"Ein Minister muss vorher politisch tätig gewesen sein", Faymann über die Auswahl seiner Minister.

Foto: derStandard.at/lis

Faymann will erreichen, dass "alle Menschen gleich viel Wert sind" - so erklärt er seine Motivation.

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Die Klassenkameraden fotografieren ihre Kollegen beim Interview mit dem Kanzler.

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Zum Schluss gab es ein Gruppenfoto.

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"Ich war mit seinen Antworten sehr zufrieden, er hat auf die Fragen sehr ausführlich geantwortet und seine Aufgaben habe ich gut verstanden", Stefanie (14) spricht schnell. Sie es etwas aufgeregt und war vor dem Interview mit Bundeskanzler Werner Faymann auch etwas nervös. Ihre Fragen hat sie ihn trotzdem selbstsicher und mit fester Stimme gestellt. Faymann ist sichtlich beeindruckt von den Fragen der Schüler und Schülerinnen einer vierten Klasse aus einem Gymnasium in Wörgl: "Das ist hier richtig professionell, wie auf dem Küniglberg (Sitz des ORF, Anm.)".

Die "Demokratiewerkstatt" des Parlaments bietet Jugendlichen zwischen zehn und vierzehn Jahren die Möglichkeit, sich politisch zu bilden. Die Klasse, die heute einen Workshop macht, produziert einen Film und eine Zeitung. Dazu stellen sie dem Bundeskanzler ihre Fragen über das politische System, seine Aufgaben, das Pensionssystem und zur Europäischen Union. Auch Finanzministerin Maria Fekter und Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz waren schon zu Gast. 

Wählen ab 16

Seit 2007 dürfen Jugendliche ab 16 wählen. Österreich ist hier Vorreiter innerhalb Europas. Trotzdem herrscht die Meinung, dass Jugendliche kaum an Politik interessiert sind. In der Schule ist politische Bildung kein eigenes Fach, Politik wird im Geschichteunterricht gelehrt. In der Demokratiewerkstatt können Jugendliche ihre Fragen an die Politiker direkt richten. 

Gegen Quereinsteiger als Minister

"Wir haben recherchiert, dass sie selbst ihre Minister auswählen können. Was muss ein Minister mitbringen?", fragt eine der Schülerin in ihrem Interview mit dem Bundeskanzler. "Ein Minister muss vorher politisch tätig gewesen sein", sagt Faymann. Dass mit der ehemaligen Justizministerin Claudia Bandion-Ortner eine Ministerin angelobt wurde, die keine politische Erfahrung hatte, erwähnt er nicht. Genauso wenig erklärt er, dass er in der politischen Realität als Bundeskanzler nur die SPÖ-Minister und nicht die ÖVP-Minister auswählt. Dafür erzählt Faymann, dass er Unterrichtsministerin Claudia Schmied gewählt habe, weil sie sich für Bildung engagiere und Staatssekretär Josef Ostermayer weil er "Spezialist für das Herbeiführen von Kompromissen" ist. 

Im Blitzlichtgewitter

Faymann muss immer wieder den Platz wechseln. Vor zwei Wänden, eine zeigt Cartoons der Demokratiewerkstatt, eine andere eine Europakarte, wird er abwechselnd von mehreren Schülern befragt. Die Mitarbeiter der Demokratiewerkstatt filmen mit, später wird aus den Interviews ein Film geschnitten. Es wird aber nicht nur gefilmt, auch die anwesenden Medienvertreter und die Schüler fotografieren mit ihren Handykameras. Das Blitzlichtgewitter bringt die jungen Interviewer aber kaum aus dem Konzept, souverän stellen sie ihr Fragen und Faymann antwortet in gewohnter Rhetorik. 

Vom Schüler zum Kanzler

Ob er schon immer Bundeskanzler habe werden wollen? "Ich war schon als Schüler politisch engagiert", antwortet Faymann. Er habe nicht nur kommentieren wollen, sondern auch "aktiv was machen". Seine Motivation für den Beruf sei, dass er erreichen wolle, "dass Menschen gleich viel wert sind. Wenn man sich nicht engagiert, zählt nur, wer am meisten Geld hat", so der Kanzler. Für das Bundeskanzler werden gäbe es allerdings keinen eigenen Kurs, scherzt Faymann. Er habe lange in politischen Ämtern gearbeitet und so das Geschäft gelernt.

In den kurzen Pausen zwischen den Fragen führt er Smalltalk mit den Schülern. Ob sie davor schon in Wien gewesen seien? Die meisten verneinen. "Was stört Sie an Europa?", fragt er eine Schülerin, die ihn gerade zu diesem Thema interviewt hat. "Gar nichts, darüber habe ich nicht nachgedacht", antwortet sie verlegen. 

Politische Bildung: "Mit dem Herzen bei der Sache"

Anita Gellner ist Deusch- und Geschichtelehrerin und Klassenvorstand der Schüler. Dass ausgerechnet ihre Klasse den Bundeskanzler befragen darf war Zufall, sagt sie. Sie habe eine Wien-Fahrt geplant und sei auf die Webseite der Demokratiewerkstatt gestoßen. Wie motiviert sie ihre Schüler dazu, Interesse für Politik zu haben? "Man muss mit Herz bei der Sache sein", sagt Gellner, "und die Themen auf ihre Ebene bringen".

Die Fragestunde an Faymann geht langsam zu Ende. Vor der Kamera sitzen nun zwei Schülerinnen, ein Schüler und der Kanzler. Er erklärt seine Aufgabe: "Die Regierung politisch führen". Das "stärkste" Element der Regierungspolitik sei die Vorbereitungsarbeit für Gesetze. Hier würde er gemeinsam mit den Sozialpartnern und anderen Interessensvertretern verhandeln. Auch Volksbefragungen würden dabei helfen.

Nach dem Gruppenfoto mit dem Kanzler geht der Workshop für die Schüler weiter. Jetzt müssen sie den Film schneiden und eine Zeitung produzieren. Die ersten setzen sich an den Computer und machen sich an die Arbeit. Bundeskanzler Faymann ist vom Erklären wieder zum Amtieren übergegangen. In einer Halle, abseits von den Schülern, gibt er den Jounalisten sein Statement zum Tod von Otto Habsburg. (Lisa Aigner, derStandard.at, 4.7.2011)