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Wer Pseudonyme auf Google+ verwendet, kann schnell mal ausgesperrt werden - oder auch nicht.

Grafik: Archiv

Lange hat es nicht gedauert, bis Google es mit seinem sozialen Netzwerk Google+ zur ersten echten Kontroverse geschafft hat: Nach der Entfernung einzelner Medien-Accounts scheint das Unternehmen derzeit auch zunehmend gegen die Nutzung von Pseudonymen vorzugehen. In den letzten Tagen wurden gleich eine ganze Reihe von Accounts gesperrt, deren NutzerInnen es vorzogen haben, auf die Angabe ihres echten Namens zu verzichten.

Ausgesperrt

So sorgte etwa die Sperre einer italienische Userin für einige Aufregung, die ihren Second-Life-Namen "Opensource Obscure" genutzt hatte. Google sieht darin einen Verstoß gegen die eigenen Nutzungsbedingungen, die vorsehen, dass Google+ Profile nur mit dem echten Namen erstellt werden dürfen. Opensource Obscure argumentiert hingegen, dass sie unter diesem Namen bereits in zahlreichen anderen Netzwerken bekannt ist, dieser also online wesentlich mehr Aussagekraft habe als ihre Realname.

Wechsel

Etwas anders verhält sich die Sache beim deutschen Blogger Enno Park: Dieser hatte sich ursprünglich unter seinem Klarnamen angemeldet, und erst nach Berichten darüber, dass Google die Accounts von einzelnen Medien wieder freigeschaltet hat, auf jenes Pseudonym gewechselt, unter dem auch sein Blog läuft. Prompt wurde auch dieser Account gesperrt, in diesem Fall zudem mit besonders unangenehmen Konsequenzen.

Hin...

So wurde Park nicht nur von der Google+-Nutzung ausgesperrt, sondern es wurde gleich auch der gesamte Google-Account gesperrt. Erst nach einem Verifizierungsprozess per SMS und echter Telefonnummer wurde der Zugang zu den restlichen Google-Services wieder hergestellt. Dies allerdings mit einigen Einschränkungen: Neben der Sperre für Google+ ließ sich laut Park auch das Teilen von Beiträgen mit dem Google Reader vorerst nicht mehr nutzen, ebenso war die Nutzung von Google Buzz deaktiviert.

...und retour

Mittlerweile wurde der Account von Park wieder hergestellt, dies sogar unter dem ursprünglichen Namen "Die Ennomane". Diesem "Umdenken" war ein Artikel auf Spiegel Online vorangegangen, der sich mit dem konkreten Vorfall beschäftigte, danach schien es dann plötzlich recht schnell zu gehen. Park sieht damit jedenfalls nicht alles gelöst, wie er in einem Beitrag betont, scheint er nun auch zu jener "ausgewählten Gruppe" zu gehören, die aus welchen Gründen auch immer "gleicher als gleich" auf Google+ ist. Denn während "Die Ennomane" offiziell wieder auf Google+ aktiv sein darf, sperrt der Betreiber munter zahlreiche andere Accounts, die sich zur Pseudonym-Nutzung (oder was danach aussieht) entschieden haben.

Kritik

Neben dem Ärger über die offensichtlichen Willkür mit der Google diese Thematik derzeit behandelt, fordern so manche KritikerInnen aber auch allgemein ein Umdenken von Seiten des Unternehmens. So würde das Untersagen von Pseudonymen nur wenig gegen die Spam-Problematik oder gegen Fake-Accounts nutzen. Schon jetzt gibt es zahlreiche Spam-Accounts, die dann halt einfach - in der Masse vollkommen unüberprüfbar - unauffällige Namen für ihre Aktivitäten wählen.

Pro-Pseudonym

Gleichzeitig werde aber vollkommen ausgeblendet, dass es durchaus gute Gründe gibt, Pseudonyme online zu verwenden. So gebe es etwa Personen, die durch die Preisgabe ihres echten Namens in eine sehr konkrete Bedrohungslage kommen würden (z.B. politische AktivistInnen). Andere verweisen darauf, dass die Online-Realität zeigt, dass gerade Frauen immer wieder gezielt ins Visier von Stalkern kommen, wenn sie mit ihrem echten Namen posten - und entsprechend vorziehen im Web eine nicht dem realen Leben zuordenbare Identität anzunehmen.

Die eigenen Worte...

Dabei kann mich sich in der Pro-Pseudonym-Position durchaus auf prominente Unterstützung berufen - und zwar auf niemand anderen als Google selbst. Erst vor wenigen Monaten hatte das Unternehmen ein Blog-Posting veröffentlicht, in dem man wortreich betont, welch wichtige Freiheit es darstellt, eine dem eigenen Realnamen nicht zuordenbare Online-Identität pflegen zu können. Insofern hoffen manche noch auf ein Umdenken des Konzerns, so denn die öffentliche Kritik laut genug wird.  Erst vor kurzem hatte man ja die zuvor zwangsweise öffentliche Angabe des eigenen Geschlechts wieder zurückgenommen, dem vorangegangen waren ebenfalls zahlreiche Diskussionen. Dabei betont man auch, dass Google hier die Chance habe sich positiv von Facebook und dessen "Die Ära der Privatsphäre ist zu Ende"-Attitüde abzusetzen.

Auswirkungen

Tut man dies nicht, könnte der Ruf von Google, das sich in Privatsphärenfragen in der Vergangenheit betont - und für die Branche eher ungewöhnlich - vorsichtig gegeben hat, hingegen spürbaren Schaden nehmen: Denn ein Zwang zu Klarnamen bei Google+, der sich indirekt dann auch auf andere Services des Unternehmens erstreckt, und im schlimmsten Fall sogar mit dem Ende des Zugriffs auf eine jahrelang gepflegten Google-Account bedeuten kann, ist wohl alles andere als angetan, das Vertrauen in das Unternehmen zu stärken. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 17.07.11)