Wie sehr menschengemachte Schadstoffe das Wetter beeinflussen, ist noch wenig erforscht.

Foto: A. M. Begsteiger

Früh raus, hinauf auf den Berg, um die klare, frische Luft zu genießen. Das mag ein zentrales Motiv für Bergsportler sein, meteorologischen Überprüfungen hält es allerdings nicht immer stand. Denn die Formel "je höher hinauf, desto sauberer die Luft" hat nur eingeschränkt Gültigkeit, wie der österreichische Meteorologe Alexander Gohm herausgefunden hat.

Im Sommer und im Winter, den Jahreszeiten mit besonders ausgeprägten Temperatur- und Wetterverhältnissen, kann es im alpinen Tal auch schon einmal zu sehr speziellen Schadstoffverteilungen in der Atmosphäre kommen.

Kaltluftseen im Tal

Hohe Feinstaub- und Stickoxidbelastungen sind - pauschal gesprochen - "ein Winterproblem in Tälern", sagt Gohm, der am Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Innsbruck tätig ist. Neben den natürlich vorkommenden Aerosolen sind es vor alle die anthropogen und lokal verursachten Partikel, etwa durch Hausbrand, die für schlechte Luft sorgen. Bei einer mehrere Tage anhaltenden stabilen Hochdruckwetterlage kann das schon einmal zu wahrnehmbarem schmutzigen Dunst führen.

Dabei sitzen die Schadstoffe in der Regel in den Senken selbst, denn "durch den niedrigen Sonnenstand und vor allem bei Schneebelag können sich im Winter Kaltluftseen in Tälern bilden, das heißt, die Temperaturen im Tal sind niedriger als in höheren Lagen", so der Forscher. Diese Kaltluftseen unterbinden den vertikalen Austausch von Luft und lassen kaum zu, dass sich die Konzentration der Schadstoffpartikel in der unteren Talatmosphäre verdünnt.

Schadstoffschichten 

"Wir haben aber gesehen, dass es untertags zu Hangaufwinden kommt, welche die schadstoffreiche Luft von den niedrigeren Schichten in größere Höhen transportieren", sagt Assistenzprofessor Gohm, der für seine Arbeit zum Transport von Luftschadstoffen am Beispiel des Tiroler Inntals mit dem Wissenschaftspreis der Stadt Innsbruck ausgezeichnet wurde.

Allerdings werden die Schadstoffe nicht aus der Talatmosphäre hinaustransportiert, "sondern es kommt zu einer bestimmten Schichtenbildung. Oben befinden sich dann schadstoffreichere Schichten, unten sind die schadstoffärmeren Schichten". In der Nacht sorgen dann Hangabwinde wieder für den Rücktransport der Schadstoffe ins Tal - die Schadstofferleichterung für die Talbewohner ist also nur vorübergehend. Hangwinde sorgen für eine weitere Besonderheit: "Das Inntal ist ost-west-orientiert. Die zum Südhang exponierte Hangseite bekommt über den Tag sehr viel Sonnenenergie, welche die Hangaufwinde antreibt", erklärt Gohm. Somit komme es hier zu einer vergleichsweise hohen Luftverschmutzung in den oberen Schichten. "Die gegenüberliegende Talseite mit wenig direkter Sonneneinstrahlung weist hingegen geringe Schadstoffkonzentrationen auf." Der Grund dafür ist der nicht vorhandene Hangaufwind am Tage.

Eine bessere Durchmischung der Luft bringen die sommerlichen Wetterverhältnisse mit sich, beispielsweise kräftige Gewitter oder starke Regengüsse. Auch die großen Temperaturamplituden, im alpinen Tal gibt es Unterschiede von bis zu 20 Grad Celsius zwischen Früh- und Mittagstemperatur, sorgen für Luftdurchmischung. "Die Meteorologie ist günstiger", sagt Gohm. Doch es kommt durch die intensivere Sonneneinstrahlung zu stärkeren fotochemischen Prozessen. So wird "bei sehr langen intensiven Schönwettertagen das aus Stickstoffemissionen produzierte Ozon wieder relevant, das ebenfalls von Hangaufwinden am Tag in große Höhen befördert werden kann", sagt der Forscher.

Oben sauber, unten im Tal dreckig - dafür können wiederum Föhnwetterlagen sorgen. Da kann ozonreiche Luft aus großer Höhe ins Tal hinuntertransportiert werden.

Warme Winde

Im Winter bringt der Föhn den Talbewohnern hingegen Erleichterung. Die von größerer Höhe ins Tal absteigenden warmen Winde können die Kaltluftseen aufbrechen und die Talatmosphäre von Feinstaub und anderen Schadstoffen befreien. Genau dieses Zusammenspiel von Wetter und Luftverschmutzung wurde bei Punktmessungen von Feinstaub- oder Ozonbelastung bisher vernachlässigt, sagt der gebürtige Vorarlberger Gohm. "Die Prozesse im alpinen Tal sind ganz anders als im Flachland, wo es keine Hangwinde gibt." Daher greifen Gohm zufol-ge die für das Flachland erstellten Modelle zur Schadstoffberechnung auch zu kurz.

Der Meteorologe erhob seine Daten auf Grundlage sehr kostspieliger Messungen, die er mit einem Messgerät mit Lasertechnologie von einem Flugzeug aus durchgeführt hat. Vier Wintertage hat diese "größere Feldmesskampagne" (Gohm) gedauert. Anschließend analysierte er die dreidimensionalen Bilder im Labor und erstellte Computersimulationen.

Hier steht die Forschung noch am Anfang. Um etwa auf gesundheitliche Auswirkungen der durch das Wetter beeinflussten Schadstoffkonzentrationen schließen zu können, müsse man vor allem Mittelwerte heranziehen. "Meine Aufnahmen sind nur Schnappschüsse, die darauf schließen lassen, wie das Wetter die Luftverschmutzung im alpinen Tal beeinflusst", sagt Gohm. Auch wenn man weiß, dass Aerosole zur Tropfenbildung - also auch zur Wolkenbildung - beitragen können: Inwiefern anthropogene Schadstoffeinträge das Wetter bestimmen, "ist noch wenig geklärt".(DER STANDARD, Printausgabe, 08.06.2011)