Überraschung: derStandard.at beschenkte Laura Rudas (SPÖ) und Harald Vilimsky (FPÖ) mit einem Bum-Bum, ...

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... der Eisklassiker mit blauem Kaugummi-Stiel wurde von beiden dankend abgelehnt.

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"Viele Leute haben diese Wadlbeißerei satt", stellte Vilimsky fest. Also bemühten sich beide, persönlich nett zueinander zu sein.

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Blaues Selbstbewusstsein: "Die Minister, die wir anbieten können, sind um keinen Deut schlechter."

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Rudas über moralische Grenzen: "Sogar den europäischen Rechten sind Sie zu rechts."

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Rudas: "Die FPÖ redet populistisch von Steuerentlastungen in Milliardenhöhe. Die Frage ist aber, wie man einen Sozialstaat finanziert."

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Vilimsky: "Bei der Vermögenssteuer geht es um Kapital, das mit viel Fleiß erwirtschaftet und häufig bereits mit 50 Prozent versteuert wurde."

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Gemeinsamkeiten sind vorhanden - werden im verbalen Schlagabtausch aber eher ungern betont.

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So schmolz das rot-blaue Bum-Bum vor sich hin.

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In Prozent ergäben sie laut Umfragen die stärkste Koalition: SPÖ und FPÖ. Laura Rudas und Harald Vilimsky sprachen über rot-blaue Gemeinsamkeiten, moralische Grenzen und stritten über die Frage, wie sozial beide Parteien wirklich sind. Zur Auflockerung brachte derStandard.at ein rot-blaues Stieleis mit.

***

derStandard.at: Wir haben Ihnen ein Bum-Bum-Eis mitgebracht. Herr Vilimsky, was kommt Ihnen in den Sinn?

Vilimsky: Dass das vielleicht meiner Tochter schmeckt, aber sicher nicht mir. Ich würde es wenn möglich gegen einen kleinen Espresso tauschen.

derStandard.at: Und Ihnen, Frau Rudas?

Rudas: Das Eis haben wir als Kinder oft bekommen. Ich bin auch nicht so der Fan davon.

derStandard.at: Auf dem Eis ist vereint, was politisch nicht möglich scheint: Rot-Blau.

Rudas: Und zwar mehrsprachig!

Vilimsky: Schon, ja. (lacht)

derStandard.at: Wie hoch sehen Sie die Chancen, dass 2013 Rot-Blau kommt?

Rudas: Die Chance liegt bei null Prozent. Mit der FPÖ ist kein Staat zu machen. Das hat sie in ihrer Regierungszeit schon unter Beweis gestellt. Durchschnittlich sind zwei Minister pro Jahr abgetreten, insgesamt wurden neun Minister verbraucht.

derStandard.at: Wie hoch sehen Sie die Chancen für eine Bum-Bum-Koalition, Herr Vilimsky?

Vilimsky: Mit Faymann, Rudas und Co. geht die Chance tatsächlich gegen null Prozent. Aber: Sag niemals nie. Ab der zweiten Ebene der SPÖ gibt es sehr viele gute Gesprächskontakte. Niemand weiß, was nach der nächsten Wahl sein wird. Die FPÖ heute hat mit der FPÖ vor zehn Jahren nichts mehr zu tun. Der Ortstafelkompromiss in Kärnten, den Ihre Partei mit uns beschlossen hat, zeigt sehr wohl, dass mit uns ein Staat zu machen ist.

Rudas: Sie sind eine Risikopartei und das ist das Problem. Sie fahren Zick-Zack-Kurse und stehen für nichts. Jetzt wollen Sie, dass wir aus der Eurozone aussteigen.

Vilimsky: Woher beziehen Sie Ihre Informationen? Wir wollen einen starken Euro der Hartwährungsländer.

derStandard.at: Was stört Sie sonst an der FPÖ?

Rudas: Sie sagen, es kommen Millionen Ostarbeiter nach der Öffnung des Arbeitermarktes. Es sind 8700 geworden.

Vilimsky: Ja, im ersten Monat. Der Trend wird anhalten.

Rudas: Wir sind nach wie vor das Land mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit. Wenn wir schon von Verfehlungen sprechen, dann schauen wir uns doch das von der FPÖ verursachte Hypodebakel an.

Vilimsky: Wo Ihr Ex-Obmann (Alfred Gusenbauer, Anm.) Berater war und Ihr Minister (Ex-Finanzminister Lacina, Anm.) im Aufsichtsrat.

Rudas: Vor einem Jahr waren Sie noch für die Reichensteuer, seit 2010 sind Sie plötzlich dagegen.

derStandard.at: Noch einmal zur Frage einer Bum-Bum-Koalition: In der SPÖ ist die Antwort ja nicht so eindeutig. Franz Voves schloss zum Beispiel für die Steiermark einen Pakt mit der FPÖ dezidiert nicht aus.

Rudas: Er hat aber nicht mit der FPÖ koaliert.

derStandard.at: Der Unterschied ist: Voves hat eine rot-blaue-Koalition nicht ausgeschlossen, was die Bundes-SPÖ schon macht. Gelten in Wien andere moralische Grenzen als in Graz?

Rudas: Es gibt einen entsprechenden Parteitagbeschluss. Es stimmt, dass wir uns strategisch gesehen mit dem Ausschließen der FPÖ als Regierungspartner eine Chance im Paktieren vertun. Zur strategischen Frage kommt aber auch eine moralische. Das heißt ja nicht, dass wir im Parlament nicht zusammenarbeiten. Aber ich halte es für ausgeschlossen, in die Regierung zu gehen. Wir machen keine Blauen zu Ministern. Abgesehen davon leiden wir noch heute unter den Folgen der FPÖ-Regierungsbeteiligung. Etwa unter der Privatisierung der Austria Tabak. Tut Ihnen das leid mit der Austria Tabak? Darf ich Sie das einmal offen fragen?

Vilimsky: Sie reden von einer Regierung, die vor zehn Jahren ins Amt gerufen wurde und seit fünf Jahren nicht mehr im Amt ist.

Rudas: Ist ja nur eine Frage: Tut Ihnen die Privatisierung der Austria Tabak leid? Und die hunderten Beschäftigten, die jetzt ihren Arbeitsplatz verloren haben?

Vilimsky: Klar. Ich glaube, eine der Ursachen liegt in dieser extremen Globalisierung und Internationalisierung. Keiner kann bei Beschlüssen, die vor zehn Jahren gefasst wurden, extrapolieren, was in Jahren sein wird. Die Welt hat sich verändert. Mein Vorwurf an Ihre Partei: Es hätte rechtzeitig Schutz-Regulative geben müssen. Sie sind ja schon fünf Jahre am Ruder.

Rudas: Sie verscherbeln die Austria Tabak, und wir machen jetzt Auffangnetze für die Beschäftigten und löffeln Ihre Suppe aus. Und jetzt erteilen Sie jetzt auch noch weise Ratschläge?

Vilimsky: Sie können nicht Ihre ganze Politik damit legitimieren, dass Sie immer über irgendeinen Teil einer Regierungsmannschaft von vor zehn Jahren reden, die mit uns von der FPÖ heute überhaupt nichts zu tun hat.

derStandard.at: Können Sie die Frage mit der Austria Tabak mit Ja oder Nein beantworten?

Vilimsky: Ja, ich hätte sie gerne erhalten.

derStandard.at: Und der Vorwurf, mit Ihnen sei kein Staat zu machen?

Vilimsky: Frau Rudas hat nur das, was man ihr in der sozialistischen Hexenküche vorbereitet hat, gut vorgelesen. Ich rate Ihnen nur eines: Mit ihrer Betonierer-Mentalität laufen Sie Gefahr, dass sie am Ende des Tages ohne Wähler dastehen. Sie verlieren bei jeder Wahl, die FPÖ gewinnt. Viele Leute haben diese Wadlbeißerei zurecht satt. Die Minister, die wir anbieten können, sind um keinen Deut schlechter als Ihre. Sie sind Teil einer Stillstandsregierung, die jeweils an zwei Plenartagen gerade einmal ein Gesetz verabschiedet. In den Ausschüssen liegen über 1.000 Initiativen, und im Parlament höre ich, dass man Schnittmengen des Miteinander-Wollens suche.

Rudas: Ich verstehe Ihre Aufregung nicht ganz. Natürlich arbeiten wir zusammen im Parlament. Aber es macht einen Unterschied, ob man zusammen regiert. Und alleine stehen nicht wir, sondern Sie da. Sogar den europäischen Rechten sind Sie zu rechts. In Österreich will auch niemand mit Ihnen zusammenarbeiten, wie ich schon klargestellt habe. Und eigentlich will Sie auch niemand in der Regierung sehen.

Vilimsky: Das glaubt Ihnen doch niemand mehr. Von Wahl zu Wahl legen wir zu.

derStandard.at: Herr Vilimsky, jetzt sagen Sie, Sie mögen keine Wadlbeißerei. In Ihren Aussendungen bezeichnen Sie Frau Rudas als "Märchentante" und als "Fräulein Zukunftshoffnung".

Vilimsky: Hinter jedem Politiker steckt auch ein Mensch. Und wenn man in einer sehr konzentrierten Weise anhören muss, was Frau Rudas in der letzten Plenarsitzung zum Besten gegeben hat, was eine reine Beschimpfungsorgie war ...

Rudas: ... es stimmte doch: Ermittelt die Justiz gegen Herrn Scheuch oder nicht?

Vilimsky: Da wird nichts dabei herauskommen.

Rudas: Darum geht es ja gar nicht.

Vilimsky: Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil.

Rudas: Was schade ist, weil ich Ihnen gegenüber nie persönlich werde.

Vilimsky: Sie machen das pauschal gegenüber der Partei und treffen damit auch mich. Mein Vorschlag ist, dass wir einen Weg finden, den Druck herauszunehmen. Da nehme ich mich auch selbst an der Nase. Ungeachtet dessen, dass Sie unsere Partei nicht mögen. Das sei Ihnen unbenommen, unsere Zieladresse ist die SPÖ auch nicht. Aber wir sehen auch Schnittpunkte mit den Sozialdemokraten, etwa im Bereich Arbeitnehmerrechte. Für mich war die zu Ende gehende Ära Gusenbauer mit einem völlig entfesselten Parlamentarismus die schönste Zeit in der Politik. Da gab es Beschlüsse in allen Farben.

derStandard.at: Wenn Sie den 24. September 2008 mit den Parlamentsbeschlüssen zur Hackler-Regelung und zur Abschaffung der Studiengebühren ansprechen: Es gäbe schon rot-blaue Gemeinsamkeiten. Wäre das nicht eine echte "Arbeiter-Koalition", auch wenn man sich Ihre Wählerströme ansieht?

Vilimsky: Mir gefiele, wenn sich zwei Parteien - wer immer das sein mag - darauf verständigen, dass es so was wie ein Kernprogramm gibt. Dann lässt man in anderen Fragen dem Parlament einen Spielraum für Verhandlungen. So wie Sie (schaut Rudas an) sich mit Ihrem Koalitionspartner nicht immer einigen können, wäre das auch bei einer anderen Koalition in dieser schwierigen Zeit. Wir haben 183 Mandatare, und das Parlament müsste mit Leben gefüllt werden. Mein Modell wäre nicht Farbe xy mit Farbe xyz mit lebendigen Mehrheiten, sondern ein urdemokratisches Modell. Die Abgeordneten sitzen dann wirklich bis vier Uhr in der Früh mit Interesse, weil man nicht weiß, wie die Abstimmungen ausgehen. Demokratie pur.

derStandard.at: Sicherung der Pensionen, Steuerreform, Bezieher kleiner Einkommen: Könnte die SPÖ mit der FPÖ sozialpolitisch nicht mehr weiter bringen als mit der ÖVP?

Rudas: Wo haben Sie das Sozialkapitel im FPÖ-Programm gefunden? Ich hab's nicht gefunden. Da würde ich mich nicht trügen lassen und im Programm ganz genau nachlesen. Die FPÖ redet von Steuerentlastungen in Milliardenhöhe. Das sind populistische Forderungen, weil das immer gut klingt. Die Frage ist aber: Wie finanziert man einen Sozialstaat? Dann soll Herr Vilimsky bitte auch sagen, welches Spital man schließen soll. Deshalb sage ich immer, man muss die FPÖ einem Realitäts-Check unterziehen!

Vilimsky: Dem Realitäts-Check halten wir locker stand.

derStandard.at: 2008 haben Rot und Blau im Parlament die Studiengebühren abgeschafft. Was könnten Sie in Zukunft noch gemeinsam machen?

Rudas: Zum Beispiel die Reichensteuer?

Vilimsky: Ich fange an darüber zu diskutieren, wenn wir ausschließen, dass es den Mittelstand trifft.

Rudas: Das kann ich sofort ausschließen.

Vilimsky: Die Frage ist: Wer ist reich? Und was wird alles herangezogen? Jetzt bin ich etwas gemein und sage, dass Ihr Parteivorsitzender eine Pension von 10.000 Euro haben wird. Für mich ist das auch ein erheblicher Vermögenswert, der einzubeziehen ist. Man darf keine Diskussion über soziale Verteilungsgerechtigkeit führen, wenn man selbst derart gut dasteht.

Rudas: Ich verstehe die Argumentation nicht ganz. Wenn Kollege Strache auf Steuerkosten mit einem Luxusauto herumfährt und einen guten Lebensstandard pflegt, dann sei ihm das gegönnt, aber dann kann er ja trotzdem für die Reichensteuer sein. Oder ist er plötzlich dagegen, weil er selbst davon betroffen ist?

Vilimsky: Das ist ein VW Touareg, den die FPÖ bezahlt. Das ist schon ein Unterschied zu den Dienstautos der Regierung.

Rudas: Ja, aber die FPÖ lebt schon von Steuergeldern. Oder haben Sie so hohe Firmenspenden?

Vilimsky: Nein, wir haben keine Firmen, die uns sponsern. Wir legen alles gerne offen.

Rudas: Wer zahlt das alles?

Vilimsky: Die Partei, ja. Wir sind daran interessiert, dass unser Parteiobmann 100.000 Kilometer im Jahr durch Österreich kommt.

derStandard.at: Um Sie wieder vom Thema Autos wegzulenken: Bei einer Reichen- oder Vermögenssteuer treffen sich SPÖ und FPÖ nicht?

Rudas: Ich hielte das schon für gerecht, zumal wir in Österreich die geringsten vermögensbezogenen Steuern haben. Damit meine ich definitiv nicht die kleinen und mittleren Betriebe, weil die eh genug Steuern zahlen. Sondern ich meine die Banken, ich meine die Top-Vorstände, die schon wieder das 41-fache eines durchschnittlichen Beschäftigten verdienen. Ich meine die Superreichen. Die sollen einen Beitrag leisten.

Vilimsky: Sie reden von den Reichen und zielen auf den Mittelstand: Da geht es um Kapital, das mit viel Fleiß erwirtschaftet wurde und das häufig bereits mit dem Höchststeuersatz von 50 Prozent versteuert wurde. Jetzt kaufen Sie einmal mit einem mit 50 Prozent versteuerten Einkommen ein Auto. Da zahlen Sie einmal bis zu 16 Prozent Normverbrauchsabgabe. Dazu kommen dann noch einmal 20 Prozent Mehrwertsteuer.

Rudas: Ich rede ja von einer Entlastung des Faktors Arbeit. Kennen Sie jemanden mit über einer Million Euro Vermögen, der leiden würde, wenn er ein bisschen etwas abgibt?

Vilimsky: Was ist dieses Vermögen?

Rudas: Na, über eine Million Euro. Wer hat das?

Vilimsky: Nein, ich frage Sie: Woraus besteht dieses Vermögen? Wie wollen Sie das ermitteln? In welcher Art und Weise?

Rudas: So wie in Frankreich.

Vilimsky: Gehen Sie jetzt in das Haus der Leute rein und schnüffeln, was drinnen ist?

Rudas: Nein, natürlich nicht ins Haus. Aber zum Beispiel, wenn jemand drei Villen am Wörthersee hat. Aber einigen wir uns vielleicht auf etwas anderes. Was wäre zum Beispiel mit der Reform der Gruppenbesteuerung? Wären Sie da dafür oder nicht?

Vilimsky: Man kann über dieses Thema nachdenken. Man muss aber, wenn man A sagt, auch B sagen. B heißt, dass viele Unternehmen, die jetzt noch zum Glück in Österreich sind, absiedeln würden und Arbeitsplätze verloren gingen.

Rudas: Das sind hauptsächlich Banken. Dass Raiffeisen, Bank Austria und andere durch die Gruppenbesteuerung kaum Steuern zahlen, ist doch ungerecht, oder?

Vilimsky: Es ist ein wesentlicher Standortvorteil. Wenn wir den aufgeben, werden viele Unternehmen aus der Industrie absiedeln.

derStandard.at: Rot und Schwarz zanken sich immer wieder, wie viel umverteilt werden soll. Dann stehen Sie, Herr Vilimsky, also für Umverteilung light? Die nicht ganz so soziale Heimatpartei?

Rudas: Sie sind eher bei der ÖVP, muss man ehrlich sagen.

Vilimsky: Man muss berücksichtigen, dass nicht einmal zwei Millionen Österreicher acht Millionen Menschen in diesem Land erhalten. Irgendwann ist die Belastungsgrenze erreicht. Man kann nicht zu jedem, der in der Früh aufsteht und bis Abend arbeitet, sagen: "Ich will mehr von dir!" (Katrin Burgstaller, Lukas Kapeller, derStandard.at, 24.6.2011)