Die jüngste rot-schwarze Einigung über die Ausweitung der steuerlichen Absetzbarkeit des Kirchenbeitrages von bisher 200 auf künftig 400 Euro ist in der Öffentlichkeit genau so angekommen, wie die katholische Kirche, jene Organisation, die die Gesetzesänderung in Auftrag gegeben hat, es sich erhoffen konnte: unbemerkt und unkommentiert.

Christoph Schönborns Dankeschön folgte prompt: herzlich, aber ja nicht zu laut. Doch gerade dieses augenscheinlich bedeutungslose Steuerzuckerl (Kostenpunkt: 30 Mio. Euro) sollte hier nochmals gewürdigt werden und als Anstoß dienen. Für ein paar laute Gedanken über die Religionsfreiheit oder vielmehr über das, was unter diesem Begriff in Österreich verstanden wird.

Schlampige Trennung, dürftige Argumentation

Die Beziehung Staat/Religion kennt ein breites Band der Spielarten. Doch während von dem Iran, als Gottesstaat, bis zur Grande Nation, als (fast) lupenreine laizistische Hochburg, die meisten Staaten zum Stellenwert der Religion im eigenen Staatsgefüge deutlich stehen, so brilliert Österreich mit juristischer Zweideutigkeit und typischer Doppelmoral:

Im Burgenland ist das Kreuz kein religiöses, sondern ein staatliches (!) Symbol, und der VfGH vermochte unlängst keine besondere Nähe zwischen dem Staat und der Kirche zu erkennen - zumindest keine, die sich durch die Anbringungspflicht eines Kreuzes, als einziges religiöses Symbol, in öffentlichen Kindergärten manifest macht. Die Zirkelargumentation des VfGH: Staat und Kirche sind in Österreich ja ohnehin getrennt.

Und überhaupt: jegliche Kooperationsformen zwischen Staat und Kirche hierzulande sind ja ausschließlich kulturfördernd, vielfaltwahrend und dienen immer der Religionsfreiheit. Diese ist folglich der sogenannten "negativen Religionsfreiheit", also dem Recht, auch ohne Religion zu leben, vorzuziehen. Es wundert daher kaum, dass fündige einheimische (ausnahmslos katholische) Religionsrechtskoryphäen einen harmlos klingenden Hilfsbegriff, ja ein wahres juristisches perpetuum mobile, gemünzt haben, um staatliche Privilegierungen fortwährend zu legitimieren: die sogenannte "hereinnehmende Neutralität" des Staates.

Im Namen der Religionsfreiheit

"Religionsfreiheit" - ein Wort, das immer andachtsvoll verwendet (und oft missbraucht) wird, wenn immer Pro-Reli Argumente versagen. Im Namen der Religionsfreiheit werden in Österreich Religionsgemeinschaften überhaupt amtlich anerkannt (oder auch nicht). Im Namen der Religionsfreiheit müssen Kreuze in öffentlichen Schulen und Kindergärten hängen und von nicht- oder andersgläubigen Kindern bzw. Eltern geduldet werden. Im Namen der Religionsfreiheit sitzen (ausschließlich) Kirchenvertreter fest im ORF-Publikums- und Stiftungsrat, und im Namen der Religionsfreiheit finanziert die Allgemeinheit den konfessionellen Religionsunterricht in öffentlichen Schulen.

Es wird aber gerne vergessen, dass die Religionsfreiheit in Österreich, als Subkategorie der Meinungs- und Gewissensfreiheit, gesetzlich mehr als ausreichend gesichert ist. Woher also der offensichtliche Eifer, das zu fördern, was ohnehin selbstverständlich ist? Die Antwort liegt auf der Hand: Anders als (partei-)politische Programme genießen hierzulande die anerkannten Religionsgemeinschaften nach wie vor einen privilegierten Status und schweben somit weit über dem demokratischen Gerangel. Und je länger der Rattenschwanz der Privilegien, der den Religionsgemeinschaften kraft ihrer amtlichen Anerkennung zuteil kommt, umso größer die damit implizierte Vorrangstellung, die Ihre Ideenkonstrukte genießen.

Und wo Ideen- und Mutlosigkeit das politische Geschehen prägen, dort finden Religionsgemeinschaften, und zwar als weltliche Organisationen mit Budgets, Werbeagenturen und auch nicht-spirituellen Interessen, den besten Nährboden - und willige Komplizen und Handlanger in der Politik. Doch wo ein Gewinner, dort auch ein Verlierer: in diesem Fall die österreichische Demokratie. Dass der Staat auf dringend benötigte Steuereinnahmen verzichtet, um austrittsreife wohlverdienende Schäfchen zum Überdenken zu bewegen, hat mit Religionsfreiheit nichts zu tun.

Ebenso wenig das Sponsoring der "Langen Nacht der Kirchen", die jährliche Missionierungsaktion der Kirchen Österreichs, seitens des de facto staatlichen ORF. Und dass ausschließlich Kinder, die, aus welchem Grund auch immer, den (staatlich finanzierten!) Religionsunterrichtes nicht besuchen, verpflichtet werden, einen Ethikunterricht - oft von zunehmend unterbeschäftigten ReligionslehrerInnen verabreicht - zu besuchen, hat mit Religionsfreiheit am wenigsten zu tun. Diese Formen der "Religionsfreiheit" sind reines Gift für die österreichische Demokratie und nebenbei auch für die Staatskasse. (Leser-Kommentar, Eytan Reif, derStandard.at, 15.7.2011)