Der Sarg Otto Habsburgs, von schwarz-gelben Tüchern bedeckt, wird auf einem offenen Wagen an der Hofburg vorbei geschoben, dem einstigen Sitz der Habsburger.

Foto: STANDARD/Fischer

Ministranten und kirchliche Würdenträger ziehen im Trauerzug über den Ring. Kardinal Schönborn leitete das Requiem für Otto im Stephansdom.

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An diesem Samstag ist der demokratische Alltag ein bisserl außer Kraft gesetzt. Man kann am Stephansplatz nicht einmal aus der U-Bahn aussteigen, die Station ist aufgelassen. Das müssen auch jene bewaffneten Uniformierten einsehen, die scheinbar gerade aus dem (noch nicht verlorenen) Ersten Weltkrieg kommen. Gar nicht kaiserwetterlich gelaunt, schleppen sie am Schwedenplatz ihre Fahnen die U-BahnTreppen hoch, auf denen "1915 - 1918" steht, vor allem aber "unbesiegt und unvergessen!" Die Tiroler Standschützen!

Stunden später wird man sie auf ORF 2 (bei der sechsstündigen Übertragung) nicht mehr wiederfinden. Sie verschmolzen - sicher wieder gut gelaunt - mit der Masse gleichgesinnter bunter Traditionsträumer, die in und außerhalb des Stephansdomes (Bewaffnete durften nicht rein) in voller Montur das Requiem für Otto Habsburg säumen.

Also, ein Nachmittag nach dem Geschmack aller Tiroler Schützen. Man sah jedenfalls keinen in der Hitze umfallen - wobei: Gegen einen Punkt in der Otto-Würdigung durch Haupt-zelebrant Christoph Schönborn wären sie womöglich gerne gleich wieder in den Krieg gezogen. In die sympathieprallen Lobesworte für den thronverhinderten "großen Europäer" baute der Kardinal auch einen Exkurs über die Ursachen des Ersten Weltkrieges ein und kam dabei unweigerlich auf Ottos Taufpaten, den vorletzten Kaiser. Ebendieser hätte dem Krieg zugestimmt und diesen auch erklärt. Ein folgenschwerer Fehler sei dies gewesen, so Schönborn, den Otto "zeitlebens versuchte wieder gutzumachen."

Der gemeinte Franz Joseph I wird, so er irgendwo da oben per ORF als Gebührenzahler das Gesche-hen mitverfolgt hat, Schönborn verziehen haben. Waren ja sonst sehr rührend, die Worte des Kardinals, der auch die Kaiserhymne als "alte Volkshymne" liebkoste. Ja, hatte nicht auch ein vom ORF interviewter Historiker Schönborn widersprochen, indem er bezüglich Weltkrieg vom "Versagen der europäischen Diplomatie" sprach?

Und überhaupt: Diese Neudefinition des Wortes "Privatbegräbnis" - das müsste Franz sehr gefreut haben. Wenn das ein Privatbegräbnis war, wird sich der Kriegskaiser schmunzelnd gefragt haben - wie würde erst Ottos Staatsbegräbnis ausgesehen haben? Weder der Bundeskanzler ("Es ist eine Sache des Anstands, hier dabei zu sein.") noch der Vizekanzler, der das Begräbnis in einen historischen Kontext stellte, getrauten sich an diesem Tag, eine Antwort zu geben.

An diesem Samstag war allerdings gewiss: Österreich ist eine Republik, das Recht aber geht von der Nostalgie aus. Und: Das Hirn gehört der Demokratie, das Herz aber Adelshochzeiten und -Begräbnissen. Vielleicht sieht das neue Familienoberhaupt der Habsburger, Karl, der einst als Quizmoderator scheiterte, dies etwas euphorischer. Womöglich gedenkt er, den durch dieses opulente Begräbnis (seiner Meinung nach) ausgelösten Monarchieschwung politisch zu nutzen.

Hierfür müsste bei ihm allerdings noch ein demokratiepolitischer Instinkt heranwachsen: Im aufgezeichneten ORF-Interview wies er die Frage nach den Kosten des Begräbnisses als "unangebracht" zurück. Auch wirkte er im Stephansdom als fast fröhlicher Dauergrüßer weniger geknickt als der sehr nachdenkliche Wiener Bürgermeister.

Andererseits, die Inszenierung des Begräbnisses gab sich alle Mühe, die Monarchie glänzen zu lassen. Das kann die Habsburger-Trauer schon etwas mildern. Diese ganze, im langsamen Trauerschritt marschierende militärhistorische Modeschau! Die 21 Salutschüsse aus nachgebauten Kanonen aus dem Ersten Weltkrieg, an denen ein von der Bundesheergarde angeführter Trauerzug Richtung Kapuzinerkirche vorbeikam - ähnliche ästhetische Zeitreisen gab es in den letzten Jahren nur bei Mörbischer Operetten!

Sicher, es sangen Bundespräsident und Bundeskanzler die Kaiserhymne (".. . die uns die Deutschen gestohlen haben", so Theologe Paul Zulehner im ORF-Studio) nicht mit. Allein, wie Ulrich-Walter Lipp bei der finalen Anklopfzeremonie all die vielen Titel, die Otto zeitlebens hierzulande nicht tragen durfte, herausgeschmettert hat - das musste erheben. Otto bekam übrigens auch Einlass. Herzlos. Das Organ wurde am Sonntag in Ungarn bestattet. (Ljubiša Tošic, STANDARD-Printausgabe, 18.7.2011)