Im Haus von Michael K. sucht die Polizei nach Beweisen, dass er mit Julia Kührers Tod zu tun hat.

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Korneuburg/Hollabrunn - Wien - Überraschende Wende im Fall Kührer: Jener 50-jährige ehemalige Videothekbesitzer, der Freitagmorgen in Wien verhaftet worden ist, wurde am Sonntag wieder entlassen. Das Gericht in Korneuburg sah nicht genügend Gründe, gegen den Mann die Untersuchungshaft wegen Mordverdachtes zu verhängen.

Für die Polizei bleibt der Mann allerdings weiter der Hauptverdächtige. Die Fakten sind derzeit aber dünn - und reichen vielleicht nie für eine Gerichtsverhandlung. Fix ist, dass in einem Erdkeller auf dem Grundstück von Michael K. in Dietmannsdorf (Bez. Hollabrunn) die skelettierte Leiche des fünf Jahre lang verschwundenen Mädchens gefunden wurde. Nachdem am Donnerstag von Nachbarn Teile der Knochen entdeckt wurden, bargen die Kriminalisten später die fehlenden. Im Laufe der Zeit war Erde von der unverputzten Decke des 1,80 Meter hohen Stollens auf die Überreste gefallen.

In der Nähe entdeckten die Beamten Habseligkeiten von Kührer - doch Rucksack, Kleidungsstücke und ein Schulbuch waren zum Großteil verbrannt.

Fix ist auch, dass Michael K. den Teenager gekannt hatte. Denn er betrieb auf dem Hauptplatz ihres Heimatortes Pulkau eine Videothek, einen Jugendtreffpunkt, den auch die 16-Jährige frequentierte. Das hat er nie geleugnet.

Verdacht besteht weiter

Dass er aber mit ihrem Verschwinden etwas zu tun habe, bestritt der Mann seit seiner Verhaftung vehement. Unbekannte müssten die Leiche in seinem Keller versteckt haben, argumentiert er. "Da das Grundstück aber nicht ohne die Überwindung von Hindernissen begehbar ist, besteht der Verdacht gegen ihn", erklärt Friedrich Köhl von der Staatsanwaltschaft Korneuburg.

Für eine etwaige Anklage reicht das aber bei weitem nicht. Denn zunächst muss feststehen, dass Kührer überhaupt umgebracht worden ist. Zumindest auf dem Schädel fanden sich keine Hinweise auf Gewalteinwirkung. "Unser Problem ist, dass nach fünf Jahren in einem feuchten Keller die Spuren schwierig zu sichern sind", heißt es bei der Polizei. Wurde das Mädchen beispielsweise erstickt, erwürgt oder erstochen, ohne eine Rippe zu verletzen, lässt sich das nicht mehr feststellen. Ebenso wenig wie ein eventueller sexueller Missbrauch.

Doch selbst bei einem Mord müssen die Ankläger Michael K. nachweisen, dass er mit der Leiche in Kontakt war. Am Wochenende wurden daher der Keller, sein Wohnhaus und die ehemalige Videothek penibel durchsucht. Sein damaliges Auto sei mittlerweile verschrottet, sagt Helmut Greiner vom Bundeskriminalamt.

Wenn umgekehrt ein Kontakt mit der Leiche, aber kein unnatürlicher Tod bewiesen werden kann, müsste der Verdächtige nur behaupten, Kührer habe in seiner Gegenwart etwa einen Herzinfarkt erlitten und er habe sie in Panik versteckt. Dann könnte er höchstens wegen unterlassener Hilfeleistung (maximal ein Jahr Haft) und Störung der Totenruhe (sechs Monate) belangt werden. "Zu einer Mordanklage kann es nur kommen, wenn die überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Schuldspruches vorliegt", gesteht Staatsanwalt Köhl zu. (Michael Möseneder/DER STANDARD, Printausgabe, 4. Juli 2011)