Herrlich war's. Und ganz furchtbar. Schuld ist die Reißerische.
Das wäre jetzt die unverschwurbelte Version der dieswöchigen "Schmeck's"-Reihe für sennowise und andere Freunde der Kürze. Fans des Telegrammstils empfehle ich viele meiner aus dem gedruckten STANDARD stammenden Artikel über die Medienbranche unter derStandard.at/Etat.
Und jetzt zur gewohnten Form dieser mittelmäßig gepflegten Ess-Ecke. Mit ein bisschen mehr Geschwurbel.
Bloß keine Höflichkeit!
Wer lange fragt, geht lange fehl, behauptet ein pragmatischer Nachbar. Ich ergänze: Und wer dann auch noch versucht, anderer Menschen Erwartungen und Paramenter zu erahnen, irrt gleich noch mehr. Schlimmer wird's noch, wenn das alle Beteiligten versuchen, schon aus Höflichkeit.
Ich höre natürlich weder auf Nachbarn noch auf eigene Lebensweisheiten. Das war mein Problem im tatsächlich sehr, sehr feinen Hof des Hohensinn. Soll mir nur nichts Schlimmeres passieren in meinem Leben.
Also: Herr Glu und die Reißerische haben längst schon aufgegeben, mir das Knieschleifen, die einspurig-sportliche Fortbewegung oder auch das Bootfahren beizubringen. Sie gehen also nur noch mit mir essen. Das, vermuten sie, übe ich zur Genüge und sollte ich also zumindest unfallfrei schaffen. Wären da nicht meine ein, zwei Probleme, siehe oben.
Ein leichter Veltlinertag
Also: Ein heißer Tag, einer für einen leichten Veltliner, fand ich, womöglich einen frischen Riesling geringer Gewichtsklasse, tät schon irgendwie auch zur Kalbskrone meiner Tischgenossen gehen, oder so halt. Bin ja Universaldilettant, also auch beim Wein.
Statt einfach eine Flasche zu bestellen und zu schauen, was passiert, krame ich in meiner Erinnerung und frage: Ihr habt lieber Rotwein, oder? Beide wirken, als würden sie nicht nur aus Höflichkeit bejahen. Dann frage ich noch, ob auch ein Weißwein ginge, und die Reißerische sagt, das könnte auch von der Vegetarierin stammen: einen kräftigen!
Statt jetzt einfach einen der daraufhin empfohlenen Kraftweißen (Lagler und äh - vergessen) bestelle ich (lieber Rotwein) einen Pinot Noir vom Lentsch (weil gut in Erinnerung und relativ wohlfeil, weiß ja nicht, wieviel die Mitesser für eine Flasche investieren wollen). Und davor aber schnell noch ein Glas gemischten Satz - die beiden seltsamerweise auch! Da soll sich einer auskennen.
Gar nicht furchtbar
Furchbar, wie in der Telegrammversion, war meine Weinverwirrung natürlich nicht. Ich war zwar nicht traurig mit dem 2008-er vom Lentsch, aber ganz glücklich auch nicht - und Schellmanns Anning 2006 war dann zum Vergleich noch irgendwie zwingend. Wenn schon Noir, dann konsequent. Fand ich. Komme, was wolle.
Und das war das Wunderbare (abgesehen von der Gesellschaft, natürlich, und da wieder abgesehen von meiner Weinverwirrung, aber Schluss jetzt damit) an dem Abend?
Ochsenmaul
Dass mein marinierter Saibling doch der unmarinierte mit Spargel und Artischocken wurde, hat mich nur bis zur ersten, zweiten Gabel gestört. Feine Sache, leicht, schön. Ganz so leicht ist dann der Ochsenmaulsalat nicht, der vermutlich nur für mich Vegetarophilen so klingt, als würde er aus einer Pflanze gemacht. Nein, das ist genau das, was der Name sagt: Dem Hornvieh aus dem Gesicht geschnitten, jetzt mit Marinade, eine reine Freude.
Der Vegetarierin scheint diese Interpretation des Ochsenmaulsalats bei Spargel und Artischocken nicht zu gefallen. Kann man verstehen, wenn bei der Vorspeise der Saibilng fehlt und zur Hauptspeise ein Liebstöckelrisotto wartet, das Herr Hohensinn für Fleischverweigerer improvisiert. Die Vegetarierin wirkt damit aber sehr zufrieden. Wiewohl auch ihr ein kräftiger Weißwein bestimmt lieber gewesen wäre.
Schwammerl? Ich!
Die Glus wirken - nach Saibling und geeister Tomaten-Ingwersuppe mit Wels beziehungsweise gerösteten Eierschwammerl auf Rucola (sehr schön, die hab ich gekostet - bei ihrer Kalbskrone sehr, sehr zufrieden. So zufrieden, dass ich nicht einmal dazu komme, nach einem kleinen Kostfaserchen zu fragen, schon isse weg.
Hirn
Ich habe aber ohnehin kein Auge für die anderen Speisen: pochiertes Hirn mit Ei. Ich kann sagen: das beste meines Lebens. Ein bisschen mehr IQ kann Schmeck's ja nicht schaden. Und auf Hin- und Rücksicht wird jetzt auch bei Tischgenossen gepfiffen - gegen über den Userinnen und Usern klappt das ja schon länger.
PS: So ignoriere ich jetzt auch einfach, dass Kollege Nowak offenbar einen Rhythmus für seine Lokalaugenscheine gefunden hat: ein paar Monate nach Severin Corti, aber zwei, drei Tage vor mir.
PPS: Geriatrie bezieht sich nicht auf die Josefstadt, sondern alleine auf den vieltausendfach schon beschriebenen Umstand, dass Herr Hohensinn lange als Souschef bei Reinhard Gerer kochte.