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Die Tage vor dem Verschwinden der damals 16-Jährigen Julia Kührer.

Grafik: APA

Hollabrunn - Das Rätsel um die seit fünf Jahren vermisste Julia Kührer könnte nach dem Fund von Knochenteilen in der Nähe ihres Wohnortes gelöst sein: Das Haus in Dietmannsdorf, in dessen Keller die Knochenreste gefunden worden sind, gehört einem 50-jährigen Mann, der auch in Wien eine Wohnung hat. Er wurde am Vormittag in der Bundeshauptstadt festgenommen. Der Mann war  im Zuge der Ermittlungen bereits befragt worden, als "Verdächtiger" habe er aber nicht gegolten, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Korneuburg, Friedrich Köhl. Den Keller habe man nach Hinweisen aus der Nachbarschaft untersucht.

Das Landeskriminalamt NÖ hatte auf Anfrage bestätigt, dass am Donnerstag in den Abendstunden in einem Erdkeller Knochenteile entdeckt worden seien. Die Entdeckung der Knochenteile sei "purer Zufall" gewesen, sagte Franz Polzer, Leiter des Landeskriminalamtes NÖ. Es habe sich nicht um ein komplettes Skelett gehandelt. Nun seien die Gerichtsmediziner am Wort. Laut dem Sprecher des Bundeskriminalamts, Helmut Greiner, sollen die sichergestellten DNA-Spuren bis zum Abend ausgewertet sein. "Bis zu diesem Zeitpunkt ist es ein Fund einer unbekannten Leiche", sagte er.

Bundeskriminalamt und Landeskriminalamt ermitteln

Laut "Kurier" befand sich der Fundort in Zellerndorf. Die Gemeinde ist nur wenige Kilometer vom Wohnort Julia Kührers entfernt. Polzer sprach zunächst von einer "Nachbarortschaft".

Die nunmehrigen Ermittlungen werden vom Bundeskriminalamt und vom Landeskriminalamt geführt. Laut Stand der Ermittlungen hatte die damals 16-jährige Julia Kührer am 27. Juni 2006 um 13.33 Uhr in ihrer Heimatgemeinde Pulkau einen Autobus verlassen und wurde danach am Hauptplatz mit drei Jugendlichen gesehen, die aus einem silbernen Auto gestiegen waren. Danach verlor sich ihre Spur.

DNA-Nachweis

Anhand eines Skeletts kann die Gerichtsmedizin relativ rasch die Identität und mit etwas Glück auch die Todesursache feststellen. Die schnellste Möglichkeit, herauszufinden, ob es sich bei den gefundenen Überresten um Julia Kührer handelt, ist eine Zahnanalyse: "Wenn man einen Verdacht hat, dass es eine bestimmte Person sein könnte, sucht man sich den Zahnarzt und bittet ihn um ein Röntgen", erklärte die Wiener Gerichtsmedizinerin Andrea Berzlanovich. Dank einer "Blickanalyse" weiß man praktisch sofort Bescheid.

Knochenanalyse

Sind keine Zähne vorhanden, macht man eine DNA-Analyse der Knochen und zieht dann Vergleichsspuren der Vermissten hinzu - Haare von einem Kamm oder Speichelproben von einer Zahnbürste. Berzlanovich: "Das ist eine Routineuntersuchung, generell geht das mit Knochen sehr gut und dauert ein paar Tage." Dazu wird am besten aus einem Röhrenknochen - dazu zählen Oberarm-, Oberschenkel-, Fingerknochen, die Elle sowie die Speiche und das Wadenbein - ein Stück ausgeschnitten. Wenn möglich, werden Proben verschiedener Körperteile genommen.

Danach wird das Material aufbereitet, was laut der Expertin von der Medizinischen Universität Wien unterschiedlich lange dauern kann: Es kommt darauf an, wie der Zustand der Knochen ist, wie weit die Verwesung fortgeschritten ist und auch darauf, ob noch Muskelreste, wie getrocknete Bänder, zu finden sind, die Leichenteile also nur teilskelettiert sind.

Männlich oder weiblich?

"Was man schon am Fundort machen kann, ist eine Einschätzung, ob es sich um eine weibliche oder eine männliche Leiche handelt. Auch das Alter lässt sich auf plus/minus fünf Jahre eingrenzen", erklärte Berzlanovich. Je vollständiger das Skelett erhalten ist, desto präziser ist die erste Analyse. Wichtig sind vor allem die Zähne, die bei einem jungen Menschen nach fünf Jahren - solange ist Julia Kührer verschwunden - noch komplett erhalten sein müssten. Da die Knochen in einem Keller gefunden wurden, dürften sie gut erhalten sein, vor allem wenn keine Tiere Zugang hatten.

Verletzungsspuren

Sofort möglich ist laut der Gerichtsmedizinern eine erste Beschau auf Verletzungsspuren am Skelett: Gibt es an den Knochen Schäden durch Einstiche, Schüsse oder stumpfe Gewalt, kann mitunter auf die Todesursache rückgeschlossen werden. So könne durch Erdrosseln das Kehlkopfskelett beschädigt werden, auch Schädelverletzungen nach einem Schlag sind sichtbar.

Proben aus Haaren

Eine chemische Analyse des Knochenmaterials ist ein weiterer, aber komplexerer Schritt, der binnen einigen Wochen Medikamenten- oder Drogenrückstände aufzeigt, so Berzlanovich. "Schwermetalle kann man sehr lange nachweisen." Das genauste Ergebnis ermöglichen Proben aus Haaren. Sie bleiben sehr lange erhalten, die Wahrscheinlichkeit, dass es bei den gefunden Knochen noch welche gibt, ist laut der Gerichtsmedizinerin daher groß. Vertrocknete Hautreste und Organe können ebenfalls auf toxikologische Stoffe untersucht werden. Selbst auf Konsum- bzw. Verabreichungsmengen kann man mit etwas Glück rückschließen. (APA)