Inspirierte Fischküche, viele Schmorgerichte.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die China Bar führt Una Abrahams Konzept fort - nur halt auf chinesisch.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Frage nach dem besten Chinesen ist wie jene nach der Pizza, dem Würstelstand, dem Schnitzel: müßig. Jeder hat eine andere Antwort parat, und so taugen Fragen wie diese ganz wunderbar für gepflegte Konversation - niemand erwartet eine gültige Antwort. Nur bei der ersten Frage gibt sich die Wiener Ausgehszene seit ein paar Jahren in eintönigem Gleichklang: Wer einmal in Simon Xie Hongs Restaurant ON war, dem fällt so schnell kein anderes ein. Die Art, wie da in entspanntem Ambiente (und, wichtig, mit effizient freundlichem Service!) eine facettenreiche, vor Würzkraft schillernde, durch und durch handgemachte Küche geboten wird, die große Sorgfalt auf die Herkunft der Grundprodukte nimmt - die kennt man sonst nicht so in Wien.

Nach langem Suchen hat Simon sich nun ein neues Lokal dazugenommen, und man darf davon ausgehen, dass damit frische Energie in oben erwähnte Diskussion kommt. Seit vergangener Woche ist die "China Bar" geöffnet, und zwar dort, wo zuvor Una Abrahams Una war. Xie Hong, ein Fan der legendären Schmorgerichte im Una, veränderte das Lokal mit der prachtvollen Bretschneider-Schank und dem markanten Luster über dem Stammtisch nur in Details.

Tartare vom Thunfisch mit Kernöl und Tofu

Aus der unverändert winzigen Küche kommt eine Reihe von Klassikern, die bei ON-Stammgästen für Wiedersehensfreude sorgen dürften. Das Tartare vom Thunfisch mit Kernöl und Tofu gehört ebenso dazu, wie der rohe Lachs, der mit Gurke und Kräutern in hauchdünnes Reispapier gewickelt und mit zweierlei Saucen überzogen wird. Das nach Szechuan-Art pikant geschmorte und kühl in Scheiben geschnittene Rindfleisch wird hier mit einem Salat aus breiten, von Hand gezogenen Nudeln aus Bioweizen kombiniert, der an heißen Tagen wunderbar tonische Qualitäten beweist.

Überhaupt sind hausgemachte Nudeln ein ziemliches Thema. Es gibt sie auch mit einer hoch verdichteten Sauce aus eingelegtem Tofu und knackigem Gemüse, die auf eigentümliche Art an Pasta alla bolognese erinnert und eben deshalb besonders exotisch wirkt. Oder, vielleicht die beste Kombination von allen, mit butterweichen, kurz sautierten Calamari und einer Salsa aus allerhand frischen Kräutern, unter die sich neben Lemongrass & Co auch zwei mutmaßlich illegale Einheimische in Form von Majoran und Dill geschmuggelt haben - sehr gut!

Gute Schmorgerichte

Die Hauptrolle aber spielen, durchaus als Reverenz an Una Abraham, ganz außergewöhnlich gute Schmorgerichte, die auf der Speisekarte aber nur zum Teil vermerkt sind. Fragen lohnt sich! Wer meint, dass derlei an heißen Tagen fehl am Platz sei, soll sich in Südostasien umsehen - oder gleich in der China Bar eines Besseren belehren lassen. Man sollte nach Chinesen-Manier halt auf Reis verzichten und lieber gleich ein weiteres Gericht bestellen.

Zum Beispiel Kitz in gelbem Kokoscurry, bei dem sich das Fleisch mürbe und saftig vom Knochen löst. Oder Ochsenschlepp in einer würzig funkelnden Sauce, in der Sternanis, getrocknete Sepia und Zimt die Hauptrolle spielen - herrlich. Oder geschmortes Rind mit Ingwer und Zwiebeln, das ausnahmsweise (weil's auf der Standardkarte steht?) ohne Knochen, dafür mit reichlich weich geschmurgeltem Bindegewebsanteil serviert wird: wunderbar schlutzig, aber sicher nichts für jene, die ihr Gulasch auch ohne Flachsen mögen - angeblich soll es die wirklich geben. Wie stets beim Asiaten gilt: Wer teilt, hat deutlich mehr vom Leben! (Severin Corti/Der Standard/rondo/24/06/2011)