kaumuskulatur, weshalb sie mit ziemlich kleinen Schädeln auskamen. Das wiederum ermöglichte die Ausbildung von extrem langen Hälsen, mit denen sie die Umgebung abgrasten, ohne sich bewegen zu müssen.

Das sparte Energie, die sie zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur brauchten: Wie Forscher kürzlich in der Wissenschaftszeitschrift Science (online) herausfanden, betrug die rund 38 Grad Celsius - und war damit um fünf bis zwölf Grad Celsius höher als die von heutigen Krokodilen.

Wie aber konnten die Tiere ihre 15 Meter langen Hälse in der Horizontalen halten? Mit den Knochen heutiger Säugetiere wäre das unmöglich. Jene der Sauropoden enthielten zahllose Luftblasen und wogen nur rund ein Drittel "normaler" Knochen. Diese Hohlräume dürften mit den Lungen in Verbindung gestanden sein, denn die allein waren für die Sauerstoffversorgung schlicht zu klein.

Bleibt die Frage, wer die Vorfahren der Sauropoden waren. Nach Funden in Argentinien dürften unscheinbare Sauropodomorphae von Truthahngröße (Panphagia protos) Urahnen der Riesen gewesen sein, wie Forscher 2009 in PLoS ONE berichteten. Panphagia protos bedeutet erster Allesfresser, und der stand damit am Anfang der Umstellung von der Fleisch- zur Pflanzenfresserei, die Vorbedingung für den Gigantismus war.

Das vielleicht größte Rätsel rund um die Riesen-Dinos besteht darin, ob es womöglich nicht noch viel größere gegeben hat. Am Ende der Sonderschau im AMNH wird eine Knochenrekonstruktion gezeigt, die nach einer Beschreibung aus dem Jahr 1878 angefertigt wurde. Dergemäß war allein der Oberschenkelknochen vier Meter hoch, also viel länger als der des Argentinosaurus und höher als ein Elefant. Allein, die Spuren dieses Knochens verlieren sich irgendwann in den 1920er-Jahren. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 20.07.2011)