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Muhammad Yunus, Volkswirt und Banker, der den Ärmsten mit Mikrokrediten zu etwas Autonomie verhilft.

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Die meisten Kunden von Yunus sind Frauen. Mit dem Streben nach Ertrag geht er hart ins Gericht.

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"Es ist eigentlich ganz einfach", meinte Muhammad Yunus einmal in einem Interview in 'Welt am Sonntag' in Anlehnung an alte pädagogische Prinzipien: "wer Dreck macht, muss auch aufräumen". Der Friedensnobelpreisträger nennt zwei Möglichkeiten, wie es nach der aktuellen Finanzkrise weitergehen könnte: Man könne entweder darauf warten, wann es zur nächsten großen Krise komme - oder das System neu gestalten, damit sich solche Krisen nicht wiederholen. Die Banken und Finanzdienstleister, auf die seit geraumer Zeit mit dem Finger gezeigt wird, hätten seiner Meinung nach also genug sauber zu machen.

Zu diesem Zwecke müsste laut Yunus das kapitalistische System um "social businesses" erweitert werden. Im Kern sind Unternehmen gemeint, die nicht gewinn- sondern problemorientiert operieren, sich aber finanziell und wirtschaftlich selbst tragen können. Investoren erhalten nur ihre ursprünglichen Investitionen zurückgezahlt, aber keine Dividenden - Gewinne bleiben im Unternehmen und werden reinvestiert, im besten Fall in den Ausbau der sozialen Firmen.

Nichts zu geben außer der Ehre

In Zeiten, in denen viele Big Player am Finanzmarkt weniger tollkühn kalkuliert sondern mehr eiskalt riskiert haben, ist Wirtschaftswissenschafter Muhammad Yunus ein gefragter Mann. Wie kann man die Welt verbessern? Darüber hat der "Banker der Armen" nicht erst gestern nachgedacht, er vergibt mit seiner Grameen Bank seit den achtziger Jahren Mikrokredite an Kleinunternehmer in seiner Heimat Bangladesch. Die Bank hat heute mehr als 2500 Niederlassungen und bietet Mikrokredite für fast zehn Millionen arme Menschen in über 80.000 Dörfern an.

Im Unterschied zu Banken westlichen Typus gehört die Grameen Bank den Kreditnehmern, der Kredit entspricht in der Regel der Summe des Ersparten. Menschen, die nichts zu geben haben außer ihrer Ehre, wird Geld zum Aufbau eines Geschäfts gegeben. Die "winzigen" Ratenzahlungen werden wöchentlich eingesammelt, die Rückzahlungsrate soll hoch sein. In den 90er Jahren dürften sich Probleme aber gehäuft haben: Nicht bediente Kredite brachten die Bank in finanzielle Schwierigkeiten, die nur durch Spenden aufgefangen werden konnte.

Muhammad Yunus wurde vierlorts trotzdem als Messias gefeiert und hat im Lauf der Zeit Weltfirmen wie BASF, Danone, Adidas oder General Electric dazu gebracht, Hybriden zu gründen, in denen soziale Ziele mit einem klaren unternehmerischen Ansatz verfolgt werden. Danone etwa produziert billiges und nährstoffreiches Joghurt für die dritte Welt, "Grameen Veolia Water" hilft dabei, sauberes Trinkwasser in die ärmsten Regionen Bangladeschs zu bringen. "social business" als Modell zur Bekämpfung von Armut und Hunger.

Gut leben auch ohne Dividende

"Das Kernproblem all der Krisen wird aber bis heute nicht angegangen: das Gewinnstreben", sagte Yunus vor zwei Jahren einmal in einem 'Welt am Sonntag' Interview. Er können sich zwei Geschäftswelten vorstellen, die der "Gewinnmaximierer und die der Sozialunternehmer". In der einen Welt steht das Gewinnstreben im Mittelpunkt, in der anderen wird ein Teil davon eingesetzt, um anderen zu helfen. Dabei geht es um nicht weniger als eine völlig neue Wirtschaftsordnung.

Das Problem dabei: Mit wenig Geld viel bewegen - diese Geschäftsidee der Grameen Bank von Muhammad Yunus haben auch andere beispielsweise in der Mikrofinanzbranche kopiert. Und manche Sozialunternehmen sind ins Zwielicht geraten. Verleiher wurden auf Effizienz gedrillt, in den Medien war von "sozialen" Heuschrecken die Rede, die Kreditnehmer an den finanziellen Abgrund brachten und knallhart Eigeninteressen bedienten. Weltweit stecken etwa 60 Milliarden Dollar in der Mikrokreditbranche, 100 Millionen Menschen erhalten derartige Kredite. Einer Studie der Deutschen Bank zufolge kämen weltweit eine Milliarde Menschen als potenzielle Kunden in Betracht.

Muhammad Yunus hält am System fest und auch am Gedanken des social business. Darf man gut verdienen, wenn man Gutes tut? Der moderne Unternehmer soll daran gemessen werden, welchen Mehrwert er für die Gesellschaft erbringt. Der 70-Jährige, der als Chef der Grameen Bank vor kurzem den Kampf gegen seine Pensionierung verloren hat, hat auch schon einen Wunsch für die nächste Dekade des Weltwirtschaft: Die Schaffung zweier Börsensysteme für Unternehmen mit wirtschaftlichen und sozialen Zielen. Der Anleger soll sich Papiere von Unternehmen kaufen, die Menschen helfen. Eine Dividende gibt es freilich nicht. Gut anfühlen darf sich der Erfolg aber schon. (vet, derStandard.at, 24.6.2011)