Der Zellbiologe Kleine-Vehn war ein Jahr in Stanford.

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"Nicht jeder kann zum Mond fliegen", meint Jürgen Kleine-Vehn zum oft geäußerten Kinderwunsch, einmal Astronaut zu werden. "In eine Zelle hineinzusehen kommt dem am nächsten."

Ein "Grundinteresse für die Naturwissenschaften" hat den im nordrhein-westfälischen Wesel geborenen Kleine-Vehn schon immer angetrieben. Nach der Schule war klar: "Ich will Forschung machen", erzählt der heute 33-Jährige. Die Frage war: Medizin oder Biologie? Die Entscheidung fiel auf Letzteres. Als Erster in der Familie ging er an die Uni, und zwar nach Tübingen, wo er sich vorerst in die tierische Zellbiologie stürzte. Erst im Laufe des Studiums fand er zu seinem heutigen Forschungsgebiet, der pflanzlichen Molekularbiologie - die ihn demnächst nach Wien führen wird.

Im August wird er ein Labor an der Universität für Bodenkultur beziehen, wo er in den kommenden Jahren ein Forschungsprojekt zum Wachstum von Pflanzen leitet, ermöglicht durch das Programm "Vienna Research Groups for Young Investigators" des Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds WWTF mit dem Fokus auf Life Sciences. Das Gesamtbudget von 4,5 Millionen Euro für drei Forschergruppen kam aus dem Budget von Wiens Vizebürgermeisterin Renate Brauner. Derzeit läuft ein weiterer Call mit Schwerpunkt IT.

Pflanzen und Zellbiologie, das ist für Kleine-Vehn eine gute Kombination: Zellen lassen sich in Pflanzen mit relativ einfachen Mitteln mikroskopisch untersuchen. Dazu kommt ein anderer Vorzug gegenüber tierischen Zellen: "Einen Keimling zu zerstampfen, um die DNA zu isolieren, tut nicht weh." Schon während des Studiums jobbte er nebenbei in der Pflanzenforschung. "Da bin ich dann hängengeblieben", meint Kleine-Vehn. Auch wenn er bei einem Auslandsjahr an der renommierten Stanford-Universität kurzzeitig mit Fliegen arbeitete.

Zwischen Diplom und Doktorat legte er ein Jahr Auszeit ein, in dem er Südostasien, Südamerika und Südafrika bereiste. Die Gruppe rund um seinen Doktorvater Jirí Friml zog kurz vor Abschluss seiner Dissertation an die belgische Uni Gent, wo Kleine-Vehn ein Postdoc-Studium absolvierte.

"Meine Passion ist die Forschung", sagt er. Dabei gilt seine Leidenschaft ganz dem Pflanzenhormon Auxin. Bekannt ist, dass es fast alle Entwicklungsprozesse der Pflanze reguliert, also bestimmt, ob eine Zelle wächst, ob sie sich teilt oder eine andere Funktion übernimmt. Wie das genau abläuft und wie Auxin in Kombination mit anderen Hormonen auf die Zelle wirkt, will der Biologe entschlüsseln. "Beim Wachstum einer Pflanze baut sich ein enormer Druck auf. Die straffe Zellwand muss sich auflösen, damit sie wächst", erklärt Kleine-Vehn. "Es ist nicht klar, wo hier die Hormone wirken."

Mithilfe der schnell wachsenden Modellpflanze Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand) versuchen Kleine-Vehn und sein Team herauszufinden, wie der Organismus das Wachstum koordiniert, von der Zellebene bis zur Ebene der kompletten Pflanze. Letztlich wäre dieses Wissen nützlich, um Pflanzenwachstum zu manipulieren, wie etwa die Ausbreitung von Wurzeln in die Tiefe oder zur Seite. "Bestimmte Pflanzen könnten für trockenes Klima getrimmt werden", sagt Kleine-Vehn, der nun selbst für die nächsten Jahre in Wien Wurzeln schlägt. "In der Wissenschaft muss man flexibel sein. Ich bin jemand, der in den Tag hinein lebt, ohne große Pläne zu machen."

Eine besondere Beziehung zu Pflanzen habe er von Berufs wegen nicht. Bloß von einer Bananenstaude und einem Bonsai will er sich nicht trennen. Die werden ihn nach Wien begleiten. (Karin Krichmayr/DER STANDARD, Printausgabe, 08.06.2011)