Wo die Grenzen bei der Mindestsicherung liegen können, weiß Schuldenberater Thomas Jedlizka mittlerweile: Er hatte innerhalb weniger Tage schon drei Mal einen Patschen, weil er den Schlauch nur repariert, anstatt den gesamten Reifen zu erneuern.

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Ingeborg Haller, Gemeinderätin der Bürgerliste, deckte sich am Salzburger Grünmarkt um 6 Euro mit Obst und Gemüse ein. Allerdings sprengte sie bei einem einzigen Besuch in einem Gastgarten das Tagesbudget von 13 Euro bei weitem.

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Für Weltladeninhaberin Christine Bliem ist die größte Einschränkung, dass sie sich momentan keine kulturellen Veranstaltungen wie etwa einen Kinobesuch leisten kann.

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Nach zwei von vier Wochen des Salzburger Projekts "Schaukeln Sie mit in der sozialen Hängematte" zeigt sich bereits eindeutig, wo die Grenzen liegen, wenn nur die Mindestsicherung zur Verfügung steht. Die Grundbedürfnisse können zwar bei genauer Planung abgedeckt werden, doch Extratouren sind kaum drin. Für Probleme sorgen da schon ein kaputter Fahrradreifen, ein schönes Geschenk für eine Geburtstagsfeier oder ein Kinobesuch. Kommen ein Zahnarzttermin und ein Service beim Auto zusammen, ist gleich das gesamte Monatsbudget von 400 Euro dahin.

Die Berichte über Erfahrungen und Alltagssituationen während der zweiten Woche in gestürzter alphabetischer Reihenfolge der teilnehmenden Personen:

Renate Pleininger, Gemeinderätin der FPÖ

"Ich habe leider ganz vergessen, dass ich schon vor einiger Zeit einen Zahnarzttermin vereinbart habe, den ich nicht mehr stornieren konnte. Bei der Terminvereinbarung im Jänner dieses Jahres wurde unter anderem auch eine Mundhygiene vereinbart. Kostenpunkt 50 Euro. Außerdem musste ich mein Auto zum Service bringen und das Pickerl musste erneuert werden. Da ich nächste Woche nach Graz fahren muss, konnte ich das nicht aufschieben. Somit habe ich diese Woche den gesamten Monatsetat von 400 Euro ausgegeben.

Mir bleibt also nichts anderes übrig, als meinen Bankrott zu erklären und einzugestehen, dass ich kläglich gescheitert bin. Ein nicht gerade erhebendes Gefühl, aber eine wichtige Erfahrung,
die mir bewusst gemacht hat, wie schnell man in die Armutsfalle geraten und einen Schuldenberg ansammeln kann. Ein Teufelskreis, aus dem es nur schwer zu entkommen ist. Trotz erheblichem Minusstand werde ich weiter machen und sehen, wie schlimm die Bilanz am Ende dieses Projektes tatsächlich ausfällt."

Daniel Pfeifenberger, Geschäftsführer einer Telefonanlagenfirma

"Nach zwei Wochen hat sich mein Gefühl bestätigt, dass sich die Ausgaben für Haushalt und Lebensmittel im erwarteten Rahmen halten. Ich konnte bisher alle Einkäufe am Grünmarkt ohne große Einschränkungen erledigen. Bisher habe ich 180 Euro für Lebensmittel & Co. ausgebeben, wobei damit schon alle Essen für die nächste Woche im Haus sind. Also ein Durchschnitt von 60 Euro pro Woche. Durch entsprechende Planung lässt sich Essen auf einem gesunden und guten Niveau kaufen.

Andere Bereiche machen allerdings mehr Probleme. Letzten Sonntag habe ich bei einem sehr netten Ausflug mit Freunden, einem gemütlichen Mittagessen im Gastgarten und ein paar Getränke knapp 20 Euro ausgegeben. Das Essen hat nur halb so gut geschmeckt, das schlechte Gewissen hat ständig im Hinterkopf gearbeitet. Auf das Dessert wurde ich nach einer kurzen Erklärung der Situation eingeladen. Lustig, aber natürlich nicht alltagstauglich. Am Sonntag wieder eine brenzlige Situation: Ich war als Firmpate im Einsatz, hatte aber keine großen Ausgaben zu bestreiten. Wobei für das noch ausstehende Firmgeschenk (ein sportlicher Ausflug) noch ein paar Euro abgezweigt werden müssen."

Elfriede Konderla, Pensionistin mit 270 Euro Monatsbudget

"Die zweite Woche habe ich mit einem Minus von 15 Euro abgeschlossen. Der Grund: Ich habe die aliquoten Anteile von Telefon und Zeitungs-Abo (für diese vier Wochen) zu meinen Ausgaben gegeben, d.h. in der dritten Woche müsste ich wieder mein Limit einhalten. Ein Riesenproblem habe ich jedoch. Am 18. Juni steigt ein (Runder)-Geburtstag eines nahen Verwandten und dafür hätte ich schon von Anfang an Einsparungen treffen müssen, habe es aber leider vergessen. Wie ich nun ein einigermaßen nettes Geschenk zustande bringen werde, ist mir noch nicht klar. Ich mache nur zu gern Geschenke.

Ein aktuelles Beispiel: Am Donnerstag waren mein Mann und ich zum Kaffee eingeladen. Unter 'normalen Bedingungen' kaufen wir ein gutes Flascherl Wein oder ein Buch und Blumen, Blumen im Topf und natürlich mit Übertopf. Summa summarum geschätzte 18 Euro. Das war diese Woche nicht mehr zu machen. Also hab ich einen Gugelhupf gebacken, einen 'Kärntner Reindling', der insgesamt 5 Euro gekostet hat. Aus der Not eine Tugend machen, das ist momentan mein Motto."

Thomas Jedlizka, Schuldenberater

"Eine Alltagssituation: Ich starte nach neun Stunden Arbeit in der Schuldenberatung mit dem Fahrrad. Obwohl ich eine Jahreskarte für den ÖBB-Bus habe, fahre ich bei trockenem Wetter gerne die 12 Kilometer von Salzburg nach Hallein/Rif mit dem Fahrrad, um etwas körperlichen Ausgleich und Abstand von der Arbeit zu bekommen. Während der Fahrt fängt es jedoch immer stärker zu regnen an und zu allem Überfluss habe ich gegen Ende der Strecke den dritten 'Patschen' innerhalb von wenigen Tagen. Um Geld zu sparen, habe ich bisher nur den Schlauch repariert und nicht den alten Reifen ersetzt. Nach einer Schiebestrecke komme ich nicht gerade ausgeglichen zu Hause an.

Normalerweise würde ich bei Regen abends z.B. in die Sauna (Eintritt ca. 12 Euro) oder Kletterhalle (9 Euro) gehen, wenn es mit der Familie vereinbar ist. Aber diese Frage erübrigt sich momentan wegen des Geldes. Ich kann es mir nicht leisten und muss mir meinen Ausgleich anderswo billiger suchen - denn bei Sauna und Kletterhalle heißt es für mich zurzeit 'Zutritt verboten!'"

Ingeborg Haller, Gemeinderätin der Bürgerliste

"Ich habe am Samstag um sechs Euro am Grünmarkt eingekauft. Erdbeeren sind jetzt billig, kommen aus der Steiermark und schmecken gut. Ansonsten habe ich noch Paprika und Gurken gekauft, weil Gemüse immer am Speiseplan steht (da lässt mich auch die aktuelle Diskussion zum Ehec kalt ). Aber ansonsten ist Sparen am Markt schwierig, weil es dort so gute Sachen (ob Fisch, Fleisch, Wurst oder Käse) gibt - und die gehen sich mit 400 Euro im Monat einfach nicht aus.

Mit dem Auto fahre ich so gut wie gar nicht, was mir aber in der Stadt Salzburg nichts ausmacht, weil ich fast immer mit dem Fahrrad unterwegs bin. Essen zu gehen ist nicht drinnen bzw. nur dann, wenn ich eingeladen werde und 'die Spielregeln' verletze.

Insgesamt kristallisiert sich heraus, dass es mir sehr schwer fallen wird, die vier Wochen durchzuhalten und mit dem Geld symbolisch auszukommen. An Tagen, an denen ich viel arbeite, komme ich kaum dazu, Geld auszugeben - ich nehme mir dann in der Frühe oft eine Jause als Mittagessen mit. An manchen Tagen der vergangenen Woche lag ich weit über dem Tagessatz. So brachte ein Besuch im schattigen Gastgarten - was bei schönem Wetter ja durchaus angebracht ist - das Budget völlig durcheinander."

Familie Bliem: Christine (Weltladeninhaberin), Sepp (Arbeitnehmer im Schärfdienst), Fabian (Schüler)

"Bei einer sonntäglichen Fahrradtour mit anschließender Wanderung kamen wir an einer 'Verköstigungsstation' vorbei. Man glaubt nicht, wie schön die Torten ausschauen können, wenn man sich diese nicht leisten kann. Mein größtes Problem sind aber kulturelle Veranstaltungen wie ein Kino-Besuch - hier fehlt mir eindeutig die Freiheit der Entscheidung. Nicht, dass ich überall dabei sein müsste, oder ständig unterwegs wäre, aber derzeit ist mir sogar die Freiheit genommen, 'nein' zu sagen.

Ich habe mir in der Öffentlichen Bücherei zwei DVDs ausgeliehen. Wir haben keinen Fernseher, aber ich schaue abends gerne einmal eine DVD. Mein Mann sagte spontan: 'Ist das wirklich notwendig?'. Die DVD's kosten 2 Euro im Verleih. Dafür fuhr er zu einer Veranstaltung seines Lieblings-Fußballvereins nach Salzburg ins Bräustübl und brauchte dafür das Auto sowie 3 Euro für ein Bier.

Wir sitzen jeden Abend vor unserem Haushaltsbuch, tragen Ausgaben ein und reden über Geld. Manchmal führt das fast zu einem Streit, obwohl wir unser zur Verfügung stehendes Budget bei weitem nicht ausschöpfen. Wir haben in unserem 'normalen' Leben zwar auch nicht unbegrenzte Mittel zur Verfügung, aber Geld ist eigentlich kein oder nur ein marginales Thema in unserer Beziehung. Dauernd die Finanzierung des Lebens im Kopf haben zu müssen, belastet das Zusammenleben."

(Aufgezeichnet von Martin Obermayr, derStandard.at, 6.6.2011)