Auch aus dem wolkenverhangenen Himmel fällt Sonnenlicht auf den Fluss: die Donau am Eisernen Tor und ihre Chancen.

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Was haben die da "oben", was wir hier "unten" nicht haben? Diese Frage quälte seit Jahrzehnten Städte und Dörfer an der mittleren und unteren Donau, wenn vom blühenden Tourismus und Einkommen am "europäischsten aller Flüsse" in Deutschland und Österreich oder in der Slowakei und Ungarn die Rede war.

Denn ab Kroatien flussabwärts bietet die Donau alles, was man sich nur vorstellen kann: Naturschutzgebiete mit seltenen, fast ausgestorbenen Tierarten - von den 17 Naturschutzgebieten an der Donau befinden sich drei in Deutschland und Österreich, zwei in Ungarn und die restlichen in Kroatien, Serbien, Rumänien und Bulgarien; die Donau fließt hier entlang dem kulturhistorischen Erbe aus der Römerzeit und vorbei an mittelalterlichen Burgen; an der serbisch-rumänischen Grenze befindet sich wohl der schönste Teil der Donau - die größte Schlucht Europas, das atemberaubende Eiserne Tor. Leider verirrt sich kaum jemand in diesen Abschnitt des Flusses.

Individueller Tourismus

Wenn man sich die Kataloge der Reiserveranstalter anschaut, könnte man glauben, dass die Donau hinter Budapest endet. "Jährlich kommen allein mit dem Schiff rund 250.000 Menschen nach Wien oder Budapest, nach Belgrad nur etwa 50.000, und flussabwärts werden es immer weniger", sagt Gordana Plamenac, die Direktorin der serbischen Tourismusorganisation. Und ab Belgrad werden fast gar keine lokale Kreuzfahrten organisiert, alles beschränkt sich auf individuellen Tourismus.

An der mittleren und unteren Donau liegt in den sechs Anrainerstaaten - Kroatien, Serbien, Rumänien, Bulgarien, Moldau und Ukraine - enormes Wirtschaftspotenzial, doch es wurde bisher nicht genutzt. Auch nachdem Rumänien und Bulgarien EU-Mitglieder geworden sind, hat sich dort die Lage in den Donaugebieten nicht gebessert.

Donauraumstrategie

"Meine Frau und ich fahren jedes Jahr mit unserem Boot nach Golubac, 130 Kilometer flussabwärts von Belgrad, und verbringen dort einige Wochen auf unserem Boot", sagt der Belgrader Bauingenieur Mihailo Svab. Für sie sei es eine Flucht aus der Stadt. Die Donau sei an dieser Stelle 6,5 Kilometer breit, es wehe immer ein angenehmer Wind, ideal fürs Segeln. Man wacht morgens auf, begeistert sich Svab, winkt einem Fischer zu, der kommt mit seinem Boot und bringt frischen Fisch. "Wo hat man heutzutage so etwas?" In unmittelbarer Nähe befindet sich der Naturschutzpark Djerdap. Und trotzdem: In Golubac gibt es nur ein einziges, heruntergekommenes Hotel und kaum private Unterkünfte. Ähnlich ist die Lage in den meisten Gemeinden entlang der 1600 Kilometer der mittleren und unteren Donau bis zum Schwarzen Meer.

Das soll sich im Rahmen der europäischen Donauraumstrategie ändern. In Golubac sollen, beispielsweise, rund sechs Millionen Euro investiert werden, ein guter Teil davon aus EU-Fonds. Und nicht nur in Golubac. Um die wirtschaftliche Entwicklung in den Donaustaaten am mittleren und unteren Lauf voranzutreiben, ist durch die Unterstützung der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) das Donaukompetenzzentrum (DCC) mit Sitz in Belgrad gegründet worden. Das DCC ist eine grenzübergreifende Organisation, ein Dachverband von sechs Donaustaaten.

Die Idee des DCC ist so einleuchtend, dass man sich wundert, warum nicht schon viel früher jemand darauf gekommen ist: Mit gemeinsamen Verwaltungsorganen, gemeinsamer Entwicklungsstrategie und gemeinsamen Projekten sollen die Mitglieder des DCC aus den sechs Donaustaaten - Städte, Stakeholder, Tourismusverbände, NGOs etc. - gemeinsam im Rahmen der EU-Donaustrategie auftreten. Mit grenzüberschreitenden Projekten erhofft man sich bessere Chancen, in Brüssel an die Entwicklungsfonds heranzukommen, um die notwendige Infrastruktur für ein konkurrenzfähiges touristisches Angebot ausbauen zu können. Die Entwicklung der Donaugebiete könnte maßgebend die Wirtschaftslage in den sechs Ländern verbessern.

Fließende Konferenz

Auf der Danube Floating Conference, die jüngst auf einem Boot unter dem Motto "Neue Vision der touristischen Zusammenarbeit" mit logistischer und finanzieller Unterstützung des DCC stattfand, unterzeichneten Kroatien, Serbien, Rumänien und Bulgarien eine Deklaration über die Zusammenarbeit an der Donau. Gastgeber waren die Wirtschaftsministerien der vier Staaten. Ganz im Geiste der Konferenz legte das Boot mit den Teilnehmern in Belgrad ab und fuhr über Drobeta-Turnu Severin in Rumänien bis Vidin in Bulgarien. Die Konferenz wurde von Donauraum-Pionier Erhard Busek, dem Vorsitzenden des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM), eröffnet. Die Donau sei eine Hoffnung für die Region, sagte Busek, als ein Fluss, der keine Grenzen mehr ziehe, sondern die Völker verbinde.

Es ist eine Politik der kleinen Schritte. Im Donaustädtchen Donji Milanovac gab es bis vor kurzem keine einzige private Unterkunft. Nachdem im Rahmen eines GIZ-Projekts der Radweg am Fluss durch Kroatien und Serbien ausgebaut wurde, bietet Donji Milanovac heute 150 Betten in Privatquartiere. Der Radweg soll nach Rumänien und Bulgarien verlängert werden. In Serbien gab es an der Donau rund 20 Mülldeponien. Jetzt gibt es keine mehr. (Andrej Ivanji aus Belgrad, DER STANDARD-Printausgabe, 19.7.2011)