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Elektronenmikroskopische Aufnahme mehrerer Humaner Papillomviren.

Foto: APA/Deutsches Krebsforschungszentrum

Melbourne/Wien/London - Das könnte die Diskussionen in Österreich über die Aufnahme der Impfung gegen Human Papilloma-Virus-Infektionen in öffentliche Immunisierungsprogramme wieder "befeuern": Australische Wissenschafter - dort wurde die HPV-Impfung ab 2007 für alle Frauen zwischen zwölf und 26 Jahren eingeführt - haben gezeigt, dass die Immunisierung die Häufigkeit des Auftretens von gefährlichen Zellveränderungen am Gebärmutterhals binnen kurzer Zeit (zwei Jahre ab Ende der Impfung) bei Frauen unter 18 Jahren um 38 reduziert.

Die wissenschaftliche Studie ist in der neuesten Ausgabe der angesehenen und oft durchaus kritischen britischen Medizin-Fachzeitschrift "The Lancet" (18. Juni) erschienen. In Österreich wurde bisher eine Finanzierung einer flächendeckenden HPV-Impfung durch die öffentliche Hand abgelehnt.

Penible Dokumentation

"Das ist der erste Bericht über einen Rückgang der Häufigkeit von hochgradigen Gebärmutterhals-Abnormalitäten (bis hin zu einem noch nicht invasiven Karzinom) innerhalb von drei Jahren nach der Einführung eines flächendeckenden HPV-Impfprogramms. (...) Dieser Rückgang begann bald nach Beginn des Impfprogramms. Bei Frauen im Alter zwischen 18 und 20 Jahren scheint dieser Rückgang der Häufigkeit (gefährlicher und potenziell zu Gebärmutterhalskrebs führenden Läsionen, Anm.) etwa eineinhalb Jahre nach Einführung der Impfung einzusetzen", schrieben die Wissenschafter unter Julia Brotherton vom Zytologie-Service des australischen Bundesstaates Victoria.

Die Wissenschafter hatten penibel die Häufigkeit solcher Zellveränderungen, welche dem eigentlichem Gebärmutterhalskrebs zeitlich voran gehen, via Krebsabstriche dokumentiert. Der Rückgang in der Häufigkeit betrug 38 Prozent. Die Studie erfolgte über einen Zeitvergleich vor und nach Einführung des Impfprogramms (2003 bis 2007 bzw. 2007 bis 2009). Die HPV-Impfung verhütet Infektionen mit dem über sexuelle Kontakte übertragbaren Virus, das laut den Erkenntnissen der Wissenschaft hinter praktisch allen Gebärmutterhalskrebs-Erkrankungen steckt. Die in Australien verwendete Vakzine verhinderte bereits in klinischen Untersuchungen rund 70 Prozent solcher Langzeitwirkungen. Jetzt liegt mit der "Lancet"-Veröffentlichung offenbar der erste handfeste Hinweis dafür vor, dass ein landesweites Impfprogramm einen signifikanten Effekt hat.

In Österreich erkranken jedes Jahr 500 bis 550 Frauen an invasivem Gebärmutterhalskrebs. Laut Statistik Austria sterben daran jährlich 150 bis 180 Patientinnen. Auf Österreich umgelegte Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehen hingegen von jährlich 600 Erkrankungen mit gar rund 300 Todesopfern aus. Pro Jahr müssen sich in Österreich rund 5.000 Frauen gynäkologischen Eingriffen im Spital unterziehen, weil bei ihnen (offenbar per Impfung vermeidbare) Vorstufen zu Gebärmutterhalskarzinomen entdeckt werden, die entfernt werden müssen.

Flächendeckende Immunisierung bisher abgelehnt 

Rund um die HPV-Impfung (drei Teilimpfungen, die derzeit in den österreichischen Apotheken "privat" jeweils 190,65 Euro kosten) gab es in den vergangenen Jahren in Österreich immer wieder Diskussionen. Der ehemalige Impfausschuss des Obersten Sanitätsrates sowie die Österreichische Krebshilfe sprachen sich vehement für die Finanzierung der Impfung zumindest für die Mädchen vor den ersten sexuellen Kontakten aus.

Die damalige Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky, Vorgängerin von Alois Stöger, lehnte eine Kostenübernahme ab. Dabei hatte der zu jenem Zeitpunkt amtierende Vorsitzende der Trägerkonferenz des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, Franz Bittner, nach Industriekontakten bereits von einem erreichbaren Preis von rund 80 Euro pro Teilimpfung für die öffentliche Hand gesprochen.

Andrea Kdolsky beauftragte auch das Wiener Ludwig Boltzmann-Institut für Gesundheitstechnologiefolgen-Abschätzung (Health Technology Assessment - HTA) mit einer Kosten/Nutzen-Analyse, die damals negativ ausfiel. Mittlerweile gibt es auch eine neuere, positive Studie des Instituts für Umwelthygiene der MedUni Wien. Jetzt liegen mit der Lancet-Veröffentlichung aber nicht nur theoretische Berechnungen, sondern auf realer Erfahrung basierende wissenschaftliche Aussagen vor.

"Die HPV-Impfung wird das Problem des Zervix-Karzinoms mittel- bis langfristig lösen", erklärte erst im vergangenen Herbst Michael Elnekheli, Chef des Berufsverbandes der Österreichischen Gynäkologen und Gynäkologinnen, bei einer Pressekonferenz zum Thema Frauengesundheit in Wien.

Laut Elnekheli hat Österreich mit dem derzeit erfolgenden "opportunistischen Screening" (Pap-Abstrich-Untersuchung, wenn Frauen zum Gynäkologen kommen) ein Plateau bei der Bekämpfung der Sterblichkeit beim Zervix-Karzinom erreicht: "Wir haben im Jahr in Österreich rund 1,8 Mio. Krebsabstrich-Untersuchungen. Für Wien wissen wir, dass etwa 70 Prozent der Frauen zu der Untersuchung in einem angemessenen Zeitraum kommen." Empfohlen wird die jährliche Untersuchung.

Impfung zur Krebsverhütung

Während die Tests eine Früherkennung von Vorstufen bzw. Karzinomen erlaubt, wäre die HPV-Impfung eine echte Krebsverhütung. Ursula Kunze vom Institut für Sozialmedizin des Zentrums für Public Health (MedUni-Wien) hatte mit einer Co-Autorin ein neues Dossier zu HPV erstellt. Die Expertin: "Der 'Königsweg' wäre die primäre Impfung in Kombination mit dem Pap-Abstrich."

Laut von Ursula Kunze zitierten Berechnungen müsste man 729 Mädchen gegen HPV impfen, um einen Todesfall durch ein Zervix-Karzinom zu verhindern. 324 Mädchen müssten immunisiert werden, um Krebsvorstufen zu verhüten. Empfohlen ist die Impfung vor allem für Mädchen vor den ersten Sexualkontakten. Doch ohne reduzierte Impfstoffpreise und ohne Unterstützung durch die öffentliche Hand ist die Impfung kostenaufwendig. Auf der anderen Seite, so Ursula Kunze: "Wir haben im Jahr in Österreich rund 60.000 unklare und zum Teil wiederholungsbedürftige Pap-Abstriche und 5.000 bis 6.000 Konisationen (gynäkologische Eingriffe zur Beseitigung von Zervix-Karzinom-Vorstufen, Anm.)."

Die Expertin sagte abschließend: "Österreich ist unter den EU-15-Staaten das einzige Land mit einer (HPV-)Impfempfehlung, aber keinem Kostenersatz." Bei 60 Mio. verabreichten Dosen der HPV-Vakzine hätten sich bisher keine Nebenwirkungen gezeigt. Wenn es eine wirksame und sichere Impfung gebe, sollte sie auch eingesetzt werden. (APA)