Über eine Schotterpiste gehts per Fahrrad auf das Baustellengelände der Seestadt Wiens. Ein Wochenende lang, von 18. bis 19. Juni, lud das Kunst-, Kultur- und Kommunikationspro­gramm aspern Seestadt PUBLIK zu "Aspern Movement" - einem Fest der Mobilität für alle Generationen.

Jahrzehntelang war eine barrierefreie Durchquerung des Flugfeldes Aspern nahezu unmöglich. Seit Herbst 2008 verbindet eine Rad- und Wanderroute das "alte" und das "neue Aspern" mit dem angrenzenden Bezirksteil Eßling abseits der Großenzersdorferstraße.

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Pressereferent Martin Lengauer lotst uns am Hochrad vom Parkplatz aus zum Festival-Gelände. An der U2-Trasse rechts wird eifrig gebaut. Das 240 ha große Baustellenareal soll ab 2013 Wohnort oder Arbeitsplatz für bis zu 40.000 Menschen sein. Es ist das erste Stadtentwicklungsprojekt dieser Dimension, das eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchläuft. Mögliche Auswirkungen auf den Menschen und seine Umwelt werden exakt geprüft.

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Dort wo die Stadt entsteht, überprüft seinerseits seit April 2011 das Kunst-, Kommunikations- und Freizeitexperiment aspern Seestadt PUBLIK das Nachhaltigkeitsversprechen.
Die 300 Meter lange ehemalige Start- und Landebahn und spätere Auto-Rennstrecke führt zum Publik-Stützpunkt, der aus recycelten Containern besteht. Die Betonpiste wird in die künftige Stadtgestaltung mit einbezogen. An diesem Wochenende können hier Fahrräder und andere Gefährte getestet werden. Im Zuge der Bautätigkeit werden die historischen Roll- und Landebahnen abgebrochen und im Straßen- und Wegebau eingesetzt.

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Dieses Wochenende bevölkern Hoch-, Ein- oder Lastenfahrräder der Fahrrad.Selbsthilfe.Werkstatt im Wiener WUK und der Vienna Bikekitchen, Kinderkutschen, Fixies und Mountainbikes von bikestore.cc bis hin zu Tandems und verrückten Velozipeden für mehrere Personen die Rollbahn. Das Abendprogramm: Vorträge zu Mobilität, Tangoworkshop, Konzerte und Performances sowie ein nächtliches Probeliegen in der Jurte.

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Der Großteil der Wiener Fahrradszene ist am Samstagmittag noch nicht eingetroffen. Wen wunderts, angesichts des Naked Bike-Ride am Vorabend. Hans Erich Dechant ("H.E."), Hochradbauer und Initiator der Fahrrad.Selbsthilfe.Werkstatt zieht am selbstgebauten etwa 15 Jahre alten Hochrad auf der ehemalgen Landebahn seine Runden...

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... und stellt das Vehikel samt exakter Einführung in die Fahrtechnik zu Testzwecken zur Verfügung: "Beide Hände auf den Lenker, den einen Fuß nur am Rand auf das Aufstiegspedal setzen, damit das Rad nicht blockiert. Zuerst rollen, dann drauf setzen und dann erst treten." Gesagt, getan.

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Weitere Selbstbau-Hochräder von H.E. und Kollegen stehen fahrbereit an der Containerwand.

Unter dem Motto "Langsamkeit hat Vorrang" sollen die Straßen im neuen Stadtteil fair geteilt werden, Radfahrern und Fußgängern als gefahrloser Fortbewegungsraum dienen. "Ein derartiges Konzept setzt auch geistige Mobilität voraus", sind sich der Choreograph und Performer Daniel Aschwanden, Architektin Ute Burkhardt-Bodenwinkler und Kulturmanagerin Lisa Schmidt von content.associates einig. Das Label ist für Konzept und Organisation von aspern Seestadt PUBLIK verantwortlich.

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"Mit Aspern Movement wollen wir die Verhältnisse ein Wochenende lang lustvoll zum Tanzen bringen, das Mobilitätskonzept der Seestadt mit einem Augenzwinkern auf die Probe stellen und den Besuchern aller Altersgruppen Anreize zur aktiven Auseinandersetzung und Bewegung bieten", so das content.associates-Team.

Das Liegerad mit Stützrädern ist bei den kleinen Radlern gefragt.

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Doppelt hält besser...

"Wir wollen Nachbarn, künftige Bewohner der Seestadt sowie alle interessierten Menschen aller Generationen dazu motivieren, aktiv an der Gestaltung mitzuwirken", ruft Josef Lueger, Raumplaner der Entwicklungsgesellschaft Wien 3420 Aspern Development AG auf. Für die Vergoldung der Container, aus denen die Seestadt Publik besteht, zeichnet übrigens ein engagierter Nachbar, im Brotberuf Plakatierer, verantwortlich.

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Zwei Herren zweier Generationen schwingen sich auf das Nebeneinander-Tandem.

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Die ganze Familie findet in der Kinderkutsche Platz. Anfang Juli wird ein Geschäft für die Kindertransport-Lastenfahrräder in der Glockengasse, 1020 Wien, eröffnen.

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Das Fahrrad am Dach führt zu einem ganz besonderen Container...

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"Fahrradguru" Istvan Varadi verwandelt in seiner kooperativen Werkstatt "aspern ReCycle" nicht mehr fahrbare Radruinen in straßenverkehrsordnungskonforme Stadtflitzer. Sie sollen zukünftig kostenfrei zur sanft-mobilen Fortbewegung im öffentlichen Raum des neuen Stadtteils motivieren. Das Werkzeug ist eine Dauerleihgabe der Cooperative Fahrrad. Und das Know how? "Ich schraube an Fahrrädern herum seit ich denken kann", erzählt Istvan.

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In der Fahrradselbsthilfewerkstatt gibt Istvan seine Reparaturkenntnisse weiter - auch in Form von Workshops und auch an Kinder. "Wienerinnen und Wiener, bringt eure alten, kaputten, nicht mehr benutzten Fahrräder zu mir", ruft Istvan auf. In zwei Monaten hat er 14 Fahrräder fahrbereit gemacht, 40 Räder sollen künftig zur Verfügung stehen. 

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Den gesamten Inhalt seiner Container-Werkstatt hat er auf diesem Fahrrad nach Aspern gebracht. In einem riesigen Rucksack...

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... und auf diesem Anhänger.

Die Abgabe ausrangierter Fahrräder erfolgt jeden Samstag & Sonntag, 10:00 - 18:00 Uhr.

Kooperative Werkstatt / Workshops Fahrräder selber reparieren: jeden Freitag & jeden 1. und 3. Samstag im Monat, 14:00 - 18:00 Uhr.

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Die Pferdeskulptur aus Altholz entstand im Rahmen der jährlichen Exkursion der Zeichenklasse der bildenden Künstlerin Ursula Hübner der Kunstuniversität Linz. Unter der Leitung des Assistenten Christoph Holzeis verbrachten die Studenten eine Woche auf dem Gelände und experimentierten mit verschiedenen Materialien.

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Daneben lädt die offene Gartenwerkstatt der Initiative Gartenpolylog zum gemeinsamen Gärtnern. Erfahrungen vieler Kulturen und Herkunftsländer fließen in die Gartenarbeit ein. Aus diversen (Alt-)Materialien entsteht ein Pioniergarten für die Seestadt. Die Setzlinge, Samenboxen oder Mini-Gewächshäuser können mit nach Hause auf den Balkon oder das Fensterbrett genommen werden.

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Eine der InitiatorInnen ist Yara Lola Domínguez, die vor allem auch Kindern den Zugang zum Anbau von Kräutern, Gemüse und Blumen eröffnet - unter anderem im Rahmen eines sechswöchigen Ferienprogramms ab 4. Juli.

Öffnungszeiten im Juni: MI & FR, 10:00 bis 15:00 Uhr
4. Juli bis 12. August: Mo bis FR, 9:15 bis 12:15 Uhr

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Die Skulptur "Inside-Outside" besteht aus besonders dichtem Beton und eröffnet vorgegebene Ausblicke auf das Gelände. Die Seestadt ist das größte Stadtentwicklungsprojekt Wiens und eines der größten Europas.

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Für die Grünräume, den zentral gelegenen See sowie die technische Infrastruktur zeichnet die Entwicklungsgesellschaft Wien 3420 AG verantwortlich. "Nur 0,7 Autostellplätze wird es pro Wohneinheit geben", erklärt Raumplaner Josef Lueger, "deshalb müssen wir früh mit der Mobilitätsplanung beginnen."

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"Nach unserer Überzeugung lebt die Stadt vom öffentlichen Raum und nicht von den Gebäuden", meint Lueger, und weiter: "Deshalb beginnen wir schon jetzt mit der Einbindung der Anrainer. Bewegung entsteht durch Tun! Das ist vergleichbar mit einer Wasserpütze, in die ich etwas hineinwerfe."

Hinten im Bild die Testräder von elektrobiker.com.

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Die Slow Food Vienna Cooks betreuen die Schank und die Kochtöpfe am Festival. Initiiert von Barbara van Melle kochen jugendliche Flüchtlinge unter anderem Gerichte aus ihren Herkunftsländern aus organisch-biologischen Zutaten.

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Der Medienkünstler und Robotikexperte Niki Passath nutzt seit mehreren Wochen das Baustellengelände als Labor- und Atelierstandort. Für Aspern Movement ließ er einen sechs Meter langen Zeppelin mit Bordkamera über dem Festgelände schweben. In einem Workshop bauten Kinder kleine Roboterhasen und ließen sie zum pink bunny robot race antreten.

Die Roboterspinne krabbelt über den roten Teppich.

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Währenddessen versucht der Medienkünstler und Robotikfachmann Erkin Bayirli seinem Roboter aus Bambus "Wei Tao" Bewegungsimpulse zu impfen.

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Ein Zitat von Blixa Bargeld erinnert an die Begrenztheit der Seestadt public. Was wird aus der Fahrradwerkstatt, dem Garten, der Küche, wenn die ersten Häuser gebaut, die ersten Bewohner eingezogen sind? "Im besten Fall wollen die zukünftigen Anrainer unsere Projekte auch weiterhin in ihr Leben integrieren", so die Organisatoren.

Anreise am besten mit dem Fahrrad.
Öffentlich: U2 bis Aspernstraße, dann mit dem 97 A bis An den Alten Schanzen

Infos, Termine sowie Anmeldung bei Interesse an der Mitarbeit bei der Erschließung der Seestadt unter www.aspern-seestadt.at (Eva Tinsobin, derStandard.at, 19.06.2011)

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