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Programm-Schreiber Hofer stellte sein bewusst schmal gehaltenes Werk am Parteitag in Graz vor.

Foto: APA/Techt

Das neue FPÖ-Programm birgt nicht nur die "zehn Gebote" (© Heinz-Christian Strache) der blauen Politik - es schlüsselt auch auf, was die FPÖ mit der Republik vorhat. Am Samstag wurde das 16 Seiten knappe Papier hochoffiziell von den fast 600 Delegierten am Grazer Parteitag beschlossen.

Was die Blauen fürs Land wollen

  • Heimat

Die FPÖ nimmt in ihrem neuen Programm den Begriff des "Deutschen" wieder auf, nachdem dieser unter Jörg Haider 1997 durch das "wehrhafte Christentum" ersetzt wurde (Programmschreiber war damals Ewald Stadler). Nun heißt es: "Sprache, Geschichte und Kultur Österreichs sind deutsch. Die überwiegende Mehrheit der Österreicher ist Teil der deutschen Volks-, Sprach- und Kulturgemeinschaft."

Und weiter: "Unsere autochthonen Volksgruppen der Burgenlandkroaten, Slowenen, Ungarn, Tschechen, Slowaken und Roma sind als historisch ansässige Minderheiten eine Bereicherung und integrierter Bestandteil Österreichs und unseres Staatsvolkes."

Die Freiheitlichen begreifen Österreich als "Teil des europäischen Kulturraums. Die europäische Kultur hat ihre ältesten Wurzeln in der Antike. Europa wurde in entscheidender Weise vom Christentum geprägt, durch das Judentum und andere nichtchristliche Religionsgemeinschaften beeinflusst und erfuhr seine grundlegende Weiterentwicklung durch Humanismus und Aufklärung." Daraus schließt die FPÖ, in deren Programm das Wort "Islam" gänzlich fehlt, dass Österreich geprägt von einem "Kultur-Christentum" sei.

Während das FPÖ-Programm das Christentum und das Judentum anführt, ist eine explizite Distanzierung vom Nationalsozialismus nicht enthalten. Allgemein heißt es: "Wir sind bereit, diese europäischen Werte und unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung gegen Fanatismus und Extremismus entschieden zu verteidigen (...).

  • Umwelt

Umweltschutz hat für die Freiheitlichen etwas mit Patriotismus zu tun. Ihr ökologisches Gewissen leiten sie aus dem Heimat-Begriff ab. "Der Schutz unserer natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage für unsere Heimat Österreich" habe hohe Bedeutung. "Die Nutzung von Kernkraft zur Energiegewinnung lehnen wir ab."

  • Fremde

"Wer als Fremder in Österreich wegen eines Verbrechens verurteilt wird, ist in sein Heimatland auszuweisen", heißt es im Kapitel "Sicherheit", das die blauen Standpunkte zu Polizei und Heer festscheibt. Bereits im Heimat-Kapitel steht der Satz: "Österreich ist kein Einwanderungsland. Wir verfolgen daher eine geburtenorientierte Familienpolitik."

  • Familie

In ihrem Familienbild kann die FPÖ schon länger nicht mit den anderen Parteien mit. Ende 2009 stimmten alle blauen Abgeordneten im Parlament gegen die Homo-Partnerschaft. Daran ändert sich nichts. "Die Familie als Gemeinschaft von Mann und Frau mit gemeinsamen Kindern ist die natürliche Keimzelle und Klammer für eine funktionierende Gesellschaft (...)." Für Lesben und Schwule ist in dieser Definition kein Platz. Außerdem: "Ein eigenes Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Beziehungen lehnen wir ab."

  • Österreich in der Welt

Die FPÖ bekenne sich zu einer "friedensfördernden Neutralität Österreichs und zur europäischen Solidarität". Im Zusammenhang mit der Zuwanderung lässt die FPÖ die Kulturen gegeneinander antreten: "Wer seine eigene Kultur und Herkunft schätzt, kann andere Kulturen aufrichtig achten oder sich nötigenfalls ihrer erwehren, wenn sie aggressiven, unsere eigene Kultur verdrängenden Charakter zeigen."

Traditionell wollen sich die Freiheitlichen auch um "Altösterreicher" kümmern: "Österreich ist Anwalt der deutschen und ladinischen Südtiroler und vertritt die Interessen für alle Altösterreicher deutscher Muttersprache aus dem Bereich der ehemaligen k.u.k. Monarchie. Wir streben die Einheit Tirols an und bekennen uns zum Selbstbestimmungsrecht Südtirols und zur Unterstützung der Heimatvertriebenen-Verbände."

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Filzmaier: Bürgerliche Freiheit vs. linke Sozialpolitik

Politologe Peter Filzmaier erkennt im eben beschlossenen FPÖ-Programm "nichts grundsätzlich Neues". Es bilde sich darin allerdings der "strategische Spagat" ab, den die FPÖ auch in Wahlkämpfen hinlegt. "Die FPÖ betont die Freiheit des Individuums und nimmt damit die klassische Position einer Rechtspartei ein. Bei Sozialthemen operiert sie mit manchen linken bis linkspopulistischen Positionen", sagt Filzmaier. "Das ist ein Widerspruch."

Das blaue Programm enthält Versatzstücke, die sich in einem konservativen ebenso wie in einem sozialdemokratischen Grundsatzpapier finden könnten. Sätze wie "Leistung muss sich lohnen" und "Niedrige Steuern und Leistungsanreize sind Voraussetzung für ein erfolgreiches Wirtschaften" klingen fast so, als wolle die FPÖ die bessere ÖVP sein. Gleichzeitig nennt die FPÖ sich "soziale Heimatpartei" - und im Leitantrag strich FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl wortreich die linke Agenda der Partei hervor: "Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht darf weder Hindernis noch Privileg im staatlichen Bildungssystem sein" steht da etwa. Oder es wird beklagt, dass "sich immer mehr Reichtum in den Händen von immer weniger Menschen befindet".

Widersprüche in Wahlkämpfen kein Problem

Sozialdemokratische Glaubenssätze und konservative Appelle an die bürgerliche Eigenverantwortung scheinen aber nur auf den ersten Blick unvereinbar. Diese Widersprüche löse die FPÖ in Wahlkämpfen mit dem nationalen Motiv in bewährter Weise auf, sagt Filzmaier. Auf Plakaten stehe dann zum Beispiel "Unser Geld für unsere Leute". "Im Programm klingt das eleganter", sagt Filzmaier, die Botschaft unterscheide sich aber nicht wesentlich.

Breite Wellen in der Bevölkerung werde das neue FPÖ-Programm jedenfalls nicht schlagen, prophezeit Filzmaier. "Es ist viel mehr ein Signal nach innen, als dass man die Außenwirkung überschätzen sollte." Die Zahl der Wähler, die wegen des Programms eine bestimmte Partei ankreuzen, sei im einstelligen Prozentbereich - und da seien Stammwähler schon mitgerechnet. Filzmaier: "Mit einem Partei-Programm gewinnt man keine Wahlen. Es geht um den inneren Zusammenhalt."

Über den kann sich die FPÖ offenbar nicht beschweren. Im Gegensatz zur Wiederwahl von Parteichef Strache wurde das neue Programm einstimmig durchgewunken. (Lukas Kapeller, derStandard.at, 20.6.2011)