Die zwei Lebens- menschen Dirk Stermann (li.) und Christoph Grissemann gestalten zum 150. Mal das goschertste ORF-Format: "Willkommen Österreich".

"Ich finde harte Witze über Behinderte okay - wenn sie gut sind.

Foto: STANDARD/Fischer

STANDARD: "Willkommen Österreich" ist das goschertste ORF-Format. Wundert es Sie, dass es die 150. Sendung erlebt?

Grissemann: Solche Sendungen gibt es entweder zehnmal oder 1000-mal. Ich kann mir gut weitere 150 oder 500 vorstellen.

Stermann: Ich finde es sehr schön, wenn man mit jungen Leuten spricht, und wenn die dann sagen, sie kennen keine Zeit, in der es uns nicht gab. Man ist wie das Wetter.

Grissemann: Nach Willkommen Österreich kann ich mir nicht vorstellen, was anderes zu moderieren. Ich als Herzblatt-Moderator?

Stermann: Mir gefällt bei den amerikanischen Vorbildern, dass da ältere Männer die Chance bekommen, die Sau rauszulassen und kindisch sein dürfen.

STANDARD: Humor braucht Erfahrung.

Grissemann: Das stimmt. Alle guten Komiker sind über 40.

Stermann: Man braucht Gebrochenheit im Blick, um lustig sein zu können. Helge Schneider sagt: Nur Opas sind lustig. Er trinkt oft bei Tchibo Kaffee und meint, sein Ziel sei es, so lustig zu werden wie die Opas dort mit ihren Hüten. Und dass er glücklich sei, weil er immer näher an sie rankäme.

STANDARD: Genießen Sie im ORF eigentlich Narrenfreiheit?

Grissemann: Bei der Probe sind ORF-Leute dabei, aber wir bringen 95 Prozent von dem in die Sendung, was wir wollen. Eingegriffen wird selten. Wenn ein zu harter Kirchenwitz drinnen ist, gut, dann wird der halt rausgeschnitten, damit kann ich leben.

STANDARD: Ihr fragwürdiger ÖBB-Auschwitz-Witz ist dem ORF nicht aufgefallen?

Stermann: Wir haben darüber diskutiert, und er wurde nicht als so schlimm wahrgenommen, wie er später empfunden wurde. Der jüdische Komiker Oliver Polak hat den Witz in einem Interview verteidigt. Er hat uns aber angerufen und gemeint, es wäre vielleicht ganz gut, einen Juden zu fragen, wie der das findet; und dass er den Witz trotz seiner Verteidigung beschissen fand - das war nett.

STANDARD: Wo liegen Ihre Humorgrenzen?

Grissemann: Wenn wo großes persönliches Leid dahintersteht, würden wir keine Witze machen, etwa bei der Haider-Sendung. Da haben wir uns nie über die Witwe lustig gemacht.

Stermann: Nicht über die richtige.

Grissemann: Das ist wichtig. Das waren nur Witze über die Inszenierung der Trauer. Prinzipiell darf es keine Grenzen geben, aber es ist eine Geschmacksfrage, eine Stilfrage. Ich finde harte Witze über Behinderte okay - wenn sie gut sind.

STANDARD: Hat sich Kärnten wieder mit Ihnen versöhnt?

Grissemann: Absolut, die Auftritte dort sind immer sehr gut.

Stermann: Es gab da eine Online-Wahl des alternativen Landeshauptmanns, da sind wir gewählt worden.

Grissemann: Es war ja unglaublich peinlich, weil wir dort zum ersten Mal mit Security aufgetreten sind, weil unser Management das wollte. Stiernackige Glatzköpfe haben uns begleitet. Die einzigen Neonazis weit und breit könnten unsere Security-Leute gewesen sein.

STANDARD: Sie bezeichneten Helmut Werner als Hansi Hinterseer mit Down-Syndrom. Ist das nicht schon menschenverachtend?

Grissemann: Ein guter Witz ist immer Wahrheit und Schmerz. Und wenn man Helmut Werner sieht, dann hat das einen wahren Kern.

STANDARD: Mitleid ist also keine satirische Kategorie?

Stermann: Ich halte Mitleid für einen sehr feinen Wesenszug, aber wir arbeiten mit Leuten, die keines verdienen. Wenn wir einen Witz über Frau Fekter machen, fällt mir kein Grund für Mitleid ein.

STANDARD: Gibt es Wunschgäste, die Sie nicht kriegen?

Stermann: Peter Rapp, der würde nur für 5000 Euro kommen. Das versteh ich, die ist er wert, aber wir haben das Geld nicht. Roberto Blanco wollte auch 5000 Euro.

STANDARD: Hätten Sie Witze über seine Hautfarbe gemacht?

Stermann: Glaub ich nicht ...

Grissemann: ... glaub ich schon.

Stermann: Und Claudia Schiffer hatte uns schon zugesagt, aber es scheiterte daran, dass wir ihr keinen Privatjet zur Verfügung gestellt haben. Ihr Management war fassungslos, als wir meinten, es gebe keinen.

STANDARD: Viele Ihrer Gäste wirken, als wären Sie mit Ihnen befreundet. Und dann kam Ruth Elsner.

Grissemann: Ja, die war schon ein komischer Gast. Ich habe nicht verstanden, warum die kommt, warum sie sich das antut. Diesen Kampf um ihren Mann in Ehren, aber warum sie sich in eine Satiresendung setzt, um ihr Buch zu verkaufen, war mir nicht klar. Das war ihr Fehler. Die Ironisierung dieses Leids ist ein wenig geschmacklos von ihr. Wir haben das aber, glaube ich, halbwegs über die Bühne gebracht. Aber sie war sicher der ungewöhnlichste Gast in diesen 150 Sendungen.

STANDARD: Wo kommt denn Ihr Input für die Sendung her?

Grissemann: Wir arbeiten seit 20 Jahren zusammen und kommen ohne Input aus. Wir gehen nicht in die Straßenbahn, um zuzuhören, wie die Leute reden. Wir sind dann am besten, wenn wir in einem kahlen Raum vor einem Blatt Papier sitzen und gezwungen sind, was zu machen.

STANDARD: Wie viele Ihrer "Gags, Gags, Gags" schreiben Sie selbst?

Stermann: 90 Prozent stammen von Fremdautoren. Das ginge anders gar nicht mehr.

Grissemann: Aber auf der Bühne ist es Ehrensache, dass man alles selber schreibt.

Stermann: Bis auf die geklauten Sachen.

STANDARD: Aber vom Fernsehen erwartet ja niemand Wahrhaftigkeit.

Stermann: Stimmt, aber auf der Bühne. Da tun wir jeden Abend so, als wäre alles spontan, dabei ist es jeden Abend exakt gleich spontan. Ein unglaublicher Zufall.

STANDARD: Thema Komikerpaare: In welchem finden Sie sich wieder: Laurel & Hardy, Lemmon & Matthau oder Waldorf & Statler?

Stermann: Matthau und Lemmon, weil der Christoph so was Lemmonmäßiges hat und ich mich für Fußball interessiere.

Grissemann: Aber am lustigsten sind natürlich Dick und Doof.

STANDARD: Wollen Sie wirklich unbedingt eine Romy gewinnen?

Stermann: Wir haben ja erst einmal überhaupt etwas gewonnen, den Salzburger Stier. Alle hatten ihn schon, also wurden wir vorgeschlagen, als Notnagel. Es gab Riesenproteste, und wir mussten dann in der Schweiz bei der Preisverleihung auftreten.

Grissemann: Eisiges Schweigen im Saal, kein einziger Lacher.

Stermann: Später am Buffet kam ein Schweizer und sagte: "Ich war der Einzige, der es ein bisschen lustig fand." - Nein, wir sind keine Preistypen, andererseits hat jeder Koffer schon eine Romy, aber wir können gut ohne leben.

STANDARD: Um mit einem Wort von Stefan Petzner zu enden: Sind Sie einander Ihr Lebensmensch?

Grissemann: Gezwungenermaßen: Du bist meiner. Ich verbringe mit dir 150 Tage im Jahr, im gleichen Hotel, wir treffen uns täglich beim Frühstück um neun, haben uns nix zu sagen, aber das können wir sehr gut: mit Liebe nichts vom anderen wollen. Ja, mir würde wahnsinnig viel abgehen, wäre er nicht mehr da.

Stermann: Aber wenn einer von uns stirbt, wird der andere keine Pressekonferenz geben und rumheulen. (Karl Fluch/DER STANDARD; Printausgabe, 25./26.6.2011)