Wien - Das Odeon vibriert unter satten Orgelklängen, und es ist stockfinster zu Beginn einer Preparatio Mortis bei Impulstanz. Ein Stück, das der belgische Multikünstler Jan Fabre für und mit Annabelle Chambon choreografiert hat, die seiner Truppe Troubleyn angehört.
Fabres Totenvorbereitung (lat.: preparatio mortis) feiert trotzig und ironisch den Totentanz (saltatio mortis) einer quicklebendigen Frau. Diese erhebt sich auf einem mit frischen Schnittblumen verpackten Podest, das von einem betörenden Blütenteppich umgeben ist: eine feierliche Verwandlung des Bildes vom sprichwörtlichen Phönix, der sich ja aus staubiger Asche erheben muss.
Das Podest erweist sich als leeres Grab, als gläsernes Kenotaph oder Scheingrab, wie es in antiker Zeit zwischen Griechenland und Indien oft als Ehrenmal für einen Toten oder auch für mehrere Verblichene errichtet wurde. Auf Fabres Grab ist groß das Datum 17. 01. 1975 eingraviert. 1975 ist das Geburtsjahr der Tänzerin Annabelle Chambon, aber das weiß das Publikum nicht und muss es für einen Sterbetag halten.
So spielt Fabre mit dem Geburtsdatum als Erweckung des Menschen von den Toten und als Beginn des Lebens hin zum Tod. Chambon gleitet von ihrem Kenotaph und beginnt, die blühende Bühne kaputtzumachen. Das erinnert an die opulente Schnittblumenverwüstung Requiem für eine Metamorphose, die der Meister aus Flandern 2007 bei den Salzburger Festspielen gezeigt hat.
Gnadenlos wühlt sich die Tänzerin durch die duftende Deko und macht, begleitet von Bernard Foccroules Orgelarrangement, dem schönen Schein den Garaus, bis sie nach einem Blackout, einer kurzen Dunkelphase auf der Bühne, ihrer schwarzen Dessous entledigt, sich nackt und von Nachtfaltern umflattert in dem Glaskenotaph windet. Eines der Tierchen scheint sie ihrem Schoß zu entlocken.
Die Scheiben beschlagen sich. Am Ende zwängt sich Chambon in ein Eck des Grabmals und winkt zu den Klängen der Orgel Da pacem, domine. Licht und Szene entschwinden im Drama der Klangarchitektur. Matt ist der Applaus, währenddessen viele Zuschauer bereits aus ihren Reihen drängen.
Es war wohl ein wenig zu viel Bombast, und die Rolle der Frau ist Fabre wieder einmal ambivalent geraten. Doch der Flame kann oder will nicht anders, als mit der großen Krachen zu ballern. Das hat schon auch Zwischentöne, und die sollten nicht ignoriert werden.
Preparatio Mortis ist ganz von der Beseeltheit eines Stars getragen, der es der Gesellschaft wirklich hineinsagen will (was dem Impulstanz-Publikum bald auch bei Prometheus - Landscape II zustoßen wird).
Zur Kritik hat er selbst kein gutes Verhältnis. Dem Autor dieser Besprechung "untersagte" Fabre schriftlich schon vorab "jede Kritik" an diesem und überhaupt allen seinen Werken. Zum Glück ist Fabre Künstler geworden. (Helmut Ploebst, DER STANDARD - Printausgabe, 18. Juli 2011)