Istanbul-Planer Alp: Schwimmende Brücke zwischen Asien und Europa.

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Ein "verrücktes Projekt" hat der türkische Regierungschef die Jahrhundertbauwerke genannt, die er im Wahlkampf mit viel Pomp ankündigte: einen Kanal in Istanbul, parallel zum Bosporus, vom Schwarzen Meer zum Marmarameer; zwei neue Millionenstädte am Rand der Metropole, zwei weitere Flughäfen, eine dritte Brücke über die Meeresenge. "Meine Projekte sind noch viel verrückter", sagt Ahmet Vekif Alp, ein Stadtplaner und bisher viermaliger Kandidat für das Amt des Bürgermeisters in Istanbul. Neun Prozent waren sein bestes Ergebnis - seine Schautafeln sind spektakulärer.

Das "Goldene Dreieck" nennt der renommierte Urbanist eine seiner Ideen, um den Autoverkehr zu lockern, der Istanbul und seine offiziell 13 Millionen Bewohner täglich stranguliert. Ein U-Bahn- und ein Autotunnel von der asiatischen zur europäischen Seite sind im Bau, die Verlängerung der U-Bahnlinie vom alten Teil Istanbuls zum Finanzzentrum im Stadtteil Levent wird seit Jahren gegraben. Doch an die dritte logische Verbindung, von Levent nach Asien, hat niemand gedacht.

Alp hat einen Vorschlag: noch einen Tunnel oder vielmehr eine Art Schlauch unter Wasser für Autos und Züge, an Drahtseilen aufgehängt und tief genug im Bosporus, sodass die Frachter auf dem Weg ins Schwarze Meer passieren können. Ziemlich verrückt, aber machbar, sagt der Architekt. Alp hat noch anderes auf Lager: eine schwimmende Brücke, insgesamt 80 Kilometer lang, vom Flughafen Sabiha Gökçen auf der asiatischen Seite an den Prinzeninseln vorbei zum Flughafen Atatürk im europäischen Teil. Auch das geht alles, sagt er. 20 solcher Viadukte gibt es derzeit auf der Welt.

Mit seinem "verrückten Projekt" hat Erdogan den erst 2009 vorgelegten Stadtentwicklungsplan für Istanbul über den Haufen geworfen. Von einem Kanal oder einer dritten Bosporusbrücke samt Autobahn, die Waldgebiete im Norden Istanbuls durchschneiden würde, ist dort nicht die Rede. Zekai Görgülü, Architektur-Professor an der Yildiz Universität, hält das Megaprojekt des Premiers deshalb auch nicht für machbar. "Es ist ein Stückwerk, von oben verordnet, ohne Diskussion mit der Bevölkerung, kein eigentlicher Plan." (mab, STANDARD-Printausgabe, 10.6.2011)