"Dieser Protest der ÖVP-Abgeordneten im Parlament, der stattgefunden hat, hat nur das Gegenteil von dem bewirkt, was beabsichtigt war", sagt Maria Rauch-Kallat.

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STANDARD: Der Text der Bundeshymne soll geändert werden - ein letzter Sieg für Sie, bevor Sie das Parlament verlassen?

Rauch-Kallat: Es ist auf jeden Fall etwas, worüber ich mich sehr freue. Aber ich war auch fest davon überzeugt, dass die Zeit diesmal reif ist. Wann denn, wenn nicht jetzt? Ich wusste, es war mein letzter Tag im Parlament. Für jemanden, der geht, der nicht mehr kandidieren möchte oder der nicht mehr auf einer Liste gereiht sein will, ist es leicht, eine solche Diskussion - und wie in diesem Fall auch eine solche Undiszipliniertheit - im Nationalrat auf sich zu nehmen. Ich hatte nichts zu verlieren. Und dieser Protest der ÖVP-Abgeordneten im Parlament, der stattgefunden hat, hat nur das Gegenteil von dem bewirkt, was beabsichtigt war.

STANDARD: Waren Sie darüber verärgert, dass die Abgeordneten Sie daran gehindert haben, dass Sie Ihre Rede halten konnten?

Rauch-Kallat: Nein, ich habe geschmunzelt. Das war nicht das erste Mal, dass ich ausgebremst wurde. Außerdem wusste ich: Dieser Protest wird die Sache für die Öffentlichkeit noch interessanter machen.

STANDARD: Ist Ihnen diese Sache eine Herzensangelegenheit?

Rauch-Kallat: Auf keinen Fall. Eine Herzensangelegenheit war mir die Arbeit zur Besserstellung behinderter Menschen, was leider untergegangen ist. Die Hymne ist lediglich ein Symbol und sicher nicht die wichtigste innenpolitische Sache. Ich verstehe, wenn Leute sagen: Es gibt drängendere Probleme. Aber Sprache schafft Bewusstsein, Sprache ist wichtig. Wenn die Söhne nicht so explizit festgeschrieben wären, müsste man das auch nicht mit den Töchtern machen. Aber so: Why not?

STANDARD: Im Bereich Gleichberechtigung wird dieses Symbol konkret wenig ändern, oder?

Rauch-Kallat: Der Text wird nichts ändern, aber die dazu gehörende öffentliche Diskussion. Außer vielleicht für Sportlerinnen oder Wissenschaftlerinnen, die etwas gewinnen und dann in der Hymne nicht nur etwas über große Söhne hören müssen.

STANDARD: Ein Ministerratsbeschluss hätte für eine Änderung ausgereicht - schließlich gibt es kein gültiges Gesetz.

Rauch-Kallat: Das ist richtig, und das habe ich 2005 auch so probiert. Ich hatte damals eine Einigung von Kanzler Wolfgang Schüssel und dem Koalitionspartner BZÖ. Aber dann gab es Druck von Boulevardmedien, die Sache wurde in der Öffentlichkeit nur noch lächerlich gemacht und verblödelt und das BZÖ hat einen Rückzieher gemacht. Diesmal wollte ich die Sache von der Regierung fernhalten, auch weil die gerade andere Probleme hat. Er soll von einer breiten Mehrheit im Parlament getragen werden: (Saskia Jungnikl, STANDARD-Printausgabe, 14.7.2011)