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Erst Studieren, dann Publizieren

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Studentin Lena im Hörsaal

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Herbert Lackner im Profil

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Lena: "Mir fällt das Studium leicht."

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"Heute lernen alle nur noch für die Prüfungen. Damals hat man um das Wissen untereinander gewetteifert", sagt Herbert Lackner, Chefredakteur vom Wochenmagazin "Profil", "die Studenten verwechseln das Studieren zu sehr mit Schule." Herbert Lackner studierte Anfang der siebziger Jahre Publizistik und Politikwissenschaft an der Universität Wien. Später unterrichtete er selbst drei Jahre Politikwissenschaft an der Uni Innsbruck.

Während seiner Gastprofessur war er oft mit vollen Hörsälen konfrontiert, in denen viele Studenten nur stur ihre Blöcke mit dem füllten, was er ihnen erzählte. "Und vor der Prüfung lesen sich viele die Mitschrift dann wieder durch, aber das ist zu wenig. Das soll Denkanstöße geben, und dann sollte man selber weiterdenken und arbeiten. Was da vermittelt wird, ist ja gut und schön, aber das ist nur ein Teil von dem, was man sich als Student aneignen soll."

Auch die Zielorientierung hat sich heutzutage verändert. Es ist schwerer geworden, gute Jobs zu finden. Nur noch selten wird Karriere gemacht ohne einen akademischen Titel. "Man muss schnell fertig werden, schnell einen guten Job kriegen, schnell gut verdienen. Das war zu meiner Zeit nicht überall so prioritär. Nichtsdestotrotz gab es natürlich auch viele die genauso gedacht haben wie heute", merkt Lackner an. An den Studienbedingungen hat sich jedoch auch einiges geändert.

Überfüllte Hörsäle vs. Seminar in der Wohnung

Studenten, die auf den Stufen sitzen müssen, weil der Hörsaal heillos überfüllt ist. Eine Situation, die Lena Schäfer (Name geändert, Anm.), 20-jährige Publizistikstudentin, nur zu gut kennt. "Bei manchen Vorlesungen ist der Hörsaal schon zum Bersten voll." Im Studium komme sie dennoch mit allem "mehr oder weniger" zurecht, obwohl sie versteht, dass es vielen nicht so leicht fällt wie ihr. Deshalb war sie auch bei den Demonstrationen der "Unibrennt"-Bewegung dabei.

Bei Publizistik-Lehrveranstaltungen, sagt Lena, müsse man aktiv sein, um etwas zurückzubekommen. "Wenn du engagiert bist, ist der Lektor engagiert." Ein solcher Lektor ist für sie Wolfgang Duchkowitsch. Seine Vorlesungen schmückt er mit persönlichen Geschichten, die den Lehrinhalt auflockern. "Er trägt mitreißend, sympathisch und verständlich vor. Wie man sich das wünscht", schwärmt Lena.

Herbert Lackner kann sich an einen Professor erinnern, der Seminare zu Hause abgehalten hat. "Zu fünft, sechst waren wir in der Wohnung von Peter Gerlich." Einen Seminarplatz zu bekommen, das war für ihn kein Problem. Zu Herbert Lackners Zeit gab es keinen Platzmangel im Publizistikstudium. "Ich habe noch fast alle Leute meines Jahrgangs gekannt."

Das liebe Geld

Damals wie heute braucht der Student Geld zum Leben. Lena verdient ihren Unterhalt bei einem Radio, wo sie 20 Stunden die Woche arbeitet. Sie betreut dort die Facebookseite. Zu ihrem Gehalt bekommt sie außerdem noch Familienbeihilfe.

Herbert Lackner finanzierte sein Studium, indem er im Sommer arbeitete. "Ich habe von Ende Juni bis Mitte Oktober gearbeitet, ab dem ersten Studienjahr", erzählt er. In Kanada und den USA hatte er Jobs in denen er so viel Geld verdiente, dass er davon locker das ganze Studienjahr leben konnte. "In Kanada habe ich auf einer Tabakfarm gearbeitet und in den USA drei, vier Jahre als Kellner."

Die Debatte um die Studiengebühren und dass diese den freien Universitätszugang behindern würden, findet Lackner "lächerlich". "Wenn es ein Student nicht schafft, in einem halben Jahr 400 Euro aufzutreiben, wie will er später sein Leben führen?"

Bildungsbarrieren?

In Studiengebühren von rund 370 Euro sieht Herbert Lackner also nicht den Kern der Hochschulmisere. Viel eher liegt seiner Ansicht nach das Problem darin, dass Kinder aus niedrigeren sozialen Schichten nicht ausreichend darin unterstützt werden, den Zugang zu höherer Bildung zu finden. "Die Studiengebühren sind nicht die Bildungsbarriere, die Bildungsbarriere liegt zu Hause!", so Lackner.

Wenn Kinder von ihren Eltern nicht die entsprechende Förderung bekommen, dann müssten Schulen und andere Institutionen dafür sorgen, dass Schüler zum Lesen erzogen werden und ihnen die verschiedenen Bildungsmöglichkeiten vor Augen geführt werden. Lackner ist der Meinung, dass Österreich trotz der bereits hohen Zahl von Studierenden noch deutlich mehr Akademiker braucht. Im Zuge dessen wäre auch eine größere soziale Durchmischung an den Universitäten wünschenswert, die der "Profil"-Chefredakteur noch nicht sieht: "Das wird seit 30, 40 Jahren versucht, aber es gelingt bis heute nicht."

"Ich war nie in einer Disko!"

Wer studiert, arbeitet, und lernt, der darf auch feiern: Freizeit und Nachtleben spielten abseits des akademischen Lernalltags schon immer eine große Rolle im Studentenleben. Viele Hochschüler der sechziger und siebziger Jahre verbrachten ihre Abende anders als die heutige Generation. "Ich war nie in einer Disko", sagt Herbert Lackner. Natürlich könne er nicht für alle seiner Zeit sprechen, aber zu seiner Zeit "gab es einfach weniger als heute". Die Szene damals war "kleiner und wesentlich überschaubarer". Havelka, Cafe Dobner und Co. waren in seinem Umfeld beliebte Treffpunkte. Dort wurde vor allem viel politisch diskutiert.

Im Cafe Havelka sieht man die 20-jähirge Lena am Wochenende wohl eher nicht: Pratersauna, FLUC und die Ottakringerbrauerei sind die absoluten Lieblingslocations der Publizistikstudentin. Aber auch das reiche Konzertangebot der Wiener Event-Szene nutzt sie ausgiebig: "Bonaparte (Berliner Rockband, Anm.) waren jetzt da, die sind super. Die singen dieses 'Anti-Anti' - das repräsentiert mich super!"

Den Naschmarkt weiß die gebürtige Grazerin auch  zu schätzen: "Da kann man super sitzen und tratschen". Auch Herbert Lackners früheres Lieblingslokal, das Cafe Dobner, war übrigens am Naschmarkt. Man sieht, in mancherlei Hinsicht leben die Studenten von damals und heute also doch nicht so weit voneinander entfernt. (Alexander Hofer, Paul Haider, Matthias Fuchs, Ferdinand Ferroli/derStandard.at, 13.7.2011)