Die Abstimmung war monatelang immer wieder aufgeschoben und der Entwurf mehrmals korrigiert worden, doch Montagabend beschloss ein dünn besetztes israelisches Parlamentsplenum schließlich mit 47 gegen 38 Stimmen ein "Anti-Boykott-Gesetz". Viele Abgeordnete hatten sich offenbar vor dem heiklen Votum gedrückt.

Das umstrittene Gesetz bestimmt, dass jeder Israeli, der zu einem wirtschaftlichen, kulturellen oder akademischen Boykott gegen Israel oder von Israel kontrollierte Gebiete aufruft, auf Schadenersatz geklagt werden kann. Der Gesetzesinitiator, der Abgeordnete Seev Elkin vom konservativen Likud, sprach von einer Maßnahme "zum Schutz der israelischen Bürger", während Oppositionelle in dem "illegitimen Gesetz" eine "Gefahr für die Demokratie" erkannten.

In den letzten Jahren gab es in verschiedenen Ländern immer wieder Aufrufe zum Boykott israelischer Produkte, Betriebe oder Universitäten. Die Kampagnen, zuweilen von Israelis unterstützt, richteten sich gegen die jüdischen Siedlungen im Westjordanland, aber auch gegen Israel selbst. Das neue Gesetz droht Boykottorganisatoren nun nicht mit dem Gefängnis oder anderen strafrechtlichen Folgen, sondern mit zivilrechtlichen finanziellen Sanktionen bis zur Höhe von umgerechnet rund 10.000 Euro. Es richtet sich nicht gegen Ausländer, sondern gegen Israelis und verbietet zudem den staatlichen Behörden, Aufträge an Unternehmen zu vergeben, die bei einem Boykott gegen Israel mitspielen.

Auslöser für das "Anti-Boykott-Gesetz" war die Mitwirkung israelischer Firmen am Bau der palästinensischen Stadt Rawabi im Westjordanland gewesen. Die Israelis hatten sich gegenüber den palästinensischen Auftraggebern verpflichten müssen, keine Materialien aus den jüdischen Siedlungen zu verwenden. "Boykotts gegen die Siedlungen oder jeden anderen Teil des Landes sind kein demokratisches Mittel, um eine demokratische Debatte zu entscheiden", sagte Finanzminister Juval Steinitz vom Likud.

Die Fronten verliefen quer durch die Parteien. Auch Premier Benjamin Netanjahu verspürte offenbar ein Unbehagen, denn er hielt sich von der Abstimmung fern, obwohl seine eigene Partei den Antrag eingebracht hatte. Linke Protestbewegungen riefen dazu auf, das Gesetz in einem Akt des zivilen Ungehorsams demonstrativ zu verletzen - "wenn es 5000 oder 7000 Zivilklagen gibt, dann schauen wir uns an, wie die Gerichte damit fertig werden", meinte ein Aktivist. Für Exhöchstrichter Eliahu Matza ist das Gesetz mit dem "Verdacht der Verfassungswidrigkeit" behaftet: Es "blockiert das Recht zu protestieren". (Ben Segenreich aus Tel Aviv, STANDARD-Printausgabe, 13.7.2011)