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Wien - Die Jugend von heute in wenigen Worten charakterisieren? Da fallen den beiden Studienautoren Peter Wippermann und Andreas Steinle im STANDARD-Interview drei Schlagworte ein: "Medienkinder", "Selbstverantwortung", "Kooperation statt Demonstration". Nett sind die Jugendlichen auch noch. Die Basis für "Die neue Moral der Netzwerkkinder", so der Titel ihrer jüngst erschienenen Jugendstudie, bildet die neue Medienwelt - von Internet und e-mail bis Handy und SMS.

Damit hat sich im vergangenen Jahrzehnt laut Kommunikationsprofessor Wippermann "schleichend ein Strukturwandel im Verhalten der Jugend" ergeben, auf den die Politik bis dato noch nicht imstande ist zu reagieren. Die Wiener SPÖ hat die Hamburger Forscher eingeladen, um also zu hören, wie die Jugend denkt und agiert. Die Politik wird nämlich umdenken müssen. Die Jugend ist politisch sehr interessiert, aber Parteien sind ihr egal. Sie geht für ihre Anliegen auf die Straße, nicht für eine Ideologie.

Effizienz & Leistung Das Weiterhanteln und Kommunizieren im Netz der unendlichen Information hat Schüler und Studenten zwischen 14 und 25 Jahren zu effizienten, leistungsorientierten Netzwerkern werden lassen, so die These von Wippermann und Steinle. "Das Internet wird auf lange Zeit die Struktur unserer Gesellschaft bilden, man ist entweder angeschlossen oder ausgeschlossen".

Dieses Angeschlossen-Sein ist nicht nur im technischen Sinne zu verstehen. Vielmehr ist damit der soziale Umgang der Jugendlichen untereinander beschrieben: Sie arbeiten als Netzwerker, kooperieren in wechselnden Allianzen, um ihr Fortkommen zu sichern, geben und holen Informationen. Dabei zählen bei den Burschen und Mädchen überraschenderweise nahezu konservativ anmutende Eigenschaften: Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, Offenheit, erhob Trendforscher Steinle in den Interviews mit 300 Jugendlichen in ganz Deutschland. "Wer sich nicht an diese Regeln hält, wird ausgeschlossen, weil er per SMS oder e-mail keine Einladung oder Information mehr erhält", erklärt Steinle das Funktionieren der Jugendgemeinschaft.

Die Medienkinder haben auch Lust, "sich durch das Leben zu spielen". Sie planen nicht in den für Vorgängergenerationen üblichen drei Lebensphasen Ausbildung-Beruf-Ruhestand, sondern sie nutzen was im Leben gerade an Gelegenheit daherkommt. "Situative Intelligenz" nennt Wippermann das. Möglich, dass sich dieses Schlagwort ebenso durchsetzt, wie die von ihm und Steinle erfundene "Ich-Aktie" zur persönlichen Vermarktung.

Oberflächlichkeit oder größeren Egoismus könne man der Internetgeneration nicht unterstellen. "Aber das Leben wird kälter", meint Steinle. Das kurzweilige Kooperieren im Geschäftlichen und Privaten, der Leistungsgedanke und die Regeln im Netzwerk brächten Kälte und Distanz.

Aber kein kühl überlegtes Handeln, "das nicht auch Spielraum für Leidenschaft und Emotion zulässt", ist Steinle überzeugt. Man müsse die Entwicklung der Medienkinder positiv beurteilen. Es gehe nicht darum die Reizüberflutung zu beklagen, es sei vielmehr ein unglaublicher Demokratisierungsprozess damit verbunden. (Andrea Waldbrunner, DER STANDARD Printausgabe 22.5.2003)