Mit Kroatien wird schon bald ein Kandidat der EU beitreten, der eher zu den Problemfällen zählt. Seine Wirtschaft wurde von der Krise hart getroffen, steckt im zweiten Jahr einer Rezession. Die Arbeitslosigkeit stieg auf fast 20 Prozent, das durchschnittliche Einkommen liegt bei nur 60 Prozent des EU-Durchschnitts.

Die Union wird also noch lange Zeit viel Geld und Know-how an die östliche Adriaküste transferieren müssen, bis Kroatien sich zu einer Säule der Gemeinschaft wandeln kann. Dennoch überwiegt nach der Empfehlung der EU-Kommission eines sofortigen Verhandlungsabschlusses mit Kroatien und EU-Beitritts im Juli 2013 quer durch Europa und die Parteien die Freude. In Österreich hat sogar die FPÖ, die ja nie Gutes fand an dieser Union und deren Erweiterung nach Ost und Süd, den Schritt begrüßt.

Eigentlich erstaunlich, wenn man an die Debatten zur Hilfe für das schuldengeplagte Griechenland denkt. Dazu breitet sich in Österreich immer mehr die gefährliche Stimmung aus, man solle sich nicht nur von griechischen Schulden, sondern gleich vom Land verabschieden. Eine solche Aufgabe der Solidarität wäre für uns Europäer als Gesamtes vermutlich ein existenzbedrohender Leichtsinn.

Insofern kommen die optimistischen Nachrichten bezüglich Kroatien jetzt genau zur richtigen Zeit. Sie rufen in Erinnerung, warum es die EU überhaupt gibt; dass Sicherung von Demokratie und Frieden nicht nur mit 1945 (dem Ende der Nazibarbarei), sondern auch mit 1974 (Ende der Diktatur in Griechenland) und 1995 (Massaker von Srebrenica) zu tun hat. Die Einladung in den europäischen Klub kann man zwanzig Jahre nach den Grausamkeiten der Balkankriege als weiteren Sieg für die Prinzipien von Freiheit und Herrschaft des Rechts gegenüber Barbarei und blinder Ideologie werten - so wie das schon bei der Aufnahme der exkommunistischen Staaten Osteuropas 2004 und 2007 gewesen ist.

Wenn die Kommission nun anregt, 2011 gleich die Beitrittsgespräche mit Mazedonien folgen zu lassen und Serbien als EU-Kandidat die Hand zu reichen, folgt sie einer historischen Logik. Sie hat das Friedensprojekt Balkan 2025 im Auge. Dann sollten alle Staaten des Westbalkans EU-Mitglieder sein. Das darf ruhig etwas kosten. 500 Millionen Europäer können sich das leisten. Die Kroaten, Serben, Kosovaren, Bosnier, die 2011 geboren werden, werden uns dafür einmal dankbar sein - hoffentlich. (Thomas Mayer, STANDARD-Printausgabe, 11./12./13. Juni 2011)