Stefan Rasch beim Bewerten der Cyber-Einreichungen.
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Die  Cyber-Jury gibt die Grand Prix-Gewinner bekannt.

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Cyber-Grand Prix an Google mit der "The Wilderness Downtown - Arcade-Fire"-Kampagne in Zusammenarbeit mit der Agentur Chris Milk Santa Monica.

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Den zweiten Grand Prix bei Cyber sicherte sich Procter&Gamble mit der "Old Spice"-Response-Kampange, Agentur: Wieden+Kennedy Portland.

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"Pay with a Tweet" für Innovative Thunder von R/GA New York gewann den dritten Grand Prix.

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Zu einer Masterclass für digitale Kampagnen wurde die Cyber-Lions-Pressekonferenz beim Werbefestival von Cannes, wie Cannes- CEO Philip Thomas launig anmerkte. Rund eine Stunde diskutierten die Juroren Fragen zu Online-Werbung. Screenagers-Geschäftsführer Stefan Rasch saß dort am Podium ganz vorne in der ersten Reihe. Google mit "The Wilderness Downtown", Procter & Gamble mit der Old Spice-Response-Kampagne und Innovative Thunder mit "Pay with Tweet" wurden mit einem Grand Prix ausgezeichnet, 20 goldene Lions wurden in der Cyber-Kategorie vergeben. Astrid Ebenführer erklärte er, was das Besondere an diesen Kampagnen ist und wie er die Jurysitzung erlebt hat. 

derStandard.at: Welche Vorgabe gab es vom Jurypräsidenten Nick Law?

Rasch: Sein Appell an uns war: Wir sollten mit dem einen Fuß in der Madison Avenue und mit dem anderen in Silicon Valley stehen. Bei jeder Arbeit gilt es, diese Spannung zu beachten und nicht auf eine Seite auszuschlagen. Er hat uns auch darauf vorbereitet, dass es die Cyber-Juroren hier in Cannes sicher am schwierigsten haben, weil wir eine immense Vielfalt an Arbeiten bewerten müssen. Das geht von einem einfachen TV-Format bei Viral-Videos bis zur komplexen Softwareentwicklung. Und die drei Cyber-Grand Prix symbolisieren für mich auch genau diese Vielfalt.

derStandard.at: Was genau hat die Jury an der Google-Kampagne "The Wilderness Downtown - Arcade Fire" so beindruckt? 

Stefan Rasch: Das ist eine brillante Produktwerbung. Hier geht es um eine technologische Innovation, um eine Produktdemonstration. Die Arbeit hat gezeigt, was man mit HTML 5 alles machen kann und wie Chrome funktioniert. Am ersten Tag haben sich zwei Millionen Menschen den Browser heruntergeladen. Diese Kampagne hat viele Menschen, auch mich, dazu gebracht, das Produkt auszuprobieren. Und es war gleichzeitig eine völlig neue Art des Musikvideo-Clips. Google-Maps und Streetview wurde dafür verwendet, dich an den Ort deiner eigenen Kindheit zurückzuführen. Ich sehe diese Arbeit als technologische Innovation, gepaart mit Storytelling.

derStandard.at: Und was gab bei der "Old Spice- Response Campaign" den Ausschlag zum Grand Prix? 

Stefan Rasch: Diese Kampagne ist perfektes Social Media-Marketing. Die Problemstellung war hier, dass du letztes Jahr mit "Old Spice Man" so eine großartige Kampagne hattest, es ging also um die Frage: Was kommt danach, wie kann man darauf aufbauen? Und genau diese Schwierigkeit wurde extrem klug gelöst. Perfekt, wie hier Real-Time-Werbung eingesetzt wurde. Ein riesiges Team hat laufend Spots produziert als Antworten auf Postings, Tweets usw. Diese Idee und dieses Real-Time-Reagieren auf den Buzz im Netz wurde perfekt umgesetzt. Diese Arbeit vereint für mich sehr gut den Umgang mit Socal Media und Echtzeitkommunikation. Aber mit den Mitteln traditioneller Werbung.

derStandard.at: Und „Pay with a Tweet" von Innovative Thunder? 

Rasch: Diese Arbeit ist als eigenes Produkt zu verstehen. Und dieses Produkt wird Teil der Infrastruktur des Internet. Eine neue soziale Währung. Für viele junge Musiker, die ihre Songs gratis als Download ins Internet stellen, aber keine große Öffentlichkeit haben, ist das eine ganz große Möglichkeit. Es ist ein Viral-Marketing-Instrument, das der ganzen Welt zur Verfügung gestellt wird. Und es ist eine Arbeit, die tatsächlich Nutzen für den Menschen schafft. 

Generell symbolisieren diese drei Grand Prix für mich sehr schön das Spektrum von Cyber: Es gibt technologische Innovation, die Werkzeuge der klassischen Werbung und Produkt- und Softwarentwicklung. 

derStandard.at: Neun Arbeiten haben österreichische Agenturen bei Cyber eingereicht, keine fand sich auf der Shortlist.

Rasch: Wenn man sich die Gewinner anschaut, treten wir hier gegen Unternehmen wie Google an. Das ist auch einer der großen Unterschiede zu den letzten Jahren. Die digitalen Kategorien sind sozusagen erwachsen geworden. Die Qualität der Arbeiten war heuer herausragend. Jurypräsident Nick Law hat auch explizit gesagt, dass es das beste Jahr war, das er je erlebt hat. In dieser Kategorie werden mittlerweile große Budgets investiert, es wird viel Talent und Manpower hineingesteckt.

Früher konnte man mit einer lustigen Idee oder einer kleinen Innovation hier Erfolg haben. Das hat sich geändert. Viele Arbeiten sind extrem groß und aufwändig. Es liegt nicht nur an Budgets, bei uns ist der Fokus auf den digitalen Bereich nicht so ausgeprägt wie in anderen Ländern. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass Österreich nicht platziert war. 

Ich kann nur empfehlen, sich die Gewinner-Arbeiten aus Cannes im Detail anzusehen, nicht nur Kreativen, sondern auch Auftraggebern. Es finden sich sehr viele wegweisende Ideen, die sicher unsere Branche prägen werden. Man sieht einen Trend zu Arbeiten, die Menschen einen echten Nutzen bieten. Und das ändert auch grundlegend das Verständnis von Werbung. 

derStandard.at: Wie haben Sie die Jury-Sitzungen erlebt?

Rasch: Die Juryarbeit war sehr spannend aber natürlich unglaublich anstrengend. Ich habe jetzt eine Woche Jury mit rund zwölf Stunden pro Tag hinter mir. Die ersten Tage waren eher einsam, man sitzt mit Kopfhörer vor seinem Computer, danach wird über die Kampagnen und Gewinner diskutiert. Es geht darum, die unglaubliche Menge an Einreichungen auf eine brauchbare Shortlist einzuschränken. Die Differenz zwischen den qualitativ hochwertigen Arbeiten und dem Rest war dieses Jahr sehr, sehr groß. Die Shortlist dieses Jahr war auch extrem knapp im Vergleich zum Vorjahr. Rund sieben Prozent der Einreichungen schafften es auf die Shortlist, normal sind es circa elf Prozent. 

An den ersten Tagen haben wir rund 160 Arbeiten pro Tag bewertet, eine Kampagne muss da in wenigen Minuten überzeugen. Sie muss also sofort auf den Punkt kommen. Eine Arbeit, deren Idee nicht sofort bestechend ist, fällt natürlich sofort raus. 

derStandard.at: Sie haben ja schon bei einigen Jurys teilgenommen. Wo ist hier in Cannes der Unterschied zu anderen Festivals?

Rasch: Cannes ist im Vergleich natürlich um ein Vielfaches arbeitsintensiver, die Diskussionen sind inhaltsreicher und komplexer und die Qualität der Arbeiten ist natürlich um Welten bestechender. Von der Intensität her ist Cannes also kein Vergleich mit anderen Festivals. (Astrid Ebenführer, derStandard.at, 23. Juni 2011)