Edeltraud Hanappi-Egger (46) ist seit 2002 Professorin an der Wirtschaftsuniversität Wien.

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Standard: Sie leiten an der WU-Wien die Abteilung Gender- und Diversitätsmanagement und sind auf Ethno-Marketing spezialisiert. Was lernen Ihre Studenten?

Hanappi-Egger: Studierende werden darauf vorbereitet, Diversität in Unternehmen zu managen. Dabei geht es um Mitarbeiter und Kunden. Die Themen reichen von Frauenförderung über multikulturelle Teams, Behinderungen, ältere Personen bis hin zu Religiosität und sexueller Orientierung. Man lernt zu identifizieren, was in einem bestimmten Unternehmen relevant ist und wie man damit konstruktiv umgeht.

Standard: Wie wichtig ist Ethnomarketing in Österreich?

Hanappi-Egger: Zwei Dinge erschweren die Verbreitung von Ethnomarketing in Österreich. Erstens haben wir sehr viele Klein- und Mittelbetriebe, die keine großen Strategie- und Marketingabteilungen haben. Für sie ist es schwerer, Ethnomarketing einzuführen. Ein Hauptproblem ist aber sicher die Grundstimmung in der Gesellschaft. Bezeichnend für Österreich war für mich, dass vor kurzem eine heftige Diskussion darüber ausgebrochen ist, ob man auf ein Milchpackerl auch auf Türkisch schreiben darf, dass es sich um Milch handelt. Das macht jede Art von Diversitätsstrategie natürlich schwierig. Ich bin trotzdem zuversichtlich, immerhin gibt es bereits erste Ansätze.

Standard: Viele Unternehmen haben Angst, österreichische Kunden zu verlieren, wenn gezielt Migranten angesprochen werden.

Hanappi-Egger: Angst ist ein emotionales Thema, das in der Wirtschaft eigentlich nicht ausschlaggebend sein sollte. Natürlich gibt es aber einen Trade-off, der abgeschätzt werden muss. Wenn ich eine Gruppe anspreche, verliere ich möglicherweise eine andere, weil sie vielleicht ein politisches Problem damit hat. Schlussendlich ist es für Unternehmen eine Kosten-Nutzen-Rechnung, in die auch mögliche Imageveränderungen einfließen. Wenn ein Unternehmen durch Ethnomarketing mehr Marktanteile gewinnt, als es verliert, wird es sich auch für diese Strategie entscheiden.

Standard: Ist Ethnomarketing nicht auch ein Widerspruch zur Integration, wenn Migranten als Zielgruppe anders behandelt werden als Österreicher?

Hanappi-Egger: Nun, zum einen sind wohl auch Migranten Österreicher - aber es gibt ein gewisses Dilemma. Integration bedeutet aber nicht Assimilation. Eine Diversitätsstrategie wäre auch, sich mehr zu Pluralitäten zu bekennen als bisher. Verkäufer anzustellen, die mehrere Sprachen sprechen oder Produktbeschreibungen zum Beispiel auf Türkisch anzubieten ist eine Form der Akzeptanz und der Wertschätzung. Das kommt auch sicher gut an. Migranten kann man aber natürlich nicht generalisieren. Es gibt die, die speziell angesprochen werden wollen, und es gibt Gruppen, die das vielleicht nicht möchten. Hier müssen Unternehmen sehr darauf achten, nicht einfach nur Stereotype zu reproduzieren. (Laura Petschnig, DER STANDARD; Printausgabe, 9.6.2011)