Nicht nur die Kleiderauswahl verlangt höchste Konzentration: Kristen Wiig (2. v. re.) mit Helferinnen Ellie Kemper und Maya Rudolph in Paul Feigs Komödie "Brautalarm".

Foto: Universal Pictures

"Brautalarm" ist eine schonungslose Komödie über die Qualen von Hochzeitsvorbereitungen.

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Dass Männer vor einer Hochzeit eine Menge Unsinn erleben können, das hat der Komödienhit Hangover bewiesen – nun auch schon in Fortsetzung. Bei Paul Feigs Brautalarm (Bridesmaids) könnte man zuerst einmal an eine weibliche Variante von Hangover denken, doch diese Komödie hat ganz andere Dinge im Sinn. Unter Aufbietung teils grandioser Gags und Peinlichkeiten geht es hier nicht um Regression, sondern um Reife – und um den ganzen Wahnsinn, von dem das Heiraten heutzutage vielfach umgeben wird. Kristen Wiig, in Amerika ein Star wie Tina Fey oder Emma Stone, spielt hier ihre erste Hauptrolle, und krönt sie mit der denkwürdigen Aufmischung einer "Brautdusche" – oder wie soll man "Bridal Shower" anders übersetzen?

STANDARD: In "Brautalarm" spielen Sie Annie, eine Frau, die eigentlich recht normal ist, während man Sie aus der Comedy-Serie "Saturday Night Live" in zum Teil sehr abgefahrenen Rollen kennt. Wie kam es zu diesem Film über Annie und ihre Freundinnen?

Wiig: Meine Schreibpartnerin Annie Mumulo und ich begannen vor vier Jahren, an dem Projekt zu arbeiten. Eine Frau wird vor die Tatsache gestellt, dass ihre beste Freundin heiratet – dadurch bekommt sie das Gefühl, übriggeblieben zu sein. Und dieses Gefühl bekommt in Brautalarm komischen Ausdruck. Dass ich selbst Annie spiele, hat mit den Gesetzen des Komischen zu tun: Ich habe beim Improvisieren von Sketches gelernt, dass es in jeder Szene jemand gibt, der gewinnt und der verliert. Und man sieht in der Regel lieber der Person zu, die in Schwierigkeiten steckt.

STANDARD: Als Produzent von "Brautalarm" fungiert Judd Apatow, um den herum sich in Hollywood das ganze Komödienfeld im Moment strukturiert. Wie kamen Sie zu ihm?

Wiig: Ich habe einen kleine Rolle in Beim ersten Mal (Knocked Up) gespielt. Danach rief er mich an und fragte, ob ich nicht etwas schreiben wollte. Ich wiederum rief sofort Annie an, mit der ich schon öfter über einen Film gesprochen hatte. Sie war in zwei Jahren bei sieben Hochzeiten eingeladen, das fanden wir als Thema sofort überzeugend.

STANDARD: Können Sie ein bisschen von Ihrem Werdegang erzählen? Das europäische Publikum ist vermutlich noch nicht ganz so gut mit Ihnen vertraut.

Wiig: Ich komme aus dem Zusammenhang, den man in Amerika "Improv" nennt, das sind improvisierte Sketches, wie ich sie im Groundlings Theater in Los Angeles gespielt habe. Meine erste Filmrolle haben wir dann auch improvisiert. Judd Apatow hat mir von hinter der Kamera immer zugerufen: Jetzt mal richtig auf Boss! Jetzt eher verlegen! Jetzt was richtig Unflätiges! Jetzt lass sie passiv-aggressiv wirken. Für den Film haben wir dann die passiv-aggressive Variante gewählt.

STANDARD: "Brautalarm" nimmt sich viel Zeit für Gags. Es gibt eine großartige Szene im Flugzeug nach Las Vegas, die wie eine Sitcom-Episode in einem Film wirkt.

Wiig: Diese Szene erfanden wir erst recht spät dazu, denn wir haben vier Jahre lang einen Film geschrieben, der in Las Vegas spielen sollte und nicht auf dem Weg dorthin. Dann kam aber ein sehr erfolgreicher Film, der in Vegas spielt (Hangover, Anm. der Red.). Wir wollten es nicht richtig zugeben, aber das hat uns ein wenig verunsichert. Also gingen wir zu Judd Apatow, und der sagte: "Warum nehmt ihr das nicht raus?" Vegas ist einfach noch so eine Sache, die Annie bei den Hochzeitsvorbereitungen vermasselt. Stattdessen haben wir nun einen langen Flug, der aber nicht an das geplante Ziel führt.

STANDARD: An manchen Stellen geht "Brautalarm" ganz schön weit in Richtung Ekelkomödie. Eine Konzession an diesen Trend – oder ein Signal: "Wir sind keine Romantic Comedy"?

Wiig: Sie meinen die Szene mit den Brautkleidern. Da hat uns Judd sehr weitergeholfen. Er hat immer darauf gedrängt, dass Annie wirklich leiden muss: Sie muss als Hochzeitsorganisatorin gründlich scheitern. Es muss noch stärker in Frage stehen, ob sie das überhaupt kann. Und so kommt es, dass sie ihre Freundinnen in ein brasilianisches Lokal führt, aus dem sie alle mit einer Lebensmittelvergiftung wieder herauskommen, und man weiß ja, was darauf folgt ... Wir waren echt nervös wegen dieser Szene, auch wenn Regisseur Paul Feig sehr darauf geachtet hat, dass der Ekel im Kopf entsteht.

STANDARD: Woher kommt der Kult der Hochzeit, von dem man im US-Kino ja eindeutig sprechen kann?

Wiig: Das wüsste ich auch gern. Diese Idee, dass das der Tag aus deinem Leben ist, der so ganz besonders ist, hat eine richtiggehende Subkultur entstehen lassen. Es war immer schon eine aufwändige Sache, aber jetzt ist es eine Industrie. Hochzeiten sind ein idealer Komödienanlass: Heiraten bedeutet Stress, die Familie ist da, es kann eine Menge schiefgehen.

STANDARD: Annie steht zwischen zwei Männern – dem attraktiven Jon Hamm aus "Mad Men", und dem auf den ersten Blick leicht zu unterschätzenden Chris O'Dowd.

Wiig: Wir haben Chris gekannt, weil er in The IT Crowd ist, einer sehr guten Serie. Diese Rolle war sehr schwer zu besetzen, denn er musste jemand sein, in den Annie sich nicht sofort verliebt, und ich spiele ja eine Frau, die nun wirklich Ausschau nach Männern hält. Ich muss ihn also am Anfang ein wenig übersehen.

STANDARD: Gibt es einen Zeitpunkt, an dem Sie bemerkt haben, dass die US-Filmkomödie in ein neues goldenes Zeitalter eingetreten ist?

Wiig: Ich hatte nie den Eindruck, dass sie weg war. Das hängt aber auch damit zusammen, dass ich in verschiedenen Welten lebe: Fernsehen, Kino, Bühne. Ich wollte immer etwas mit Film zu tun haben, für mich war eben Comedy der Weg in diese Welt. Meine Lieblingskomödien sind auch eher von einem bestimmten Typ: Ich mag Airplane, Naked Gun, Caddyshack, Three Amigos. Solche Sachen. Richtig dummes Zeug. (Bert Rebhandl, DER STANDARD – Printausgabe, 16./17. Juli 2011)