32.000 Passivhäuser mit einer kumulierten Nutzfläche von rund 13,9 Millionen Quadratmetern stehen bereits in ganz Europa. 

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Auf dem ehemaligen Areal der Innsbrucker Eugenkaserne entsteht eine Wohnanlage mit 444 Wohnungen im Passivhausstandard, die während der ersten Olympischen Jugend-Winterspiele im Jänner 2012 in Innsbruck und Seefeld den über 1600 Athleten und Betreuern als Herberge dienen wird. Die Anlage besteht aus 13 Baukörpern und weist 313 Mietwohnungen, 62 Mietwohnungen mit Kaufoption sowie 55 subjektgeförderte und 14 frei finanzierte Eigentumswohnungen auf.

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Wolfgang Feist (li.), der als Erfinder des Passivhauses gilt, und Günter Lang, Pressesprecher der Passivhaustagung, zogen ein äußerst positives Resümee der 15. Internationalen Passivhaustagung in Innsbruck. Im nächsten Jahr wird die Tagung in Hannover stattfinden.

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"Think gobal, act local": Das Schlagwort der Wirtschaftswelt des 21. Jahrhunderts ist auch ein Leitmotiv, wenn es um nachhaltiges Bauen und Wohnen geht. Denn: "Die Prinzipien des Passivhauses sind weltweit die gleichen", machten Angela Espenberger und Sarah Mekjian von der International Passive House Association (iPHA) auf der 15. Internationalen Passivhaustagung deutlich. "Nur die Details sind regional an die klimatischen und strukturellen Rahmenbedingungen anzupassen."

Auf der Tagung, die am vorvergangenen Wochenende in Innsbruck stattfand, kamen 1200 Delegierte aus 50 Ländern zusammen, um sich über neue Bauten, Bauteile und Materialien sowie die politischen Rahmenbedingungen in ihren Ländern auszutauschen. Passivhaus-"Erfinder" Wolfgang Feist definierte dabei weltweit acht Klimazonen mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen: "Nur Heizen", "Nur Kühlen", "Nur Entfeuchten", "Heizen und Kühlen", "Heizen und Entfeuchten", "Kühlen und Entfeuchten", "Heizen, Kühlen und Entfeuchten" sowie "Lucky climates: Völlig passiver Betrieb möglich". Für alle diese Regionen gebe es mittlerweile Passivhaus-Beispiele und Lösungen, so Feist.

Tirol will vor- bzw. nachreiten ...

"Passivhaus in den Regionen" lautete folgerichtig auch das diesjährige Motto der Tagung, und die Gastgeber-Region Tirol wollte da ein gutes Beispiel abgeben. "Die Zukunft ist das Passivhaus", stellte Tirols LHStv. Anton Steixner (ÖVP) gleich in seiner Eröffnungsrede klar - und dieses habe sich in Tirol bereits "bestens etabliert." Auch der Tiroler Wohnbau- und Umweltlandesrat Hannes Gschwentner (SPÖ) bekräftigte, dass am Passivhaus "kein Weg mehr vorbei führt." Tirol entwickle sich zum "Mekka des Passivhauses", auch dank der Professur, die Feist seit drei Jahren an der Uni Innsbruck inne hat, habe das Passivhaus in Tirol nach einer langen Durststrecke nun eine rasante Entwicklung genommen. "Waren es 2009 nur zwei Prozent und 2010 schon zehn Prozent, so werden es 2011 bereits über 50 Prozent aller Neubauwohnungen sein, die auch den Komfort eines Passivhauses bieten", so Gschwentner.

Wichtiges Steuerungselement sei die Wohnbauförderung, "daher werden ab 2012 nur noch Passivhäuser in Tirol gefördert", kündigte der SPÖ-Politiker an. Tirol werde damit das zweite österreichische Bundesland nach Vorarlberg sein; das "Ländle" hat bekanntlich schon 2007 für alle geförderten Mehrfamilienhäuser den Passivhaus-Standard verpflichtend eingeführt.

"Alles andere würde auch überhaupt keinen Sinn mehr ergeben", pflichtete Klaus Lugger, Geschäftsführer der Neuen Heimat Tirol (NHT) und Präsident des europäischen Verbandes der Gemeinnützigen Bauträger, bei. Die NHT hat nicht nur die beiden derzeit weltweit größten Passivhaus-Wohnhausanlagen (Lodenareal und O3 Olympiadorf, siehe Bild) gebaut, sondern errichtet neben den bereits bestehenden 1.400 Wohneinheiten weitere 1.000 Wohneinheiten in 15 Wohnhausanlagen in Passivhaus-Standard. "Wenn die Mehrkosten gegenüber dem Mindeststandard bei der Errichtung lediglich drei Prozent, die Energiekosteneinsparung aber mehr als 50 Prozent ein Leben lang ausmachen, spricht alles klar für das Passivhaus."

... und Leuchtturm-Region werden

Gschwentner kündigte dazu an, dass sich Tirol bemühen werde, die 28. Passivhaus-Leuchtturmregion Europas zu werden. Von den bisherigen 27 haben sich zehn auf der Innsbrucker Tagung vorgestellt, nämlich Brüssel, Oslo, Alta Valtellina (Italien), Frankfurt, Hannover, Nürnberg, Vorarlberg, Niederösterreich, Wien und Wels. Sie zeigten die erfolgreiche politische Umsetzung in ihren Regionen im Rahmen von Passivhaus-Deklarationen für den eigenen Wirkungsbereich.

Vorreiter dabei war die Region Brussels-Capital, wo bereits im Dezember 2007 beschlossen wurde, ab 2010 alle öffentlichen Bauten und ab 2015 sämtliche Neubauten in der Region nur noch in Passivhaus-Standard zu errichten. Die belgische Region setzt damit schon um sechs Jahre früher jenen Standard um, den die EU-Gebäuderichtlinie ab 2021 ohnehin als Mindeststandard vorschreibt. Um die Entwicklung in Schwung zu bringen, wurden im Zuge eines "Call for Proposals for Exemplary Buildings" binnen drei Jahren 117 Objekte mit 265.000 m² in Passivhaus-Standard initiiert.

Passivhaus in der Welt

Zahlreiche bereits gebaute Projekte aus allen Teilen der Welt wurden auf der Tagung in Innsbruck vorgestellt. Simone Kreutzer aus dem schwedischen Växjö berichtete etwa von einem Kindergarten in Åkersberga mit einem Heizwärmebedarf von 14,6 kWh/m²a nach PHPP, der als "erstes international zertifiziertes Passivhaus in Schweden" gilt, sowie einem Passivreihenhaus in Kiruna, Schwedens nördlichster Stadt. Dies würde nun beweisen, dass es auch im hohen Norden möglich sei, richtige Passivhäuser zu bauen, so Kreutzer. Problematisch seien aber nach wie vor die großen Berechnungsunterschiede zwischen dem internationalen Passivhaus-Standard nach PHPP und der nationalen schwedischen Passivhausdefinition. Letztere komme - wie in vielen anderen Nationen auch - auf viel zu günstige theoretische Berechnungsergebnisse, die weit unter den tatsächlichen Verbräuchen liegen.

Alexander Zhivov vom US Army Corps of Engineers analysierte in seiner Studie anhand von Beispielen unterschiedlicher Armeegebäude mit unterschiedlichen klimatischen Bedingungen, dass das Passivhaus den ökonomischsten Standard darstelle, der selbst bei der Sanierung des Army-Gebäudebestands umgesetzt werden könne. Die  Energieunabhängigkeit dank des Passivhauses habe für die US Army enorme strategische Bedeutung.

In Santiago de Chile, wo die starke Solareinstrahlung im Sommer eine effektive Verschattung erfordert, wurde ein Bankgebäude erfolgreich als Passivhaus ausgeführt. Wie Marcelo Huenchunir berichtete, ermöglichen dort die hohen Tages- und die tiefen Nacht-Temperaturen eine passive Kühlung des Gebäudes durch thermische Speichermassen und Nachtlüftung. Auch die Abwärme der Server und Geldautomaten könne auf diese Weise abgeführt werden.

Auch in Südkorea soll durch die Bildung einer deutsch-koreanischen Partnerschaft der Passivhaus-Standard verbreitet werden.

Britischer Bausektor mit Problemen

Aus Großbritannien, wo ab 2016 für alle Neubauten das "Zero CO2 Emission building" verpflichtend ist, stellte Bill Butcher aus West Yorkshire auf der Tagung eine Methode vor, wie mit dem traditionellen zweischaligen Mauerwerk - drei von vier Neubauten werden in Großbritannien auf diese Weise errichtet - der Passivhaus-Standard umgesetzt werden kann. In einem Vortrag stellte er speziell für diese Bauweise Lösungsansätze für die Luftdichtheit des Gebäudes sowie zur Vermeidung von Wärmebrücken vor.

Der eklatante Mangel an Passivhaus-Komponenten sowie an bautechnischem Know-how stellt die Verfechter einer energieeffizienten, nachhaltigen Bauweise auf der Insel allerdings zunehmend vor Probleme: Produkte wie Personal müssen aus Deutschland und Österreich "importiert" werden, darauf wies Henrietta Lynch aus Südwales in einem Dokumentarfilm hin, für den sie Interviews mit Planern und Baufirmen führte.

EU will Sünder bestrafen

Aus Brüssel könnte das recht bald Ungemach bedeuten: Clemens Haury, Vertreter der EU-Kommission (Energie-Generaldirektion), betonte, dass die EU-Kommission mit ihrem Energieeffizienzplan und der Energie-Gebäuderichtlinie 2010 - Stichwort "Nearly zero energy building" ab 2021 - die Weichen zur raschen Umsetzung höchster Energieeffizienzstandards gesetzt habe. "Sollten einzelne Staaten bei deren Umsetzung säumig sein, wird die EU 2013 nach der Bewertung der Umsetzungsmaßnahmen nicht zögern, Sanktionen gegen diese Staaten zu setzen. Schließlich ist es im strategischen Interesse Europas, sich so rasch als möglich von der Abhängigkeit Europas von Energieimporten loszulösen."

Mit effizienter Energienutzung ließen sich über 50 Prozent des Verbrauches ohne jeglichen Komfortverlust einsparen. "Da der Gebäudesektor in der EU für 40 Prozent des Energieverbrauches verantwortlich zeichnet, ist der Passivhaus-Standard die beste und kostengünstigste Lösung dafür", so Haury.

Nächste Tagung in Hannover

Die bisher in Europa errichteten knapp 14 Millionen Quadratmeter Nutzfläche in Passivhaus-Standard würden innerhalb von 40 Jahren mindestens zehn Milliarden Euro an Energiekosten und acht Millionen Tonnen an CO2-Emissionen einsparen, resümierte Günter Lang, Pressesprecher der 15. Internationalen Passivhaustagung. "Diese nicht benötigte Energie ist die sicherste Energieform und der Weg in die Unabhängigkeit." (map, derStandard.at, 8.6.2011)