Corpus delicti: ein alter Doppeldeckerbus aus London.

Foto: derStandard.at/Blei

Zum Auftakt des Projektes las auch Schauspielerin Katharina Stemberger im Bus.

Foto: Verein Freihausviertel

Ein originaler Oldtimer-Doppeldeckerbus aus London sorgt in der Schleifmühlgasse 11 im vierten Wiener Gemeindebezirk für Aufregung. Aufgestellt wurde der Bus, um Kindern eine außergewöhnliche Räumlichkeit zu bieten, in der sie ihre Lesefähigkeiten erweitern können. So erzählt es Karl Raab vom Verein Freihausviertel, der Interessensvertretung der Geschäfte und Gastronomien des Grätzels.

Gemeinsam mit Johnny Szewczuk, dem "Johnny's Pub" gehört und der dem Verein ein Darlehen zum Kauf des Busses gegeben hat, betreibt er das Projekt "Lese-Bus". Der Plan mit dem Gefährt: Schulklassen und andere Kinder- und Jugendgruppen können den Bus kostenlos mieten und (Vor)lesetage veranstalten.

Die Idee mit dem Londoner Bus hatten die beiden Herren, nachdem sie vor zwei Jahren eine "Wiedentour" durch die Einkaufsstraßen des Bezirkes in einem eben solchen Bus angeboten hatten. "Die Kinder waren von dem Gefährt begeistert", sagt Raab. "Alle wollten mitfahren." Als er sich dann gemeinsam mit Szewczuk Gedanken über ein Projekt gegen das schlechte Leseergebnis vieler SchülerInnen beim PISA-Test machte, sei ihnen eben diese Begeisterung wieder eingefallen. Der Bus war vom Verein schnell gekauft. Die Genehmigung, dass er vor "Johnnys Pub" für die Dauer des Projekts bis Jänner 2012 parken darf, wurde im Februar 2011 eingebracht. Der positive Bescheid langte Ende Mai bei Raab ein.

Widerstand

An der Adresse Schleifmühlgasse 9 bildete sich aber mit Peter Schussek heftiger Widerstand gegen den Bus. Der Anrainer kreidet dem Pubbesitzer und dem Sprecher des Freihausviertels an, dass das Gefährt zum einen nicht als Lesebus genutzt werde und zum andern nicht die benötigten Genehmigungen vorlägen. "Mitte Mai wurde einfach das Wrack eines Doppeldeckerbusses in unsere Gasse gestellt", sagt Schussek. Er glaube, da der Bus nicht funktionsfähig sei, müsse er eine entsprechende Baugenehmigung durch das zuständige Magistrat erhalten. "Die hat er aber nicht", so Schussek.

Dass der Bus wirklich nicht fahren kann, räumt auch Karl Raab ein. Für ihn wären der Ausbau der Batterie und die Entleerung des Tankes aber reine Sicherheitsmaßnahmen für die Kinder gewesen. "Wenn die Kleinen im Inneren des Fahrzeuges spielen, will ich, dass so wenig wie möglich passieren kann", sagt Raab. 

Fakt ist aber, dass das Fahrzeug tatsächlich entweder eine Baugenehmigung oder eine Zulassung zum Straßenverkehr benötigt. Schussek hat in dieser Causa vom Büro des Stadtrates Michael Ludwig eine Stellungnahme per E-Mail erhalten (liegt derStandard.at vor), die bestätigt, dass am 27. Juni das Fehlen der benötigten Bewilligung festgestellt wurde. Um diese Bescheide bemühen sich nun die Initiatoren des Projekts. "Damit zu Beginn der Schulzeit wieder Kinder in den Bus kommen können." 

Puberweiterung?

Anrainer Schussek hat außerdem den Verdacht, dass der Bus nur als Erweiterung des Lokals gelte und das Projekt nur ein Vorwand sei, damit keine Gastronomiebewilligungen benötigt werde. Beweisen sollen das Werbebanner des Pubs auf den Buswänden und ein Screenshot der Facebookseite "Johnny's Pub", auf der der Inhaber unter Busfotos geschrieben habe: "Bleibt jetzt eine Zeit. Wir hoffen ihn fuer diverse Feste etc. verwenden zu koennen!" Die Einträge sind mittlerweile gelöscht.

Diese Einträge erklärt Karl Raab damit, dass "zu Beginn des Projekts geplant war, das Dach des Busses abzuschneiden, um im oberen Stockwerk Musikbands spielen zu lassen. So hätte der Bus auch anders genutzt werden können. Die Idee haben wir aber mittlerweile verworfen." Die Banner auf dem Bus wären deshalb angebracht worden, da Szewczuk eben das Geld für das Gefährt dem Verein geliehen habe.

Streit um Standort

Anstoß nimmt Schussek aber nicht nur an den laut ihm fehlenden Genehmigungen, sondern auch an der Lage des Busses. "Was macht ein Lesebus für Kinder vor einem Irish Pub? Wenn man dieses Projekt ernst nehmen würde, dann müsste man den Bus doch vor einer Schule platzieren", sagt Schussek. Vereinsleiter Raab erklärt den Grund für den Standort damit, dass das Pub Mitglied im Verein sei und es deshalb leichter war, den Bus dort zu platzieren: "Immerhin gehört der Bus dem Verein Freihausviertel."

Schussek sei sich auch nicht sicher, wer haftbar gemacht werden könnte, falls Kinder in dem Bus zu Schaden kommen sollten: "Nachdem weder der Verein noch Herr Szewczuk eine Veranstaltungsgenehmigung haben, stelle ich mir das sehr schwierig vor, wenn einem Schüler etwas passiert. Da hat dann womöglich der Lehrer den Scherbenhaufen." Laut Szewczuk sei das kein Problem, da er mit der Versicherung seines Pubs gesprochen habe und eine Zusicherung hätte, dass solche Fälle mitabgedeckt wären: "Dass die Kinder versichert sein müssen, war auch mir klar."

Keine Gespräche

Raab hat trotz des "Nachbarschaftsstreits" große Pläne mit dem Projekt: "Ich könnte mir vorstellen, dass auch Kinder mit Migrationshintergrund gezielt gefördert werden." Außerdem will er in Zukunft auch Senioren für den "Lese-Bus" gewinnen: "Nicht nur Kinder können von der Aktion profitieren."

Direkte Gespräche zwischen den beiden Streitgruppen hat es noch nicht gegeben. "Ich kenne den Herrn Schussek persönlich nicht", sagt Raab. Auch Schussek bestätigt das. Er habe kein Interesse mit den beiden Herren zu sprechen und wolle nur, dass der "Betrug an den Behörden" aufhöre. (Bianca Blei, derStandard.at, 19.7.2011)