Mahaliweber (Plocepasser mahali) auf dem Ast: ein dominantes Paar mit einem subdominantem Männchen (rechts).

Foto: MPI f. Ornithologie

Eine Theorie besagt, dass die Größe der den Gesang steuernden Gehirnareale bei Singvögeln mit der Größe des Gesangsrepertoires zusammenhängen könnte. Bei einer Vielzahl von Arten singen nur die Männchen, und Untersuchungen zeigten, dass hier tatsächlich die Männchen größere Gesangsareale besitzen.

Dagegen spricht, dass auch Arten, bei denen Männchen und Weibchen identisch singen, dieselben Geschlechtsunterschiede in der Gehirnstruktur aufweisen. Erstmals zeigten nun Forscher des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Seewiesen am Mahaliweber (Plocepasser mahali), einem afrikanischen Singvogel, dass das Ausmaß dieser Geschlechtsunterschiede im Gehirn mit dem sozialen Status variiert und nicht mit dem Gesangsverhalten erklärt werden kann.

Chor und komplexes Solo

Mahaliweber sind im östlichen Afrika weit verbreitet. Diese Webervögel leben in Gruppen von bis zu 10 Tieren, mit einer ausgeprägten Dominanzhierarchie, wobei sich nur das dominante Paar fortpflanzt. Von dieser Art hört man oft eine rasche Abfolge von Wechselgesängen, die beide Geschlechter beherrschen, den so genannten Duettgesang. Während alle Gruppenmitglieder den eher kurzen Duettgesang können, der sich bei mehreren Sängern zu einem regelrechten Chorgesang entwickelt, singt das dominante Männchen zusätzlich einen langen, komplexen Sologesang, den es nur in der Morgendämmerung während der Brutzeit vorträgt.

Neurobiologen interessiert seit langem, auf welche Weise sich die oben erwähnten Geschlechtsunterschiede im Gesangsverhalten im Gehirn der Tiere wiederspiegeln. Der bislang gängigen Hypothese zufolge sind die Strukturunterschiede im Gehirn von Männchen und Weibchen bei den Arten am größten, bei denen sich auch das Gesangsverhalten stark unterscheidet, beziehungsweise bei denen nur die Männchen singen. "Am Malawiweber können wir an ein und der selben Art Geschlechtsunterschiede zwischen Tieren untersuchen, die unterschiedlich singen - nämlich dominanten Männchen und Weibchen, und solchen, die identisch singen, nämlich subdominanten Männchen und Weibchen", sagt Manfred Gahr vom Max-Planck-Institut für Ornithologie.

Überraschende Befunde

Die Ergebnisse überraschen, denn es zeigte sich ein vom sozialen Status abhängiger Geschlechtsunterschied. Zunächst fanden die Forscher, was nach der Hypothese zu erwarten war - die dominanten Männchen hatten ein viel größeres Gesangszentrum HVC, das fast dreimal so groß war wie bei den weiblichen Tieren. Verglichen sie jedoch subdominante Männchen mit Weibchen, die beide denselben Duettgesang singen, so war der männliche HVC immer noch doppelt so groß wie der weibliche.

Ein anderes Gehirnareal, der RA, der nur für die Produktion des Gesangs zuständig ist, zeigte dasselbe Muster. Die Größenunterschiede kommen hauptsächlich durch eine höhere Anzahl von Nervenzellen in diesen Arealen zustande. Interessanterweise fanden sich keinerlei Geschlechtsunterschiede in der Area X, einer Region, die beim Gesangslernen eine Rolle spielt.

Blick in die Gene

Ein ganz anderes Bild die Gen-Aktivität im HVC. Die Aktivitätsmuster zweier Gene für Synapsenproteine spiegelt das polymorphe Gesangsverhalten eher wieder als die Größe der Gehirnareale. Beim Vergleich von subdominanten Männchen mit Weibchen fand die Wissenschafter eine gleich starke Aktivität. Bei dominanten Weibchen waren die beiden Gene jedoch bemerkensweiter aktiver als bei dominanten Männchen.

Die Ergebnisse der unterschiedlichen Männchen-Weibchen Vergleiche passen nicht in das gängige Bild der Regulation von Geschlechtsunterschieden in Gehirn und Verhalten. Nimmt man an, dass die größere Neuronenzahl der dominanten Männchen für das Singen des komplexen Sologesangs notwendig ist, lässt sich jedoch nicht der Geschlechtsunterschied im Gehirn zwischen subdominanten Männchen und Weibchen erklären.

Alternativ dazu könnte die Arealgröße überhaupt keine Rolle spielen, sondern vielmehr die unterschiedliche Aktivität von Genen. "Das würde jedoch bedeuten, dass die Männchen, wenn sie einmal an die Spitze der Hierarchie geklettert sind, den Duettgesang mit Nervenzellen, die eine andere Genaktivität als Weibchen und subdominante Männchen aufweisen", sagt Cornelia Voigt. (red)