Ein Restaurant wie eine Bühne:

Foto: Gerhard Wasserbauer

Im Amarantis bieten der geschliffene Service und die ausgefeilte Küche eine sehr überzeugende Performance.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Mino Zaccaria weiß halt, was die Wiener wollen - und er gibt's ihnen. Der Apulier mit dem unerschütterlich menschenfreundlichen Gemüt ist ein Habitué der Spitzengastronomie. Er kam vor bald 20 Jahren ins Tantris (traditionell eine Kultstätte noblen Essens im süddeutschen Raum), war zu Domschitz' Zeiten Maître im Ambassador und machte zuletzt aus dem architektonisch wie konzeptionell verwordakelten Procacci einen brodelnden Bienenkorb für jenen Teil der Wiener Gesellschaft, der sich bei einem Gläschen Sprudel und "ein bissl was mit Trüffel" von den Niederungen des Alltags zu erholen pflegt - so gut es geht, halt. Die Cantinetta Antinori polierte Zaccaria quasi nebenbei zu einer Ahnung einstigen Glanzes auf.

Irgendwann aber war Zeit für ein eigenes Restaurant, und als die Pizzeria seines Trauzeugen Nicola d'Atri in der einstigen Grotta Azzurra nicht und nicht abheben wollte, übernahm sie eben Zaccaria, baute um und suchte sich einen Koch, der für eine zeitgemäße, eigenständige und eben doch mediterrane Linie stehen kann. Eine Zeitlang sah es gar so aus, als ob der deutsch-spanische Dreisterner Juan Amador hier landen würde. Nur: Für das Wiener Publikum wäre das sicher zu teuer und, vor allem, auch zu gewagt gewesen. So wurde es Thomas Wohlfahrter, lange Jahre Souschef bei Christian Petz, ebenfalls ein Tantris-Veteran und, zur Abwechslung einmal, einfach ein kluger Kopf. Der Mann ist ein echter Glücksfall.

Mutig und stimmig

Er fährt eine sehr geschliffene, aber keineswegs hochgezwirbelte Linie. Da sitzt jedes Gewürz, da passen nicht nur die Garzeiten, sondern auch die Kombinationen, da schmeckt die handgemachte Pasta ripiena auf wunderbar unaufgeregte Weise raffiniert: Es sieht ganz so aus, als ob den Fabios dieser Stadt gerade mehr als ebenbürtige Konkurrenz erwachsen wäre. Und falls der von der Pizzeria übriggebliebene Holzofen bald einmal nicht bloß für Edel-Focacce und -pizzen verwendet wird, sondern auch für Meeresfrüchte-Römertöpfe, für ofengebratenes Gemüse, für allerhand Schmorgerichte - ja dann hätte Wien tatsächlich ein Restaurant, in dem auch eine (zumindest hierorts) neue, alte Küche präsentiert wird.

Der Gastgarten an der Babenbergerstraße hat mit der imperialen Kehrseite des Kunsthistorischen jedenfalls ein Gegenüber von geradezu römischer Grandezza, innen wurde der langgezogene, extrem hohe Raum mit luftigen Vorhängen ebenso mutig wie stimmig gestaltet - das hat durchaus Flair.

Besser kann man das kaum machen

Eine glasklare, intensiv nach Safran und subtil nach Pernod duftende Fenchelbouillon mit wunderbar saftigen, ausgelösten Pfahlmuscheln ist von lässiger, höchst animierender Leichtigkeit - ein toller Einstieg in den Abend. Tartare vom schottischen Lachs gerät durch ganz zarten Einsatz von Zitrusaromen und die Kombination mit feinherbem Chicorée zur kühlen Erfrischung, wirklich sehr gut. Es geht aber auch handfester: Die Lasagne mit Melanzani, Blattspinat und Pinienkernen aus dem Holzofen zelebriert unverfälschte, süditalienische Osteria-Küche auf hohem Niveau. 

In einer ganz eigenen Liga spielt die herrlich bissfeste, wunderbar geschmeidige Pasta ripiena: Krustentierravioli sind konzentrierte Aromabomben, dazu eine duftige Bouillabaisse-Safransauce und knackig pochierter Kohl: Besser kann man das kaum machen. Aber auch die herrlich schmelzigen Ochsenschwanz-Agnolotti mit Eierschwammerl und Blattspinat bieten große Pastaküche.

Was neben der schönen Weinkarte und dem blendend disponierten Service besonders positiv auffällt: die für diese Qualität zurückhaltenden Preise. (Severin Corti/Der Standard/rondo/08/07/2011)