Multitalent in Nickelsdorf: Maja Osojnik.

Foto: Corn

Nickelsdorf - Man kennt ja die Geschichte vom Jazz als einer Musik, die überkommenen gesellschaftlichen Konventionen und Autoritäten trotzt - in die gerne Gedanken von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit hineinprojiziiert werden. Wie man aus der Jazzgeschichte weiß, verstanden die Musiker vor allem den Gedanken der Brüderlichkeit geradezu wörtlich:

Denn die Männerbündelei feierte in der improvisierten Musik fröhliche Urständ, weibliche Familienmitglieder wurden vor allem als Sängerinnen und Pianistinnen akzeptiert. Erst in den letzten Jahrzehnten ist hier einiges in Bewegung geraten. Das zeigten auch die Konfrontationen, die auf vier Tage und drei Spielorte - Jazzgalerie, Kleylehof, Evangelische Kirche - ausgeweitet wurde.

Mit Sophie Agnel, Magda Mayas, Manon-Liu Winter und Marilyn Crispell sind vier Tastenmeisterinnen zu Gast, wobei die Berlinerin Mayas im rein weiblichen Trio Great Waitress (mit Laura Altman und Monica Brooks) auftreten wird. Die mittlerweile 64-jährige Crispell dagegen, die lange Jahre im Quartett von Maestro Anthony Braxton tätig war, wird sich mit Bassistin Joëlle Leandre zu Duo-Gesprächen treffen. Auch Klarinettistin und Vokalistin Isabelle Duthoit, eine der Figuren der improvisierten Musik, wird zu erleben sein, zum einen im Trio Bouge, zum anderen im Poet Congress von Franz Hautzinger, in dem sich mit Steve Gander und Christian Reiner zwei weitere Stimmbandkünstler finden.

Dieser weiblichen Phalanx, die auch Maja Osojnik und Susanna Gartmayer als Frontfrauen des Kollektivs Broken.Heart.Collector verstärken, stehen einige ältere Herren aus der Freie-Musik-Generation gegenüber: Saxofonist Sonny Simmons, der noch bei Charles Mingus spielte, sowie der Brite Evan Parker und der 74-jährige, selten zu hörende belgische Pianist Fred van Hove. (Andreas Felber/DER STANDARD, Printausgabe, 20. 7. 2011)