17 Millionen Jahre hat dieser Backenzahn auf dem Buckel.

Foto: Madelaine Böhme, Universität Tübingen

Tübingen - Afrika gilt als Ausgangspunkt der Evolution des Menschen und seiner nächsten Verwandten, die sich von dort in mehreren Wellen auf andere Kontinente - insbesondere Eurasien - ausbreiteten. Der moderne Mensch und vor ihm der Homo erectus vollzogen damit nur nach, was frühere Vertreter der Hominoidea (der Gruppe, die Gibbons und Menschenaffen inklusive des Menschen selbst zusammenfasst) schon wesentlich früher getan hatten.

Wie oft, wann genau und warum Hominoidea "out of Africa" zogen, ist Gegenstand intensiver Forschung. Ihre wahrscheinlich erste Migrationswelle fand vor ziemlich genau 17 Millionen Jahren statt: So alt sind nämlich fossile Überreste, die im schwäbischen Alpenvorland gefunden wurden. Wissenschaftern der Universität Tübingen ist es jetzt gemeinsam mit Kollegen aus Helsinki, München und Stuttgart gelungen, die Fundstelle eines Backenzahns auf den Zeitraum vor 17 bis 17,1 Millionen Jahren zu datieren und damit diesen Zahn dem ältesten eurasischen Hominoiden zuzuschreiben, der bisher gefunden wurde. Ihre Ergebnisse sind im "Journal of Human Evolution" erschienen. 

Warmes Klima

Der Träger des bereits 1973 auf der Gemarkung Engelswies entdeckten und in seiner Datierung lange umstrittenen Zahns hat vermutlich am Ufer eines Sees gelebt. Madelaine Böhme, die an der Universität Tübingen eine Arbeitsgruppe für Terrestrische Paläoklimatologie leitet, hat anhand fossiler Funde Vegetation und Klima der Region rekonstruiert. Demnach herrschte damals eine Jahresdurchschnittstemperatur von 20 Grad Celsius, was etwa 11 Grad über den heutigen Werten liegt; Frost gab es im Winter nicht. Südlich des Sees erstreckte sich sumpfiges Land mit Schilfrohr und einem schmalen Uferstreifen aus Bäumen, Palmen, Lianen und Farnen. Auf der Nordseite erhob sich ein Hang mit immergrünem Laubwald.

"Die chronologischen Zusammenhänge unterstützen die Vorstellung, dass der Hominoid von Engelswies von afro-arabischen Afropithecinen abstammte", schreiben die Forscher. Er wäre damit der erste Menschenaffe, der aus Afrika nach Eurasien eingewandert ist. "Die große Lücke zwischen dem Engelswies-Hominoiden und späteren Kenyapithecinen in Europa führt uns aber zusammen mit paläoklimatischen Überlegungen zu der Vermutung, dass diese frühe Auswanderung aus Afrika in einer Sackgasse geendet hat." Möglicherweise erst vor 14 Millionen Jahren sind afrikanische Menschenaffen (Kenyapithecinen) erneut nach Eurasien gekommen und haben sich hier zu den ersten großen Menschenaffen (z.B. dem heutigen Orang Utan) weiterentwickelt. (red)