Eric Samuiloff hat beim Finanzdienstleister AWD das Ruder übernommen. Er fordert eine Abgrenzung der Beraterpflicht von der Produktgeberpflicht.

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Die Kunden sind nach der Finanzkrise informierter, aber auch skeptischer, sagt Eric Samuiloff. In den vielen Anleger-Klagen sieht der neue AWD-Chef eine bedenkliche Situation. Was er vom Gesetzgeber fordert, erklärte er Bettina Pfluger.

STANDARD: Sie sind seit März AWD-Chef. Was wollen Sie umkrempeln?

Samuiloff: Unser Absatzmarkt ist der private Haushalt. Der braucht nach allem, was am Kapitalmarkt passiert ist, eine neutrale Beratung. Jemand, der ihm hilft, sich in diesem Umfeld zurechtzufinden. Mein Anspruch ist, dass wir eine professionelle und produktunabhängige Beratung bieten.

STANDARD: Wie gewinnt man das Vertrauen der Menschen wieder? Die Reputation von AWD hat ja auch stark gelitten.

Samuiloff: Es gab ja schöne Kapitalmarktphasen, in denen gut verdient wurde. Das vergessen die Leute oft. In den vergangenen Jahren hat sich der Markt geändert, daher muss der Kunde jetzt zu anderen Produkten greifen. Die meisten Produkte sind Benchmark-orientiert. Für den privaten Haushalt hat eine Benchmark keine Bedeutung. Den Privaten interessiert, dass er mehr als auf dem Sparbuch bekommt. Daher setzen wir auf Fonds, die eine aktive Aktienquotensteuerung haben. Damit kann auf das, was im Markt passiert, reagiert werden. Wir haben heuer 11.000 Neukunden beraten. Das ist sehr in Ordnung.

STANDARD: Sind Kunden skeptischer geworden oder informierter?

Samuiloff: Beides. Sie sind durch Internet und Zeitungen informierter, aber auch skeptischer. Und sie sind verunsichert über die aktuellen Wirtschaftsthemen. Wir bieten unseren Kunden aber eine andere Art von Asset-Management, und das kommt gut an.

STANDARD: Wie sieht die aus?

Samuiloff: Die Kunden sind hinsichtlich dessen, was sie von einer Kapitalanlage erwarten, eine Spur ehrlicher geworden. Heute wissen Kunden, dass Ertrag und Risiko Hand in Hand gehen. Mit den normalen Kennziffern wie Volatilität und Sharpe-Ratio fängt ein normaler Kunde nichts an. Daher haben wir neue Kennziffern definiert. Das ist zum einen der Ertrag – also was der Fonds in der Vergangenheit erreicht hat. Die zweite Kennziffer ist das Maximum Drawdown – also was der Kunde maximal verlieren kann.

STANDARD: Wie bemessen Sie den Maximal Drawdown? Den Absturz eines Sektors oder einzelner Titel kann doch niemand voraussagen.

Samuiloff: Nachdem wir nur Fonds verkaufen, die in guten und schlechten Phasen am Markt waren, kann man anschauen, was ein Produkt in schwachen Phasen bisher maximal verloren hat. Es geht um eine historische Bewertung.

STANDARD: Stichwort Berater: Diese Berufsgruppe wurde zuletzt stark geprügelt. Was hat man bei AWD geändert, um beim Kunden Vertrauen zu gewinnen?

Samuiloff: Wir haben in den schwierigen Zeiten die Investitionen in die Ausbildung erhöht und ein eigenes Schulungszentrum gebaut. Wir haben eine zentralisierte Ausbildung und mit dem Wifi Wien eine strategische Kooperation zur zertifizierten Ausbildung eingerichtet. Dazu gibt es noch Zusatzausbildungen. In dem Segment will ich die Benchmark im Markt sein.

STANDARD: Sie haben als Geschäftsführer der Constantia KAG auch AWD-Beratern Produkte präsentiert. Wie erklären Sie sich den Vorwurf der strategischen Fehlberatung? Fünf Sammelklagen des Vereins für Konsumenteninformation gibt es gegen AWD.

Samuiloff: Das ist eine Frage, die den Markt noch lange beschäftigen wird. Ich denke, man hat hier den AWD deswegen so in die Auslage gestellt, weil er Marktführer ist. In Wahrheit gibt es Produkte, die von allen Marktteilnehmern verkauft wurden. Jetzt wird gesagt, der AWD hat's verkauft. Aber die vom AWD verkauften Volumina sind im Vergleich zum Gesamtmarkt gering.

STANDARD: Bei den Gerichten häufen sich Anlegerklagen. Geht es runter, wird eben geklagt. Ist das ein neues Risiko, das man als Anbieter berücksichtigen muss?

Samuiloff: Ich sehe die Situation extrem bedenklich. Konsumentenschutz ist notwendig, nur darf es nicht so weit kommen, dass man von einem Kauf auf Probe spricht. Viele haben auch Geld mit ihren Papieren verdient. Das andere Thema ist für mich die Abgrenzung der Beraterpflicht von der Produktgeberpflicht. Da fehlt mir vom Gesetzgeber komplett die Orientierung. Beim Auto zahlt auch der Hersteller für Garantiemängel. Man würde nie zum Verkäufer gehen und sagen, dass ein Gebrechen seine persönliche Schuld ist. In der Finanzindustrie wird ganz klar die Verantwortung auf die Vermittler abgeschoben.

STANDARD: Unlängst gab es ein Datenleck bei einem Ihrer Vermittler. Was wurde gemacht, um so einen Vorfall künftig zu verhindern?

Samuiloff: Die Daten auf den AWD-Systemen sind sehr sicher. Da investieren wir viel. Wenn ein Berater, der ja selbständig ist, seine Kundendaten separat speichert, hat das mit AWD an sich nichts zu tun. Es ist aber nicht angenehm – für niemanden.

STANDARD: Gab oder gibt es bei AWD Bestandsprovisionen?

Samuiloff: Der AWD verdient an der Vermittlung von Produkten. Bei manchen Produkten sind Bestandselemente vorhanden. Wir steuern das so, dass das für den Berater keine Relevanz hat. Der soll gar nicht auf die Idee kommen, dass er mit einem Produkt mehr, mit dem anderen weniger verdient. Anders wäre eine neutrale kundenorientierte Beratung ja gar nicht möglich. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.6.2011)