Brünn, die zweitgrößte Stadt Tschechiens und die Hauptstadt Mährens, lädt nicht zur Erkundung der historischen Sehenswürdigkeiten ein. Nicht unweit des Stadtzentrums kann man in einer Seitengasse im ethnografischen Institut des Mährischen Landesmuseums auch kulinarische Welten erkunden.

Foto: derstandard.at/Güler

Dort läuft seit Anfang Juni die Ausstellung "Nachbarn auf dem Teller, die sich den Gemeinsamkeiten und Unterschieden in der Kochkunst Südmährens und Niederösterreich widmet. Die Ausstellung ist ein Projekt im Rahmen des Kooperationsprogramms ETZ (Europäische Territoriale Kooperation) zwischen Österreich und der Tschechischen Republik. Die gemeinsame Geschichte der Grenzregion soll dabei in den Vordergrund gerückt werden.

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In der Ausstellung, die sich der Geschichte der regionalen Küche seit der Mitte des 19. Jahrhunderts widmet, wird das Essen und Trinken nicht aus rein kulinarischer Perspektive betrachtet. Der Blick richtet sich auf den Zusammenhang zwischen Nahrung und kultureller Identität.

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Dabei werden auch "nationale Stereotype beim Essen" unter die Lupe genommen. Mit Österreich verbindet man das Wiener Schnitzel und den Tafelspitz, mit Bayern Bier, Brezel und Weißwurst, kann man nachlesen.

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Tschechien selbst ist in der Sparte kulinarisch-nationale Stereotype nicht mit Knödel und Sauerkraut, sondern mit belegten Brötchen vertreten.

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Eine Karte zeigt woher die mährischen Köstlichkeiten stammen. Sliwowitz, der aus Pflaumen gebrannte Schnaps, wird neben dem Olmützer Quargel und anderen regionalen Köstlichkeiten, auch als "stereotype Vorstellung, die mit Mähren verhaftet ist", beschrieben.

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Weniger bekannt bei uns sind hingegen die "Stramberger Ohren", ein Honiggebäck, dessen Form nicht ohne Grund dem menschlichen Ohr ähnelt. Die "Stramberger Ohren" sollen nämlich an den Widerstand der Stadt Stramberg gegen die Tataren im 13. Jahrhundert erinnern. Die Stadt konnte die Tataren zwar abwehren, diese hinterließen den überlebenden Stadtbewohnern aber Säcke voll abgeschlagener Ohren.

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Weniger makaber geht es dann im nächsten Raum weiter, der sich der Kaffeetradition widmet. Das erste Kaffeehaus Brünns wurde von einem Türken namens Ahmet im Jahre 1702 gegründet, kann man dabei herausfinden.

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In der Ausstellung "Nachbarn auf dem Teller" werden aber nicht nur kulinarische Stereotype bedient, auch weniger moderne Geschlechterstereotypen werden offenbart. Den Platz der Frau sieht man in einer Küche.

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Eine Impression der Brünner Ausstellungsräume.

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Eine stereotypische Porzellanfrau umgeben von Porzellangeschirr und einem Nahrungsmittel-Behälter aus dem 20. Jahrhundert.

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Bei den Männern geht es nicht ums Porzellan, sondern ums Trinken.

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Und ums Schlachten. "Prost, armes Schwein", denkt man/frau sich dabei.

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Da passt die phallische Symbolik dieses Gefäßes auch dazu. Im Hintergrund sind Informationen über unterschiedliche Rebsorten und die Herstellung von Wein und Schnaps zu lesen.

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Zu sehen ist die Ausstellung, die manchmal zum Schmunzeln einlädt und manchmal zum Stoßgebet, dass Frauen heute nicht nur mehr "allzeit bereit" in der Küche stehen müssen, in Brünn noch bis 28. August 2011. Teile der Ausstellung sind dann aber gemäß dem Motto nachbarschaftliche Kulinarik im Herbst im Schloss Liechtenstein in Wilfersdorf und danach in Telč zu sehen. (Alkan Güler, daStandard.at, 12.7.2011)

Die Nachbarn auf dem Teller
14.6.-28.8.2011: Ethnografisches Institut des Mährischen Landesmuseum, 602 00 Brno, Kobližna 1
2.9.-30.10.2011: Schloss Wilfersdorf, 2193 Wilfersdorf, Hauptstraße 1A
27.11-8.1.2012: Stadtgalerie Hasičský dům, (Stadtgalerie Feuerwehrhaus), 588 56 Telč, Markplatz Zacharias von Hradetz 122

Link
Kostbares Südmähren

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